Strukturierte Kriminalbeamtin

Strafverteidigern wird seitens der Justiz- und Ermittlungsbehören schon einiges zugemutet, wenn es um die Verwirklichung des Akteneinsichtsrechts geht. Verstaubte Papierakten, statt PDF-Dokumente, die dann zusätzlich ganz oder teilweise nicht oder recht unorthodox paginiert (mit Seitenzahlen versehen) sind. Das ist noch das geringste Übel.

Spannend wird es, wenn das Gericht nach Anklageerhebung die Akten der Staatsanwaltschaft neu sortiert und eine neue Paginierung vorgenommen hat. Wenn die Staatsanwaltschaft zuvor die Akten der Kriminalpolizei schon umstrukturiert hat, ist das dann die dritte Ordnung.

Das führt dann in der Beweisaufnahme zu erheblichen Problemen, weil die in Schriftsätzen, Urkunden und Beschlüssen zitierten Fundstellen in den unterschiedlichen Aktenversionen den Einsatz von Pfadfindern erfordert: Der Polizeibeamte verweist auf ein Vernehmungsprotokoll, das sich doch eigentlich auf Blatt 213 in dem Band 3 der Fallakte 6 befinden muß. Dort jedenfalls hat er es abgeheftet. Gefunden wird das Protokoll dann endlich nach erfolgreichem Einsatz von Spürhunden im Sonderband 4 der Beiakte 2 auf Blatt 53. Oder so ähnlich.

Die Verteidigung hat dann irgendwann zwischen dem ganz Un-Organisations-Prozedere die Akten zur Einsicht erhalten und digitalisiert und verfügt bereits über ein eigenes Ordnungssystem, in dem dann nach dem Protokoll gesucht werden kann. Aber dafür gibt es ja entsprechende Technik. Lästig ist es aber allemal.

Für jeden Mist gibt es irgendwelche Vorschriften und Anordnungen in der Justiz. Für den Aufbau und die Struktur von Umfangs-Akten offenbar nicht oder sie werden nicht berücksichtigt.

Nun erhalte ich – mal wieder aus Sachsen – ein Aktenkonvolut, das Vorbildcharakter hat. Die Aktenbände sind sauber und einheitlich bezeichnet und die Bände haben etwas ganz Wichtiges: Ein Inhaltsverzeichnis.

Inhaltsverzeichnis

Innerhalb der Akte befinden sich Deckblätter zu den einzelnen Durchsuchungen, die jeweils weitere Übersichten über den konkreten Fall liefern. So macht das Arbeiten Freude, auch wenn hier und da wenig Erfreuliches in der Sicherstellungs- und Beschlagnahmeprotokollen zu lesen ist.

Besten Dank trotzdem auf diesem Wege an die gut strukturierte Kriminalbeamtin. ;-)

Dieser Beitrag wurde unter Behörden, Polizei, Richter, Staatsanwaltschaft, Strafverteidiger veröffentlicht.

7 Antworten auf Strukturierte Kriminalbeamtin

  1. 1
    Agrarökonom says:

    Das sind halt die seltenen Perlen in einem Haufen Säue … oder wie ging das Sprichwort doch gleich?

  2. 2
    Thorsten says:

    Vorbildlich!

  3. 3
    Marcus says:

    Déjà-vu?

  4. 4
    Ellen says:

    Kein Wunder. Urheber des ganzen ist ja eine Frau. Die sind schon von Haus aus ordentlich und strukturiert.

  5. 5
    K75 S says:

    @Ellen: Nun, da wird wohl kein kluger Mann widersprechen (… er wartet lieber 5 Minuten, bis Frau es selber macht).

    Bei dem Umfang wird die „Shopping-Tour“ unter weiblicher Führung wohl mehrere Tage gedauert haben.

  6. 6
    Anke says:

    Wie wird eigentlich sichergestellt, dass bei Umstrukturierungen nichts verloren geht?
    (Es kann doch hinterher keiner mehr feststellen, ob aus der Kriminalakte Blatt 115 fehlt, wenn erst die Staatsanwaltschaft und dann das Gericht alles nochmal neu paginiert. Und auf Blatt 115 war leider die Aktennotiz, die dem Angeklagten geholfen hätte.)

  7. 7
    Strukturierter says:

    Strukturiert? Papperlapapp!
    z.B. „Lichtbildmappe“ ist mal letzte Position, mal Vorvorletzte, mal vor und mal nach „Aktenvermerk“ ;)

    jaja, #firstworldproblems

    P.S. Der Einäugige ist der König der Blinden!! Und das meine ich anerkennend, nicht despektierlich.