Keine Überraschung, aber keine Drohung im #NSU-Prozeß

Medienberichte zufolge will Frau Zschäpe sich doch noch – über ihren (neuen) Verteidiger – zu den Anklagevorwürfen einlassen. Das scheint mir – als Außenstehender und soweit ich das Verfahren verfolgt habe – nun keine große überraschende Entwicklung zu sein.

Bemerkenswert in der heutigen Agenturmeldung (zitiert aus der Zeit Online) ist allerdings das folgende Zitat:

Zschäpe hatte gegenüber dem Richter bereits mehrfach angekündigt, aussagen zu wollen. Ihre Anwälte hatten ihr davon abgeraten und laut Zschäpe mit der Niederlegung ihres Mandates gedroht, sollte sie sich zu den Vorwürfen äußern.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Kollegen Sturm, Heer und Stahl ihre Mandantin mit „Androhung“ der Mandatsbeendigung zur Verteidigung durch Schweigen verdonnert haben.

Chef im Mandat ist der Mandant. Der Verteidiger ist Auftragnehmer. Seine Aufgabe besteht darin, dem Mandanten eine solide Basis zu verschaffen, auf der er anschließend eine eigene, nämlich seine freie Entscheidung treffen kann. Dazu gehören Ratschläge, auch „dringende“; aber niemals Drohungen. Die Ankündigung einer Mandatsbeendigung kommt nur ganz in wenigen Ausnahmefällen in Betracht. Fragen zur „richtigen“ Verteidigungsstrategie – also Schweigen oder Einlassung – gehören in aller Regel nicht dazu.

Vielleicht veröffentlich die Verteidigung dazu noch eine Richtigstellung? Das würde sicherlich zum besseren Verständnis einer professionellen Verteidigung beitragen.

Update vom 10.11.2015

Zschäpes Altverteidiger haben immer wieder betont, sie hätten ihre Mandantin auch bei einem Geständnis unterstützt; schließlich sei es „ihr“ Prozess.

Quelle: Gisela Friedrichsen via SPON

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10 Antworten auf Keine Überraschung, aber keine Drohung im #NSU-Prozeß

  1. 1
    wgrwgr says:

    Angesichts der Tatsache, dass sich beide bereits gegenseitig loswerden wollten, kann ich mir auch nicht vorstellen, dass die Drohung mit Niederlegung des Mandats eine besonders effektive ist.

  2. 2
    RA Jede says:

    Wie soll denn die Verteidigung etwas richtigstellen ohne einen Geheimnisverrat zu begehen? Auch das gehört zum Strafverteidigeralltag: Unbegründete „öffentliche“ Anwürfe oder, schlimmer, „im Freundeskreis“ und man darf sich dagegen nicht wehren.
    Das gehört halt zum Beruf dazu.

  3. 3
    Kassandra says:

    In Anbetracht bisheriger Ereignisse unterliegt Frau Zschäpe nunmehr einem erhöhten Risiko.

    Spontane Selbstentzündung oder nicht diagnostizierte Diabetes mit tragischem Ausgang, solche Dinge kommen halt ab und zu mal vor.

  4. 4
    cepag says:

    Zitat: „Vielleicht veröffentlich die Verteidigung dazu noch eine Richtigstellung? Das würde sicherlich zum besseren Verständnis einer professionellen Verteidigung beitragen.“: Jetzt überraschen Sie mich negativ, Herr/Sturm/Stahl müssen nicht jeden Furz in der Presse in der Presse kommentieren und auch nicht richtigstellen. Stelle mir gerade vor, in einem Hoenig-Verfahren würde die Zeitung mit den 4 Buchstaben diesen Quatsch geschrieben haben und ein anerkannter Kollege stellte den Rat auf, man möge es „richtigstellen“.

  5. 5
    Karsten Koch says:

    Ob die Angeklagte aussagt oder nicht, ist allein und ganz allein ihre Entscheidung, die von den Verteidigern zu akzeptieren ist. Auch wenn selbst der Meinung sind, Schweigen wäre klüger. Aber weiß schon, was im Ergebnis richtig ist?

  6. 6

    Nachdem die Z. bereits von der Bild-Zeitung zum leibhaftigen “Teufel“ (Zitat ) hochstilisiert worden ist, kann man gespannt sein, was die Inkarnation des Satans dem Publikum preisgegeben wird. Vermutlich so etwas wie: Ich war es nicht. Oder: Ich war’s. Ob die Angaben des Teufels nach so langer Haftzeit , meist an der Grenze der Verhandlungsfähigkeit lavierend, noch wirklich nachvollziehbar sein werden , darf bezweifelt werden.

    Die Vorgeschichte des Prozesses, mit den
    Rekord-Aktenvernichtungsaktionen des Verfassungsschutzes, der Entlassung von fünf Amtsleitern, der Befassung sogar des Bundestages mit der Materie, lässt die Schlussfolgerung zu, dass jetzt die Verantwortung für einen weit größeren Tatkomplex wie in Mafiaprozessen auf eine einzige Person abgewälzt werden sollte. Bekanntlich liegen beim BKA noch etwa 800 unerledigte Ermittlungsverfahren herum. Die Dunkelziffer in Mordfällen liegt bei etwa
    80 %. Die Abschussliste des NSU umfasst etwa 10.000 Personen, laut BKA.

    In München laufen ja derzeit noch viele andere interessante Prozesse. Zum Beispiel gegen ehemalige Angehörige des jugoslawischen Geheimdienstes, die über lange Zeiträume in Deutschland völlig ungehindert Landsleute exekutieren konnten. Oder gegen ehemalige Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank…

  7. 7
    Mirco says:

    Die Niederlegung (der aktuelle Versuch) scheint doch sehr darauf zu bauen, dass die Verteidigung inkl. Gespräche mit dem Richter völlig an den Alt-Verteidigern vorbei läuft.

    @RA Jede
    Darf man nicht dementieren, dass man gedroht habe?

  8. 8

    Im Grunde versucht man mittlerweile nur noch, eine passende Vokabel zu finden. Der Teufel schweigt weiter, und Stefan Aust wirft die Frage auf, ob es den NSU überhaupt gegeben hat.

  9. 9
    R. Nüchterter says:

    @Arne Rathjen RA
    Dahingehend kann ich Sie beruhigen: Den NSU gab es mit 100%iger Sicherheit.
    Die Fragen (ich nehme an, Sie wollten das auch ausdrücken) sind doch, wer ihn bezahlte. Und wer ihn befehligte (ersatzweise: instruierte/essentiell beeiflusste).

  10. 10

    9: wieso gab ? Es gibt absolut nichts, was dafür spricht, dass die Tätigkeit des “NSU“ aufgehört haben sollte, wer auch immer dahinter steckt. Immerhin wurde eine einzige Ceska aus dem Verkehr gezogen. Vorsichtig geschätzt: die Dinger sind für etwa 1000-2000 € auf dem Schwarzmarkt zu haben. Ein polnischer Schießkugelschreiber dürfte für etwa 500 € zu kaufen sein. Die aktuelle Lage ist aufgeheizt. Offensichtlich sind weit mehr Beteiligte involviert, als bisher dargestellt wurde. Die Ineffizienz des BKA und der Verfassungsschutzämter, die seit Jahrzehnten besteht, ist bekannt. Dauer und Ausmaß der Operationen legen den Schluss nahe, dass es sich nicht um das Werk eines verirrten Kriminalkommissars gehandelt hat – oder eines Amtsleiters.

    Die eigentliche Frage lautet: welche strategischen Erwägungen stecken hinter diesen Operationen? Wer plant da?