Monatsarchive: Dezember 2008

Sparen auf Teufel komm raus

Ein Strafverteidiger in Berlin könnte ja auch mal kostenlos arbeiten, meinte ein Rechtspfleger.

Der Mandant wurde in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe 8 Monaten verurteilt. Es hatte eine Auseinandersetzung zwischen ihm und einem Polizeibeamten gegeben, an deren Ende der Polizist verletzt aus dem Dienst ging.

Weil dem Mandanten es nicht Recht war, diese 8 Monate absitzen zu müssen, hat er mich mit der Verteidigung in der Berufungsinstanz beauftragt.

Mir sind in der Akte ein paar wichtige Ansätze aufgefallen, die in der ersten Instanz nicht Thema waren. Darüber habe ich dann in der Vorbereitung der Verhandlung vor dem Berufungsgericht mit dem Vorsitzenden Richter ausführlich gesprochen. Wir beide waren uns einig, daß die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll.

Allerdings hatten wir die Rechnung ohne den Staatsanwalt gemacht. Der wollte den Mandanten „hängen“ sehen. Deswegen habe ich dann auch nicht darauf verzichten wollen, die Zeugen und insbesondere den geschädigten Polizeibeamten zu hören. Denn der hatte durchaus auch seinen Teil zu diesem Konflikt beigetragen. Diese Zeugen hatte der Richter aber gar nicht geladen, da er – wie ich – nicht davon ausging, es mit mit einem sturen Staatsanwalt zu tun zu bekommen.

Zu dem zweiten Termin – etwa 6 Monate später – erschienen das Gericht und die Staatsanwaltschaft in neuer Besetzung. Plötzlich war man sich einig, daß die Strafe nun doch zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Damit die Zeugen möglichst schnell wieder entlassen werden konnten, habe ich nun die Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung begrenzt. Das Urteil fiel wie erwartet aus. Die Geschichte war für den Mandanten damit erfreulich beendet.

Nur der Verteidiger hatte noch zu tun. Er ging „nur“ noch um die Frage, in welcher Höhe er bezahlt wird. Und da die Zahlung durch die Landeskasse erfolgt und diese eigentlich nie freiwillig zahlt, mußte ein eigens dafür angestellter Kostenbeamter versuchen, die Kosten wenigstens so gering zu halten, wie irgend möglich.

Hier kam der kostenbeamtete Rechtsfleger auf eine tolle Idee: Wenn der Verteidiger die Berufung begrenzt hat, und zwar im zweiten Termin, dann hätte er das doch auch schon im ersten Termin tun können. Dann wäre der zweite Termin entbehrlich gewesen. Und er streicht dem Verteidiger eine von zwei Terminsgebühren. 270,00 Euro zzgl. Umsatzsteuer.

Außerdem hätte der Verteidiger dann zum zweiten Termin die Gerichtsakte auch nicht ergänzend kopieren müssen. Zack, nochmal um rund 50 Euro gekürzt.

Also: Wenn der Staatsanwalt beim ersten Mal nicht so stur gewesen wäre, wären diese Kosten tatsächlich nicht entstanden. Aber daß ich für lau zum Gericht laufe … soweit bin ich noch nicht. Nur beschäftigen sich mit dieser Sache (neben den Lesern dieses Beitrags) auch noch drei qualifizierte Richter beim Landgericht damit. So spart man Kosten!

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Wieder aufgetaut

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Nach knapp 50 km bei -2 bis 0 Grad Celsius gibt es ganz schön kalte Füße. Nach 50 km Duschen ging’s dann wieder. ;-)

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Retourkutsche

Der Richter am Amtsgericht Rinteln, Herr Christian Rost, hatte die Richter am Landgericht Verden (das in Hannover tagte) und den Staatsanwalt angezeigt, weil er die Ansicht vertrat, die Verfahrensabrede in dem Hells Angels Prozeß stelle eine Strafvereitelung im Amt und möglicherweise sogar eine Rechtsbeugung dar.

Die Richter am Landgericht zählen die Pferde für die Retourkutsche, die gegen den Amtsrichter gefahren werden könnte:

„Die hiesige Behördenleitung erwägt unter Fürsorgegesichtspunkten eine Strafanzeige wegen Beleidigung und falscher Verdächtigung“, sagte Katharina Krützfeldt, Sprecherin des Verdener Landgerichts gestern der HAZ.

