Unehrliches Winkelpolizeibeamtentum

Es wurde ein Straßenmöbel beschädigt. So ein Ding, das Fahrzeuge, die gerade ausparken wollen, aus dem Hinterhalt anspringen und Beulen an Stoßstangen verursachen. Daß die Möbel dabei selbst Schaden nehmen, wird von diesen in Kauf genommen.

Oberhalb dieses Geschehens lehnte – ruhend auf einem geblümten Kissen – Rentnerin Renate aus ihrem Fenster. Sie notierte sich das Kennzeichen des Autos und rief die Polizei. Die stellte einen Schaden am gemeindeeigenen Straßenmöbel in Höhe von 300 Euro fest. Und leitete ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort lautet die Überschrift auf dem Aktendeckel.

Anhand des Kennzeichens konnte die Polizei schnell den Halter des Autos ermitteln. Und dieser Halter bekommt eine Vorladung mit folgendem Inhalt:

Zeugenvernehmung

Der Hinweis auf den mitzubringenden Führerschein ist verräterisch. Offiziell ist der Halter K. „nur“ ein Zeuge. Ich möchte wetten, daß der Ermittlungsbeamte bereits jetzt schon davon überzeugt ist, daß K. auch der Fahrer des angesprungenen Fahrzeugs war. Warum sonst legt er Wert auf die Vorlage des Führerscheins?

Der Rat des Strafverteidigers ist schlicht: K. muß der Landung nicht folgen, deswegen sollte er es auch nicht tun. Der Verteidiger wird sich für K. als Zeugenbeistand bei dem Polizeibeamten schriftlich melden und Akteneinsicht beantragen.

Zeugen und ihre Beistände haben zwar grundsätzlich kein Akteneinsichtsrecht. Es ist aber nicht verboten, formell unzulässige Anträge zu stellen. Und wenn die Staatsanwaltschaft dann die Akteneinsicht – wie meistens in vergleichbaren Konstellationen – trotzdem gewährt, wird deutlich, daß die Zeugenladung eigentlich von Anfang an eine getarnte Beschuldigtenladung war.

Mit solchen Tricksereien sind manche Polizeibeamte recht schnell bei der Hand. Formell sind sie auf der sicheren Seite. Aber inhaltlich ist sowas ein unehrliches Winkelpolizeibeamtentum.

Dieser Beitrag wurde unter Kanzlei Hoenig Info veröffentlicht.

12 Antworten auf Unehrliches Winkelpolizeibeamtentum

  1. 1
    av8r says:

    Ist das eigentlich allgemeine polizeiliche Praxis, dass Beschuldigte als Zeugen vorgeladen werden, um die Belehrung nach §§ 163a IV, 136 I 2 StPO zu umgehen?

  2. 2
    RA Anders says:

    Bei einem nicht anwaltlich beratenen Zeugen heilt dann auch die qualifizierte Belehrung alle möglichen Fehler die bei der Zeugenvernehmung gemacht worden sind. das sind aus meiner Sicht übelste Taschenspielertricks!

  3. 3
    Schlupp says:

    Das kenne ich :D war eingeladen als Zeuge wegen einem Einbruch und war auf einmal beschuldigter.

    Der witz an der sache war ich war über 500 km weiter in Kur aber in einem anderen fall zeuge und dachte es würde darum gehen.

    Aussage verweigert nur Alibi angegeben und gegangen.

  4. 4
    roflcopter says:

    @Schlupp

    „Angabe eines Alibis“ und „Aussage verweigert“ beißen sich

  5. 5

    […] kanzlei hoenig: Unehrliches Winkelpolizeibeamtentum […]

  6. 6
    mischaaa says:

    die beschlagnahme des FS muss doch richterlich angeordnet werden?!

    sind denn 300 euro überhaupt ein bedeutender schaden?

    besteht denn dringender tatverdacht, bloß weil oma das fahrzeug hat wegfahren sehen?

  7. 7
    matthiasausk says:

    @Schlupp:

    Ja was denn nun? Aussage verweigert oder Alibi angegeben?

  8. 8
    Carlos says:

    Wenn der Behörde rein gar nichts bekannt ist außer der Haltereigenschaft, liegt die Behauptung, „daß der Ermittlungsbeamte bereits jetzt schon davon überzeugt ist, daß K. auch der Fahrer des angesprungenen Fahrzeugs war“, völlig neben der Sache – worauf sollte diese Überzeugung denn beruhen??

    Dass der Zeuge seinen Führerschein für den Fall mitbringen soll, dass er einräumt, der Fahrer gewesen zu sein (oder sich bei seiner Vernehmung sonstige Verdachtsmomente ergeben), ist ebenfalls völlig normal.

  9. 9
    Schlupp says:

    Eine Belehrung hat nicht stattgefunden der Polizist meinte nur das Datum und ich sagte da war ich in Kur danach als es „heiß“ wurde und er seinen Spruch gesagt hat habe ich mich verweigert ;)

    Als ich schon in der Tür Stand und gehen wollte habe ich ihm noch verraten wo ich in Kur war.

  10. 10
    Kand.in.Sky says:

    wurde das Fahrzeug des, äehem, Zeugen auch mal in Augenschein genommen? Oder warten die damit bis dieser seinen Status auf Facebook updatet?

  11. 11
    Schnorri says:

    Ach.

    Wenn der Herr Rechtsbeistand Akteneinsicht bei der Polizei einfordert, ist das dann kein „Trick“, wo er doch weiß, dass die Polizei keine Akteneinsicht erlauben kann und darf??

    Und warum sollte in einer Vorladung bereits alle die Tatsachen en Detail beschrieben sein, die bei der Polizei vorhanden sind?

    Tricks auf Seiten der Polizei sind Zeichen für die böse dunkle Seite der Macht. Tricks auf Seiten der Anwälte sind immer total clevere Schachzüge.

  12. 12
    Todd says:

    Es besteht in einem Ermittlungsverfahren ein Ungleichgewicht zugunsten der Ermittlungsbehörde. Die Schachzüge von Rechtsanwälten sind dazu da, dieses zu egalisieren, was in einem Rechtsstaat Usus – und somit „total clever“ – sein sollte.