Quicky mit der Richterin am Amtsgericht

DealpraxisZum Thema Deal hat sich das hohe Bundesverfassungsgericht in dieser Woche bereits positioniert (BVerfG, Urt. v. 19.03.2013 – 2 BvR 2628/10 – – 2 BvR 2883/10 – – 2 BvR 2155/11).

Wie es in den Niederungen beim Strafgericht zugeht, darüber berichtete mir kürzlich ein Kollege.

Es war eine fahrlässige Körperverletzung im Straßenverkehr. Der Standardfall in Schlagworten: LKW – Rechtsabbieger – Radfahrer. Das Ganze führte zur Anklage und zu einem Termin vor dem Amtsgericht.

Die Richterin kam 5 Minuten zu spät. Diese Zeit nutzten der Verteidiger und der Staatsanwalt für ein so genanntes „Rechtsgespräch“. Die beiden waren sich schnell einig – das Verfahren sollte gegen Zahlung einer Auflage eingestellt werden – als die Richterin den Saal betrat:

Richterin:
Ach? Die Herren haben den Fall schon vorerörtert?

Staatsanwalt:
Ja, das Verfahren kann nach § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung von 300 Euro eingestellt werden.

Verteidiger:
Nickt.

Richterin:
Dann ergeht vor Aufruf der Sache folgender Beschluß: Das Verfahren wird mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt …
Herr Verteidiger, Sie erklären das dann Ihrem Mandanten? Schönes Wochenende!

Liebes Bundesverfassungsgericht, so sieht das aus – außerhalb des Elfenbeinturms.

Dieser Beitrag wurde unter Justiz, Richter, Staatsanwaltschaft, Strafverteidiger veröffentlicht.

15 Antworten auf Quicky mit der Richterin am Amtsgericht

  1. 1

    Aus der Sicht des Angeklagten eine sensationell gute Verteidigung. Keine Bestrafung, keine Punkte, kein Stress. Der einseitig dem Auftraggeber verpflichteten Kunden gegenüber eine -ohne jede Einschränkung- Glanzleistung. Genau dieser Verteidiger wird zu Recht weiterempfohlen.

  2. 2
    sic says:

    Da würde ich als Laie gerne einmal nachfragen.

    Wenn dieser richterliche Beschluß vor Aufruf der Sache erlassen wird, hat der eigentliche Verhandlungstermin ja nicht stattgefunden (die Terminsgebühr wird der RA dafür aber trotzdem bekommen, die Ladung und Anreise reicht schon, oder?).

    Was für einen Unterschied macht es denn (für den Beklagten), ob eine solche Einstellung vor oder im Termin beschlossen wird? Ist das rein eine Zeit- und Arbeitsersparnis, oder hat das prozessuale Gründe?

  3. 3
    Seyato says:

    @ Ra Siebers

    Eine wirklich gute Verteidigung und natürlich muss dieser verteidiger weiterempfohlen werden.

    Sensationell gut wäre allerdings gewesen, wenn der Ra diesen Deal zuvor bereits am Telefon („Hey Karl, können wir die Sache nicht für dreihundert erledigen?“ – „Jo, Werner is geritzt ich schick das Ding mit der Post.“)ausgehandelt und sich und dem Mandanten die Fahrt zu Gericht erspart hätte. :-)

  4. 4
    Sebastian T says:

    Als aktiver Radfahrer frage ich mich allerdings warum! Warum hat der Verteidiger das abgegenickt? Was wäre denn passiert wenn nicht? Wie wäre die Verhandlung dann ausgegangen?

  5. 5
    Sebastian T says:

    Ich bemerke gerade meinen Denkfehler – klar das der Verteidiger der LKW fahrers das gleich abnickt

  6. 6
    asta says:

    Großartig. Insbesondere das mit Karlsruhe.

  7. 7
    IANAL says:

    @Sebastian T: Hier ging es ja nur um den strafrechtlichen Aspekt. Ich nehme an, dass davon unabhängig der Radfahrer und der LKW-Fahrer sich in iregndeiner Weise zivilrechtlich auseinandergesetzt haben. Da wird für den Radfahrer schon was rausspringen, vermutlich von der Versicherung des LKW-Fahrers.

  8. 8
  9. 9
    David says:

    aber 257c gilt doch gar nicht für einstellungen nach 153a StPO, der doch ganz andere Voraussetzungen hat. Gerade die haarige Sache mit dem Amtsermittlungsgrundsatz gilt hier doch nicht.

  10. 10
    David says:

    aber 257c gilt doch gar nicht für einstellungen nach 153a StPO, der doch ganz andere Voraussetzungen hat. Gerade die haarige Sache mit dem Amtsermittlungsgrundsatz gilt hier doch nicht.

  11. 11
    jj preston says:

    @IANAL
    Immerhin war der Radfahrer offensichtlich noch in der Lage, auf zivilrechtlichem Wege noch seine Rechte wahrzunehmen. Bei der gebotenen Informationslage („LKW – Rechtsabbieger – Radfahrer“) ist das so selbstverständlich ja nicht, und den Gesundheitszustand des Zweiradlers kann man wohl an den 300 Euro ablesen. Hoffentlich, jedenfalls.

  12. 12
    Wolf-Dieter says:

    Wenns auf Strafbefehl in erschwinglicher Preislage hinausläuft: Spitze.

    Anders siehts aus, wenn der Deal auf ein falsches Geständnis hinausläuft, das ohne weitere Ermittlung zum Urteil führt. Nein danke!

  13. 13
    nadar says:

    @ jj preston
    Wenn man die Strafe mit diesem Urteil vergleicht, kann er höchstens halb tot gewesen sein: http://tinyurl.com/c9tmx9m

  14. 14

    […] – Zusammenhang mit der Verständigungsentscheidung – einen “Bericht von der Front” oder einen Quickie mit der Richterin, […]

  15. 15
    Wolf-Dieter says:

    Um mich zu wiederholen — zum miesen Nachgeschmack von Deals, siehe Geständnis des dritten Verdächtigen Rudy Guede im Mordfall Kercher:

    http://goo.gl/7yhKf

    Sein Anwalt rät zum Geständnis, Strafe wird von 30 auf 16 Jahre reduziert; später sagt er, er habe nur aus Angst gestanden.

    Manchmal wird mir schwummrig.