Hoeneß und Wowereit: Stress für die Justiz

113414_web_R_by_raps_pixelio.deIn den Augen vieler Strafverteidiger, die den Schweinsgalopp der Münchener Wirtschaftsstrafkammer in dem Verfahren gegen Uli Hoeneß beobachtet haben, ist recht wenig von dem an die Öffentlichkeit gekommen, was für das Urteil schlußendlich bestimmend war. Der Kollege Rainer Pohlen faßt die professionellen Magenkrämpfe korrekt zusammen und reklamiert die Willkür der bayerischen Justiz – auch wenn Rechtsanwalt Pohlen dafür vergleichweise höflichere Worte findet.

Es gibt gewisse Ähnlichkeiten zu dem Verfahren gegen den ohne Grund gestressten Rüpel-Rapper: Auch dort scheint wohl so einiges im dunklen Hintergrund gelaufen zu sein, bevor ein Richter schlußendlich die Notbremse gezogen hat: Das, was Bushido in seinen Songtexten formuliert, sei – entgegen der Ansicht gewisser gehobener Kreise in der Berliner Partygesellschaft – Kunst und keine Volksverhetzung oder Beleidigung im Sinne des Strafgesetzes.

So habe es die Staatsanwaltschaft auf den untereren Rängen zunächst auch gesehen, berichtet Jost Müller-Neuhof im Tagesspiegel unter Bezugnahme auf den Strafverteidiger Stefan Conen, der Bushido zum Freispruch verteidigte.

Erst nachdem der Regierende Bürgermeister Wowereit, der sich in seiner Ehre und seiner sexuellen Identität gekränkt fühlte, mit Hilfe seines Rechtsanwalt an die staatsanwaltliche Leitung gewandt habe, sollen die Strafverfolger ihre Ansicht geändert und dann doch Anklage erhoben haben.

Der Versuch einer politischen Einflußnahme auf die Jusitz ist eine Sache – und in diesem Fall vielleicht sogar die eigene des gekränkt sich fühlenden Einflußnehmers. Das Herumgeeiere aber, das auf die Frage folgte, ob es in diesem Zusammenhang einen Kontakt zwischen Wowereit und der Führungsebene der Staatsanwaltschaft gegeben habe, ist die andere, eine entlarvende, wie ich finde.

Laut Gerichtssprecher war in dem Beschwerdeverfahren bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt worden, ob es zu Wowereit oder seinem Anwalt Kontakte gegeben hatte. Darauf sei eine klare Antwort gekommen: Nein.

Nein heißt Nein. So verstehe ich jedenfalls diese vier Buchstaben. Bei der Staatsanwaltschaft hat man für besondere Fälle wie diesen Bürgermeister-Rapper-Fall andere Interpretationsmodelle.

Wenn sich Wowereits Rechtsanwalt im Vorfeld der Anzeigeerstattung bei Behördenleiter Behm meldet und sich mit ihm als zuständiger Ermittlungsbehörde

wie es bei Verdachtsfällen allgemein üblich ist

über einen „zur Kenntnis gelangten Sachverhalt“ unterhält, ist das kein Kontakt im Sinne dieses „Nein“. Und warum nicht? Weil nämlich:

Weder habe es dabei einen Austausch über Formulierungen einer Strafanzeige gegeben noch habe die Behörde dem Anwalt bedeutet, „wie sie gedenkt, inhaltlich damit umzugehen.“

Aha! Wenn Herr Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Schertz sich mit dem Leiter der größten deutschen Staatsanwaltschaft, Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Andreas Behm, über Bushidos Pöbel-Song unterhält, ist das kein „Kontakt“! Sondern was?

Es ist irgendwas, das …

… aufgrund seiner inhaltlichen Bedeutungslosigkeit irrtümlich keinen Eingang in die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Landgericht Berlin gefunden hat …

aber kein Kontakt. Sagt die Staatsanwaltschaft. Ein irrtümlichler Nicht-Kontakt.

Man könnte aber auch sagen, daß die Antwort auf die Frage nach dem Kontakt schlicht den verlogenen Versuch darstellt, eine möglicherweise stattgefundene Einflußnahme des Regierenden Partymeisters auf die Justiz-Kavalerie unter den Berliner Filzbodenbelag zu kehren.

In Bayern gibt es die Hoeneß-Amigos, wir in Berlin haben vielleicht einen Wowereit-Filz. Beides ist aber gleichermaßen das „Adieu Rechtsstaat“, dem Rainer Pohlen noch ganz optimistisch ein Fragezeichen hintan stellte; der schiere Stress für eine bisher wenigstens halbwegs funktionierende Justiz.

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Bild: raps / pixelio.de

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5 Antworten auf Hoeneß und Wowereit: Stress für die Justiz

  1. 1
    Staatsanwalt says:

    Eine von der Politik wirklich unabhängige Staatsanwaltschaft ist eine uralte Forderung der Justizverbände. Ich glaube aber nicht dass ich sie noch erleben werde und ich habe noch Jahrzehnte im Dienst vor mir.

  2. 2
    Denny Crane says:

    Mancherorten scheint es ganz übel zu sein. Ein Staatsanwalt rief mich einmal an und sagte, er wolle das Verfahren gegen den Beschuldigten eigentlich einstellen, es sei denn, ich würde jemanden im Ministerium kennen, den ich in diesem Fall anriefe, um mich über ihn zu beschweren.

    Nein, kannte ich nicht, hätte ich aber auch nicht gemacht. Was ist das denn für eine duckmäuserische Rückfrage? Was muß in so einer Behörde abgehen, wenn man das ernsthaft in einem Telefongespräch mit einem Rechtsanwalt äußert?

  3. 3
    schneidermeister says:

    @crh:
    Wer genau war in Bayern ein Hoeneß-Amigo? Und auf welcher Basis maßen Sie sich diese Beurteilung an?

    • Die Bayern sind nicht die einzigen, die ihre Vorurteile gegenüber anderen pflegen dürfen. Hier ist eins gegenüber den Bayern: http://tinyurl.com/oa4b5as crh

    Dass die Öffentlichkeit und die Presse vielleicht ihre Schwierigkeiten damit hat, der Feststellung des steuerpflichtigen Spekulationsgewinns und des Hinterziehungsbetrags in einer Hauptverhandlung zu folgen, ist kaum überraschend, hat die Presse in Ihren Augen (vergleiche einen zurückliegenden blogbeitrag) doch schon Mühe, den Unterschied zwischen einer Revision des Verteidigers und einer Revision des Angeklagten zu begreifen. Bei einem geständigen Angeklagten, der das Material zu seiner Verurteilung selbst liefert (und das das Gericht nun einmal nicht aus der Schweiz herbeizaubern kann) ist es kein Hexenwerk. Ohne Promistatus und Medienzirkus wird so etwas bei jedem kompetenten Wirtschaftsstrafgericht an maximal zwei Tagen abgehandelt, wegen der optischen Schonfrist fürs Selbstlesen der Schöffen.

    • Sehense, genau das meine ich: „Optische Schonfrist“ statt StPO-konforme Verfahrensführung. crh
  4. 4
    Spormann says:

    Toller Beitrag von Carsten Hoenig, ich gratuliere! Ist es nicht schrecklich zu erkennen, welche Mühe Juristen darauf verwenden, durch gekünstelte Argumentation, rhetorische Winkelzüge oder subtile Unwahrheiten Sachverhalte zu verbiegen. Schäbig!

  5. 5

    […] hatte in der vergangenen Woche bereits über den Verdacht berichtet, daß im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen den Rapper Bushido die Politik auf die […]