Quelle: HAZ

Es knirscht im Krähennest. So wird aus einem Rocker-Prozeß ein Richter-Prozeß.

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Voll integriert

Weihnachten in Neukölln

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Ok, man muß einräumen, daß die Baumschmücker (wohnen hinten links) nicht christlich sozialisiert wurden. Und dafür ist es doch schon ganz gut, oder?

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Heiligabend, 15:17 Uhr

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Keine Weihnachtsstimmung in Kreuzberg. Es regnet.

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Speisung eines Berliner Strafverteidigers

Am Vormittag des 24. Dezember klingelte es in der Kanzlei. Vor dem Haus stand ein Lieferwagen mit der Werbung vom „Menütaxi„:

Seit über zehn Jahren beliefern wir täglich tausende Kunden mit frisch gekochten, warmen Mittagsmahlzeiten, Kaltgerichten, Abendbrottellern, Salaten und Süßspeisen.

Jahr für Jahr erweiterten wir unsere Angebotspalette und erfüllen heute starken sowie schwachen Essern, Vegetariern, Feinschmeckern, Diabetikern, Süßmäulern und Schonkostkunden ihre individuellen Wünsche.

Zu den Kunden des Menübringdienstes zählen neben unseren Seniorinnen und Senioren, Unternehmen wie Autohäuser, Arztpraxen und Baubetriebe, private Haushalte und Senioreneinrichtungen.

Dabei hatte ich doch gerade erst mein zweites Frühstück gehabt …

Der freundliche Bote im roten Gewand brachte mir dann auch nichts zu essen, sondern ein Paket Akten des Amtsgerichts Tiergarten.

Die Menütaxi GmbH stellt mit ihrem Postzustelldienst MT-Citymail im Auftrag verschiedener staatlicher Dienststellen täglich Pakete innerhalb Berlins zu.

Gerichtsakten per Menütaxi. Aha. Was es nicht alles gibt in der Hauptstadt.

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Vier Verteidigertypen

• Der Kämpfertyp, der, gestützt durch die Wärme und den Rückhalt der Mutter, die Konflikte mit dem Vater hat austragen können, der eine Streitkultur ohne Sanktionen erlebte, der deswegen Streit aushalten und Autoritäten widersprechen kann.

• Der Harmonietyp, geprägt von kleinbürgerlicher Ängstlichkeit und den Idealen einer harmoniesüchtigen Gesellschaft, der mit dem Ziel der Verständigung auftritt, der der geborene „Dealer im Strafprozess“ ist und bei Absprachen gute Erfolge hat, bei streitigen Hauptverhandlungen allerdings blass aussieht.

• Der Affekttyp, der die Vorwürfe gegen seinen Mandanten auf sich bezieht, von unbewusstem Schuldgefühl und Strafbedürfnis geprägt ist, der eher sich und seine Emotionen als den Mandanten verteidigt, der sich dann auch selbst häufig nicht als echten Verteidiger erlebt.

• Der narzisstische Typ, der den Auftritt braucht, dem es auf die Selbstdarstellung ankommt, der der Beste sein muss, der nicht erträgt, dass der Vorsitzende die Verhandlung leitet, der nur auf sich bezogen ist, der keine Kultur der Wahrnehmung hat, der auf Mandanten durchaus den Eindruck eines „echten“ Verteidigers macht, ohne aber wirklich große Leistungen und Erfolge erzielen zu können, der dann merkt, dass er sich unbeliebt gemacht hat und dies dann durch einen raschen Rückzug in die Harmonie (Deal) auszugleichen sucht.

Quelle: RA Dr. Matthias Zieger im Berliner Anwaltsblatt, 12/2008, S. 468 über einen Vortrag von RA Gerhard Jungfer zum Thema „Psychologie der Strafverteidigung“.

Es ist nicht einfach, sich da irgendwo einzuordnen. Vielleicht hat jeder von jedem ein bisschen, der eine hiervon mehr, der andere davon.

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Querulant

Da ruft doch so ein Staatsanwalt hier zum zweiten Mal an und behauptet von mir, ich sei ein querulatorischer Verteidiger. Nur weil ich verlange, daß er mir glaubt, was ich ihm sage. Und dann auch noch anwaltlich versichere.

Nämlich, daß der Mandant mich ordnungsgemäß bevollmächtigt hat. Und, daß es auf die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nicht ankommt. Und, daß er mir die Akteneinsicht auch ohne schriftliche Vollmacht gewähren muß.

