Twitternde Krähe

Viele Richter und Staatsanwälte sind es ja nun nicht, die den Mut haben, sich im Web 2.0 zu äußern. Halbmutig ist ein anonym twitternder Staatsanwalt.

StAblabla

Als einer von vieren, denen er folgt, habe ich seine bissigen Kommentare von der anderen Seite der Theke gern gelesen. Sie haben mir gezeigt, daß natürlich auch Strafverteidiger manchmal einen Tunnelblick haben.

Nun hatte ich in der vergangenen Woche über einen Oberstaatsanwalt berichtet, der sich ganz fürchterlich daneben benommen hat und den seine eigenen Leute trotzdem vor dem sicheren Aus gerettet haben.

Das ist selbstredend ein Terrain, auf dem sich auch der strafverfolgende Twitterer zuhause fühlt. Erwartungsgemäß trudelte dann auch ein Kommentar von ihm auf meinem Twitter-Account ein. Allerdings mit einem Inhalt, mit dem ich eigentlich nicht gerechnet hatte:

Twitternde Krähe

Die provokante Frage des Staatsanwalts

Die Strafverfolger lügen zugunsten des Angeklagten und der ist jetzt beleidigt, weil er lieber 5 Jahre gehabt hätte?

wollte ich zunächst unter die Rubrik „Satire“ packen. Doch das Organ der Rechtspflege meint das ernst.

Dieser enttäuschende Staatsanwalt spricht von Justizbashing, weil (nicht nur) ich das Verhalten der Justiz anprangere, die ihren eigenen Leuten lieber unterstellt, sie seien völlig ungeeignet für den Beruf, den unser Rechtsstaat als unverzichtbar etabliert hat, als sie dahin zu schicken, wo sie hingehören.

Der Strafverfolger entzieht einem Strafverteidiger das Recht zur Kritik an der Justiz, nur weil der Straftäter zu milde bestraft wurde?

Lieber StAblabla, Sie scheinen das Prinzip, das hinter Ihrem Job steht, nicht verstanden zu haben. Ich erhebe für mich den Anspruch – und das ist das entscheidende Moment in meinem Beruf – darauf zu achten, daß es rechtsstaatlich zugeht im Gericht. Ich bin ehrlich entsetzt, daß Sie in Ihrer Position, in der Sie insoweit die selbe Aufgabe haben, die Ansicht vertreten, ein Verteidiger habe still zu schweigen, wenn ein Oberstaatsanwalt das Gericht verarscht, „nur“ weil Angeklagter (zu) gut dabei wegkommt. Welches Verständnis haben Sie von einem Strafprozeß?

Kann es sein, daß Sie durch einen untragbaren Corpsgeist motiviert diese unvertretbare Position vertreten. Wenn das der Fall ist, sollten Sie sich schämen. Krähe!

Sie haben das Recht zur Stellungnahme, hier unten oder auf Twitter. Ich bin gespannt.

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft, Strafverteidiger veröffentlicht.

4 Antworten auf Twitternde Krähe

  1. 1
    ~~~ says:

    „Ich erhebe für mich den Anspruch – und das ist das entscheidende Moment in meinem Beruf – darauf zu achten, daß es rechtsstaatlich zugeht im Gericht.“

    Das meinen Sie jetzt aber nicht ernst?!

    • Ich weiß nicht, welche Nachmittagsgerichtsshow Ihr Bild von einem Strafverteidiger geprägt hat. Wenn Sie sich allerdings einmal ernsthaft mit der Rolle eines Verteidigers im System des Strafprozesses auseinandergesetzt hätten, dann wüßten Sie, daß er nur dann funktionieren kann, wenn sich Richter, Staatsanwalt und Verteidiger gleichermaßen, gern jeder aus einem andern Blickwinkel, dafür einsetzen, daß die Spielregeln eingehalten werden. Ohne einen solchen Ansatz, den alle Beteiligten am Strafverfahren haben müssen, können Sie das „faire Verfahren“ nämlich komplett vergessen.
      .
      Selbst wenn einige Winkeladvokaten im Einzelfall mal mit verbotenen Tricksereien einen kurzfristigen und vermeintlichen Erfolg haben, schaden sie doch am Ende dem Gesamtsystem sehr. Genauso wie diese (Ober)Staatsanwälte, die sich weigern, Gesetz und Recht (Art. 20 III GG) anzuwenden, weil es ihnen gestattet wird, es nicht zu kennen.
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      Nebenbei: Es sind in aller Regel nicht professionelle (Nur-)Strafverteidiger, sondern oftmals Rechtsanwälte, die nebenher auch mal ein bisschen Strafrecht machen, die Ihrem Eindruck von Strafverteidigern entsprechen. Und was ich sonst noch in diesem Zusammenhang zu sagen hätte, können hier nachlesen. crh
  2. 2
    Bert Grönheim says:

    Kommt das wirklich von einem Staatsanwalt? In welcher Stadt mag er seinen Dienst verrichten? Wenn er tatsächlich so frustriert sein sollte, wäre ein Ausscheiden aus dem Dienst die bessere Alternative. WobeI. wenn das von allen, ähnlich gelagerten Amtsträgern konsequent durchgezogen würde, wäre manche StA vielleicht bereits ohne Personal.

  3. 3
    ~~~ says:

    Ich beziehe meine Eindrücke in der Regel nicht aus Nachmittagsgerichtsshow, sondern hier ganz konkret aus Ihrem Blog, das bisher nicht den Eindruck vermittelt, dass die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens im zentralen Fokus Ihres Interesses stünde.

