Sizilianische Verhältnisse?

Meinen Blogbeitrag über eine Fahndungslüge hat Sebastian Heiser von der taz motiviert, sich diesem Problem von der (klassisch) journalistischen Seite zu nähern. Das Resultat seiner Recherche ist heute in der Zeitung zu lesen:

Die Polizei schafft es nicht, Zeugen stets gut zu schützen – und greift sogar zu Falschaussagen.

Man darf sich vor dem Hintergrund der Art und Weise, wie mit Zeugen umgegangen wird, nicht wundern, daß es zunehmend schwieriger wird, Zeugen zu finden, die dazu beitragen, ein Ermittlungs- und Strafverfahren voranzubringen.

Die Justiz beschwert sich über die Omertà in Verfahren zum Beispiel gegen Rocker. Die Ermittler tragen durch das von Heiser und mir beschriebene Verhalten aber selbst und wesentlich dazu bei, daß immer weniger Bürger (die keine Rocker sind) bereit sind, dem Staat zu vertrauen.

Die provokante Frage von Heiser:

Polizeipräsident Klaus Kandt […] sieht vertrauenwürdig aus – aber sind das auch seine Ermittler?

scheint berechtigt zu sein.

omertaEin sizilianisches Sprichwort lautet: „Cu è surdu, orbu e taci, campa cent’ anni ’mpaci“ – „Wer taub, blind und stumm ist, lebt hundert Jahre in Frieden.“

Wollen wir das wirklich?

Dieser Beitrag wurde unter Justiz, Medien, Polizei, Zeugen veröffentlicht.

4 Antworten auf Sizilianische Verhältnisse?

  1. 1
    Der Pate says:

    Ich denke, diese Frage richtet sich zuallererst an die Verteidiger unter den Lesern. Schließlich sind sie es, die a) den Angeklagten die Akten kopieren und b) die Zeugen im Zeugenstand nach allen Regeln der Kunst zur Sau machen. Wird dann mal eine Vernehmung unter Ausschluss des Angeklagten beabsichtigt, wird direkt mit der Revision gedroht.

    Gut, dass Sie diese Frage an Ihre Kollegen Organe der Rechtspflege hier im Blog aufwerfen.

  2. 2
    Joerg says:

    Da war doch was. Ach ja, § 48 StPO der was von Pflicht zum Erscheinen bei Gericht sagt und natürlch die Wahrheitspflicht aud § 57 StPO. Dass der Zeuge vor der Polizei nicht erscheinen muss, das stimmt natürlich. Ist aber auch nur die halbe Wahrheit. Denn die StA kann ja seine Anwesenheit auch durch Vorführung erzwingen. Andererseits gehört Klinkenputzen schon zum Job eines Polizisten in Weihmann/Schuch – Kriminalistik wird sogar nachdrücklich dafür geworben, da Zeugen mitunter trotz des Wissens ein Zeuge zu sein, keine Aussage machen wollen. Diese Schieflage, nämlich die fehlende Mitwirkung eines Zeugen und auch die fehlende Bereitschaft von Strafverfolgern und Politik Zeugen zu schützen, die ist problematisch. Die Polizisten im bekannten Fall haben sich unglücklich verhalten.

    a) geben Sie den Namen des Zeugen an, geht der durch Sie an den Beschuldigten
    b) nicht an, z.B. „dienstlich wurde bekannt“ bietet das Raum für Konfliktverteidiger.

    Ich könnte mir vorstellen, dass hier die Methode der Ermittlung in Frage stehen würde: war es Rasterfahndung? Sind die Erkenntnisse vll. sogar rechtswidrig erworben worden?
    Spätestens im justizförmigen Verfahren offenbart der Ermittler dann dem Verteidiger gegenüber den Namen des Zeugen. Und der Besch. sitzt direkt daneben. Irgendwie auch unglücklich, denn er hat einerseits seine Überzeugung von der Schuld des Täters als Sachverständiger dem Gericht darzulegen und gleichzeitig die prozessual richtige Ermittlungsführung zu beweisen.

    Ich finde der Polizist befindet sich hier in einem echten Dilemma. Nun frage ich Sie Herr Hoenig, was würden Sie dem Polizisten raten, wie er der Justizförmigkeit des Strafprozesses und dem Schutze des Zeugen hinreichend Rechnung tragen kann???

  3. 3
    Toll says:

    @ Pate

    Meine Mandanten sind alle Unschuldig und ich mache diesen Job nur um Menschen zu helfen.

  4. 4
    p90 says:

    @Toll
    Statistisch äußert Unwahrscheinlich wenn sie einige Mandanten haben.
    Was sie vermutlich meinten ist „Meine Mandanten sind bis zu einer Verurteilung als Unschuldig anzusehen und haben das Recht ihre mögliche Schuld mit allen rechtsstaatlichen Möglichkeiten zu verschleiern.“

    Hoffe ich habe es getroffen ansonsten bitte ich um weitere Erklärungen.