Aufstehen, Krönchen gerade rücken, weitermachen!

BechsteinreichenbergerEnde November war’s soweit: “Habe fertig” und “Adieuschrieb der Kollege Detlef Burhoff. Und hat damit wohl die gesamte Jura-Blogger-Szene in Aufregung versetzt.

Doch schnell wurde dem Leser klar, einen Intensivblogger wie „den Burhoff“ bekommt man nicht so schnell aus dem Netz.

Drei Tage war der Burhoff krank. Jetzt bloggt er wieder, Gott sei Dank!

Aber irgendwie hat er sich verändert. Kämpferischer scheint er geworden zu sein, der sonst so richtertypisch zurückhaltende OLG-Pensionär. Und erfreulich deutlich in seinen sonst so moderaten Tönen.

Unter einer provokanten Überschrift – Zum Sterben in die JVA – kritisiert Herr Burhoff mit knackigen Worten einen Beschluß des Landgericht Kleve und bestätigt damit ein Phänomen, das Strafverteidiger gemeinhin mit dem Denkspruch „U-Haft schafft Rechtskraft“ umschreiben.

Seine Frage, ob es menschenverachtend sei, jemanden, der kein halbes Jahr mehr zu leben hat, in den Knast zu stecken, beinhaltet gleich auch schon die Antwort; auch wenn Herr Burhoff danach doch noch einmal abwägt – „einerseits / andererseits“ – und Versöhnliches in dem Beschluß zu entdecken vorgibt; am Ende spricht der Blogger dann doch Klartext:

Fluchtgefahr und Wiederholungsgefahr wären auch erneut zu überprüfen, wenn der Beschuldigte durch objektiv überprüfbare Aufklärungshilfe die Verbindungen zu den Rauschgifthändlern unwiderruflich kappen würde. Wenn man das liest, erkennt man die m.E. wahren Gründe für die Fortdauer der U-Haft: Sie ist hier im Grunde nichts anderes als Beugehaft. Man hofft offenbar, so an die „brandgefährlichen“ Hintermänner zu kommen.

Beugehaft ist ein sehr höfliches Wort für das, was den Inhalt dieser Haftfortdauer ausmacht. Man könnte auch mal über den Begriff der Aussage-Erpressung nachdenken.

Unübersehbar, jedenfalls für den, der auf eindeutige historische Zusammenhänge sensibel reagiert, ist dann noch der Hinweis auf das Totschlagargument des Rechtsguts der „Volksgesundheit“, das offenbar gedankenlos zum Standard im Betäubungsmittelstrafrecht gemacht wurde. Bei dieser Formulierung sträuben sich nicht nur Herrn Burhoffs Nackenhaare.

In jedem Ende liegt ein neuer Anfang,

… stellte Miguel de Unamuno zutreffend fest. Bei Detlef Burhoff ist es ein kämpferischer Neuanfang. Wenn er so weiter macht, dauert es nicht mehr lange, dann richtet er seine neue Kanzlei in einer Kreuzberger Fabriketage ein. Ich würde mich über diesen Nachbarn sehr freuen.

Dieser Beitrag wurde unter Betäubungsmittelrecht, Medien, Rechtsanwälte, Richter veröffentlicht.

9 Antworten auf Aufstehen, Krönchen gerade rücken, weitermachen!

  1. 1

    Hallo, danke für den Willkommensgruß :-). Wenn, dann ziehe ich eher in die des Borkumer Südstrandes :-) :-)

    • Ah, Piratenverteidiger! Gute Idee. crh
  2. 2
    T.H., RiAG says:

    Aus dem Beschluss:

    „Der bei der Schmuggelfahrt mitgeführte Zettel (“Vom Krankenhaus Bescheinigung, das Du nicht verhandlungsfähig bist”) spricht für ein bewusstes Ausnutzen der Erkrankung zur ungehinderten Begehung von Straftaten.“

    Bei einem solchen Verhalten würde ich auch erst einmal von einem – von der Kammer ausdrücklich für erforderlich erachteten – Sachverständigen hören wollen, wie es denn tatsächlich um den Gesundheitszustand des Beschuldigten steht, sofern tatsächlich ein Haftgrund vorliegt, was in Anbetracht der hier und beim „OLG-Pensionär“ :-D herausgestellten Ausführungen jedenfalls nicht eindeutig ist. Fluchtgefahr entfällt ja nicht, wenn einer – gerade bei großen Btm-Fällen – ein paar Hintermänner verpfeift, bei bestimmten Gruppierungen dürfte das den Anreiz, schnell abzuhauen, eher noch verstärken.

    Das Absehen von Strafverfolgung aus Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Beschuldigten hat allerdings den Zweck, die Menschenwürde zu schützen und, bei nur noch kurzer Lebenserwartung, ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen. Die ungehinderte Begehung von Straftaten hatten dagegen auch die Verfassungsgerichte bei ihren bislang zu dieser Thematik ergangenen Entscheidung eher nicht im Sinn.

  3. 3

    Und warum holt die Kammer das SV-Gutachten nicht selbst ein? § 308 Abs. 2 StPO lässt grüßen

  4. 4
    T.H., RiAG says:

    Die Kammer hat doch einen Grund genannt:

    Insoweit ist sicherlich das vom Verteidiger beantragte neutrale Sachverständigengutachten einzuholen, was aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung nicht im Beschwerdeverfahren zu erfolgen hat.

    Dass der Grund auch ein guter Grund ist, habe ich nicht gesagt

  5. 5
    WPR_bei_WBS says:

    Man kann über das meiste sicherlich geteilter Meinung sein. Der pauschale Verweis auf die zu erwartende Strafe scheint mir allerdings rein formelhaft, im schlimmsten Fall ergebnisorientiert (im Hinblick auf eine gewünschte U-Haft): Denn dass bei einer Lebenserwartung von 6 Monaten eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren einen fluchtanreizverstärkenden Effekt hat im Vergleich zu einer Strafe von 6 Monaten oder 15 Jahren… nun, das ist doch etwas weit hergeholt. Es sei denn, die Strafvollstreckungskammer möchte eine Filiale im Jenseits eröffnen.

  6. 6

    Wir Juristen haben gelernt, ergebnisorientiert zu argumentieren. Als Ergebnis standen zur Verfügung: Eine menschwürdige Behandlung oder Aufklärungs-„Hilfe“ für die Ermittler. Die Kammer hat sich entschieden.

  7. 7
    T.H., RiAG says:

    Eine dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit steht doch noch gar nicht fest. Und ob sich der Vortrag des Beschuldigten bestätigt scheint, wie der Hinweis auf das ausstehende Gutachten nahelegt, auch noch nicht gewiss.

  8. 8
    K75 S says:

    Die Anwendung der U-Haft als Beugehaft … interessanter (weil kreativer) Gedanke.

    Ähnliches hatte einst womöglich auch U. Rosky gemeint, als er sang:
    „… Endlich greift die Polizei ein. Damit sie Ordnung schafft
    Nimmt Sie die Rocker und die Heilsarmee in Vorbeugehaft …“

  9. 9

    Darüber lässt sich streiten. Stundenlang.