    Ihre Linkempfehlung:

    Verteidigung ist Kampf. Kampf um die Rechte des Beschuldigten im Widerstreit mit den Organen des Staates, die dem Auftrag zur Verfolgung von Straftaten zu genügen haben.

    bestätigt das im übrigen durchaus – der Kampf um die Rechte des Beschuldigten ist nicht dasselbe wie der Kampf um ein rechtsstaatliches Verfahren.

    • Vielleicht nicht ganz „dasselbe“, aber im Wesentlichen kann nur ein „rechtsstaatlich“ geführtes Verfahren die Rechte eines Beschuldigten garantieren. crh

    So kann man die Bemerkung der „Krähe“ nämlich durchaus verstehen: wem sonst recht ist, was dem Mandanten günstig ist (und diesen Eindruck vermittelt ihr Blog nicht selten), der wirkt etwas eigenartig, wenn er sich empört, dass der Mandant – eines anderen – zu günstig weggekommen ist.

    • In jenem Verfahren gegen den OStA, das ich kritisiere, geht es (mir) nur in zweiter Reihe um die Rechte des Verurteilten (dessen Geschichte im übrigen mit dem angeprangerten Verfahren nicht beendet war). Thema ist die Lüge des OStA, die im Reflex einen (nur scheinbaren!) Vorteil für den Verurteilten hatte. crh

    Insofern erscheint mir die Frage, ob es wirklich um die Wahrheitsfindung – zu Gunsten wie zu Ungunsten (!) des Angeklagten – oder nicht eher um die Abrechnung mit der Justiz geht, nicht völlig fernliegend.

    Die Beurteilung des Verhaltens des betreffenden Oberstaatsanwalts – und derjenigen, die das Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt haben – ist davon im übrigen unabhängig.

    • Da sind wir uns wieder einig. crh

    Ganz am Rande sei bemerkt, dass es mich etwas verwundert, dass der Problemkomplex der legendierten Kontrollen Ihnen neu zu sein scheint. Seit der in NStZ 2010, 294 abgedruckten BGH-Entscheidung (das könnte übrigens ganz konkret der von Ihnen thematisierte Fall sein) ist das doch ein ganz heißes Thema (inzwischen muss man sagen: gewesen), vgl. bspw. den Aufsatz in NStZ 2012, 543 oder online den „Cyberfahnder„. Ich nehme an, dass daher auch die initial geäußerte Enttäuschung der „Krähe“ darüber rührt, dass Sie nur an der Oberfläche dieses durchaus praktisch wie rechtlich interessanten Themas kratzen und bei – jetzt hätte ich beinahe gesagt: billiger – Empörung verbleiben.

    • Wenn ich in die Tiefe gehen möchte, dann schreibe ich Aufsätze für die Fachzeitschriften oder begründe ans Gericht gerichtete Beweisanträge. Als Blogger verfolge ich andere Ziele und gestatte mir, auch auch durch „billige Empörung“ zu provozieren.

      Im übrigen – und das ist mein Schlußwort dazu – habe ich mich – soweit ich mich jetzt erinnern kann – in meinen deutlich mehr als 10 Jahren, in denen ich als Strafverteidiger unterwegs war, wie die weitaus überwiegende Zahl der Kollegen auch noch keinen Richter angelogen. Das werde ich auch in den nächsten 100 Jahren nicht tun. Und allein damit legitimiere ich meine Empörung. crh

    Edit:
    Die Links auf die NStZ habe ich hinzugefügt; die Kunden des Beck-Verlags können sie nachschlagen. Den Link zum „Cyberfahnder“ hat der Kommentator selbst noch nachgeliefert. Besten Dank für alle drei Literaturhinweise. crh

  4. 4
    Gerd says:

    Mein Eindruck ist: die meisten Rechtsanwälte fühlen sich der Wahrheit mehr verpflichtet als mancher Staatsanwalt.

    Offenbar wird die unterschiedliche gesetzliche Rolle von Verteidiger und Staatsanwalt von manchem nicht verstanden. Ein Verteidiger darf nicht zugunsten seines Mandanten die Tatsachen manipulieren, ist aber genauso wenig berechtigt, zulasten seines Mandanten für diesen negative Tatsachen ohne dessen Einverständnis aufzudecken. Das Verschweigen von bekannten, aber belastenden Umständen ist Berufspflicht des Verteidigers. Das will einfach nicht in den Kopf mancher Staatsanwälte.

    Hingegen ist es die Pflicht der Staatsanwaltschaft, sowohl belastende als auch entlastende Tatsachen zu ermitteln, § 160 Abs. 2 StPO. Auch das will vielen Ermittlern nicht einleuchten. Während oftmals hanebüchene und offenkundig unwahre Aussage sog. Kronzeugen mit allen mitteln gestützt werden, werden Entlastungszeugen nicht selten schon bei kleinsten Widersprüchen mit einem Strafverfahren wegen Falschaussage überzogen.

    Kleine (wahre) Anekdote:

    Verteidiger: Der Zeuge der Staatsanwaltschaft hat sich selbst strafbar gemacht.
    Staatsanwalt an Angeklagten: Haben Sie den Verteidiger beauftragt, diesen Vorwurf gegen den Zeugen zu erheben?
    Angeklagter: Nein.
    Verteidiger: Das ergibt sich doch aus der Akte.
    Staatsanwalt: Sie können doch nicht einfach Vorwürfe aus der Akte schöpfen!
    Verteidiger: Nichts anderes machen Sie den ganzen Tag, wenn Sie Anklagen verfassen.
    Staatsanwalt: Das ist etwas ganz anderes.