Ich glaube nicht, daß ich mich in diesem Telefonat besonders beliebt gemacht habe, bei diesem Herrn Staatsanwalt. Jedenfalls hat er mir mit ganz empfindlichen Übeln gedroht.

Die Originalakte bekomme ich nicht, hat er gesagt. Sondern er werde jetzt von den beiden Bänden Aktendoppel (vulgo: Kopien) anfertigen lassen. Die bekomme ich dann. So!

Und dann werde er beim Gericht beantragen, meinem Mandanten einen (anderen) Pflichtverteidiger beizuordnen. Das hätte ich jetzt davon!

Aha. Damit werde ich leben müssen.

Die Aktendoppel lassen sich wesentlich besser einscannen als die gelochten und gehefteten Zettel in einer Originalakte. Die Fummel-Arbeit übernimmt diesmal also die Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft. Dort hat man so sowieso nichts zu tun. Ganz tolle Idee.

Und solange ein Wahlverteidiger im Spiel ist, dürfte das Gericht dem Antrag des Staatsanwalts auf Bestellung eines Pflichtverteidigers kaum entsprechen können. Vor allem nicht in einer Strafsache, die knapp an der Grenze zur Ordnugnswidrigkeit steht. Völlig absurde Idee.

Irgendwie scheinem diesem Herrn Staatsanwalt die space cookies vorweihnachtlichen Kekse nicht bekommen zu sein.

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Züchterweisheit

Nach dem Hauptverhandlungstermin spricht mich auf dem Gerichtsflur ein fremder Mann an. Naja, ganz so fremd war er nicht. Ich habe ihn an den anderen fünf Terminen bereits im Zuschauerraum gesehen.

Er sei von der PNDZ (Posemuckeler Neue Dorf-Zeitung), ob ich ihm eine Frage beantworten möchte.

Verteidiger:
Nein! Warum sollte ich das?

Pressefuzzi:
Es geht ja nur darum: Warum wollen Sie denn den Zeugen unbedingt hören? Der ist doch alt und krank. Und die Sache ist doch sowieso sonnenklar.

Verteidiger:
Ich möchte dazu nichts sagen.

Pressefuzzi:
Aber was soll ich denn dann über Sie schreiben?

Verteidiger:
Schreiben Sie, was Sie wollen. Oder was Ihnen gerade einfällt.

Pressefuzzi:
Das wird Ihnen aber nicht gefallen.

Verteidiger:
Pfffft.

Ich mag diese Leute nicht, die ein fröhlicher, leider verstorbener Politiker mal als Ratten und Schmeißfliegen bezeichnet hat. Die Artikel, die dieser Medienvertreter über das Verfahren geschrieben hat, waren bisher schon Müll. Wenn er jetzt auch noch über mich in seinem Käseblatt als böswilligen Verteidiger schreibt, kann mir das nur Recht sein.

Nur so nebenbei: Der Zeuge ist ein Alibizeuge. Von wegen, die Sache ist sonnenklar. Es gilt auch im Strafprozeß die alte Züchterweisheit: Am Ende werden die Schweine fett!

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Economyklasse

Wilhelm Brause sitzt im Flieger, auf den hinteren Bänken. Er ist sauer, weil er keine deutsche Zeitung bekommt und weil er nicht nach vorn in der Business Class auf’s WC darf. Später behauptet die Stewardess, die „Verantwortliche“ für die fremdländische Zeitung und den Privilegierten-Topf, Brause habe ihr ein Bein gestellt. Sie sei gestolpert.

Mehr ist nicht passiert. Trotzdem verhandelte darüber gestern das Amtsgericht Tiergarten. Acht Zeugen wurden gehört. Am 26.1.2006 geht es weiter von vorne los (§ 229 StPO), wenn es stimmt, was der Tagesspiegel schreibt.

Und ich fasse mir an den Kopf, weil die Gerichte mangels freier Kapazitäten auch in Haftsachen ewig brauchen, bis endlich mal verhandelt werden kann.

Achso, im Tagesspiegel heißt Wilhelm Brause irgendwie anders. Ich kenne den Herrn, über den berichtet und verhandelt wird, nicht.

Update:
Barbara Keller liefert auf Berlin Kriminell ein paar bisher unveröffentlichte Details zu diesem Verfahren.

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