Ein Richter schläft nicht

Allerdings sind Zeichen einer großen Ermüdung, Neigung zum Schlaf und das Kämpfen mit der Müdigkeit noch kein sicherer Beweis dafür, dass der Richter die Vorgänge in der Verhandlung nicht mehr wahrnehmen konnte. Auch das Schließen der Augen und das Senken des Kopfes auf die Brust, selbst wenn es sich nicht nur auf wenige Minuten beschränkt, beweist noch nicht, dass der Richter schläft. Diese Haltung kann vielmehr auch zur geistigen Entspannung oder zu besonderer Konzentration eingenommen werden. Deshalb kann erst dann davon ausgegangen werden, dass ein Richter schläft oder in anderer Weise „abwesend“ ist, wenn andere sichere Anzeichen hinzukommen, wie beispielsweise tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen oder ruckartiges Aufrichten mit Anzeichen von fehlender Orientierung. Hochschrecken allein kann wiederum auch nur darauf schließen lassen, dass es sich um einen Sekundenschlaf gehandelt hat, der die geistige Aufnahme des wesentlichen Inhalts der mündlichen Verhandlung nicht beeinträchtigt.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 19. Juli 2007 (5 B 84.06)

Beim 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts sitzen offenbar Schlafmützen Richter, die sich mit den beschriebenen Zuständen bestens auskennen. Jedenfalls benötigte man dort keine Gutachten, sondern konnte offenbar aufgrund eigener Erfahrung urteilen.

Dieser Beitrag wurde unter Gericht veröffentlicht.

4 Antworten auf Ein Richter schläft nicht

  1. 1
    RA Buc k says:

    Das erinnert mich an ein Erlebnis als Kurzpraktikant bei einem Barrister im London:

    Bei einer ganztätigen Anhörung vor dem High Court of Justice kippte dem Vorsitzenden nach der Mittagspause tatsächlich mit lautem Aufschnarchen der Kopf zur Seite. Schlief aber weiter, der Gute. Nach dem im Raum (außer dem Vorsitzenden waren mit Parteien und Praktikanten insgesamt 14 Leute da) völlige Stille eingetreten war trank der gerade vortragende Senior Barrister sein Wasserglas genüsslich leer und KNALLTE es vor sich auf den Tisch. Nach kurzer Verlegenheitspause seitens des Vorsitzenden liefs dann wieder. ;o)

    Seitdem steht in meinem Kalender im Mai auch ein „Sleeping Judge Day“ (und nicht nur der „Towel Day“ in rememberance of D. Adams am 25.5.).

  2. 2
    justizrat says:

    [editiert. crh]

    Das BVerwG ist nach Beweisaufnahme zu dem Schluss gekommen, daß der betreffende (ehrenamtliche) Richter tatsächlich geschlafen hat und die Besetzungsrüge deshalb begründet war.

  3. 3
    carsten says:

    irgendwie kenne ich die „ich bin wach – das sieht nur so aus“ nummer aus meinem gerichtspraktikum… ist wohl überall das selbe…

  4. 4
    doppelfish says:

    Au, Vorsicht. Ein Kollege von mir ist schonmal mit der Annahme „Och, der Chef pennt doch eh‘ gerade“ böse reingefallen.
    War allerdings keine öffentliche Verhandlung, seinerzeit.