NSU-Nebenkläger: Sachwalter der Allgemeinheit?

Aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. April 2013 zum Beschluss vom 24. April 2013 – 2 BvR 872/13.

Verfassungsbeschwerde von Nebenklägern mit dem Ziel der Videoübertragung in einen weiteren Saal erfolglos

Die Beschwerdeführer sind Nebenkläger im sogenannten NSU-Verfahren vor dem Oberlandesgericht München (6 St 3/12). Mit der Verfassungsbeschwerde wenden sie sich gegen zwei Verfügungen des Vorsitzenden des zuständigen Strafsenats, wonach die Hauptverhandlung in einem Sitzungssaal stattfinden soll, der über lediglich 100 Sitzplätze für Zuhörer verfügt. Dies reiche angesichts des erheblichen öffentlichen Interesses nicht aus. Zugleich beantragen sie, dem Vorsitzenden im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Hauptverhandlung mittels Videotechnologie in mindestens einen weiteren Sitzungssaal übertragen zu lassen.

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da sie mangels einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründung unzulässig ist.

Ein Beschwerdeführer muss eine Grundrechtsverletzung durch Bezeichnung des angeblich verletzten Rechts und des die Verletzung enthaltenden Vorgangs substantiiert und schlüssig vortragen. Dabei hat er darzulegen, inwieweit er sich durch die angegriffene Maßnahme in dem bezeichneten Grundrecht selbst, unmittelbar und gegenwärtig verletzt sieht. Diesen Anforderungen genügt die Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht. Eine Verletzung in eigenen Grundrechten wird von den Beschwerdeführern nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich. Sie machen insbesondere nicht geltend, als Nebenkläger selbst an einer Teilnahme an der Hauptverhandlung gehindert zu sein, sondern argumentieren ausschließlich mit dem öffentlichen Informationsinteresse und machen sich damit zu Sachwaltern der Allgemeinheit.

Mir scheint, da hat ein Nebenklägervertreter es einfach mit links versucht, mal eben eine Verfassungsbeschwerde zu schreiben.

Der eine oder andere Jurastudent, der sich noch mit dem Grundstudium herumschlägt, wird mir zustimmen, daß der Inhalt der Entscheidung zwischen den Zeilen einen Hinweis auf eine Beratung der Kammer über die Mißbrauchsgebühr, die dem Autor der Verfassungsbeschwerde auferlegt werden sollte, enthalten könnte.

(Hervorhebung durch den Blogger)

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9 Antworten auf NSU-Nebenkläger: Sachwalter der Allgemeinheit?

  1. 1

    Es ist sehr schade, dass zu befürchten steht, dass ausgerechnet in einem Verfahren, in dem die Rolle der Nebenklage deutlich definiert werden könnte, weniger aus den Reihen der Burgschauspieler sondern mehr aus dem Fundus eines dörflichen Amateurtheaters rekrutiert wurde.

  2. 2

    @Werner Siebers
    Es sind ein paar Kollegen dabei, von denen anzunehmen ist, daß sie ihr Handwerk verstehen. Jedenfalls als Verteidiger haben sie sich bereits profiliert, ich gehe davon aus, daß sie sich auch auf anderen Seite der Theke nicht daneben benehmen. Die anderen Kasperköpfe sorgen dann eben für die gute Unterhaltung.

  3. 3
    Ingo says:

    Der Hinweis zwischen den Zeilen ist nicht zwingend zu entnehmen. Das hätte man m.E. noch etwas deutlicher zwischen die Zeilen einbauen können.

    Jedoch wäre die Missbrauchsgebühr in diesem Fall m.E. durchaus gerechtfertigt gewesen.

    Es ist mir auch vollkommen unverständlich, wie man als Nebenkläger, der man in der Sitzung ein Anwesenheitsrecht hat, eine derartige Verfassungsbeschwerde erheben kann.

    Es hätten sich doch sicherlich Zuschauer gefunden, die sich vor den Karren hätten spannen lassen.

    Aber diese sonnenklar unzulässige Verfassungsbeschwerde zu erheben ist für mich doch eher ein Armutszeugnis.

  4. 4
    Ingo says:

    Und – nebenbei noch angemerkt – wurde mit dieser unzulässigen VB auch noch die exzellente Chance versäumt, eine höchst-höchst-richterliche Klärung der Videoübertragungsproblematik herbeizuführen.

  5. 5
    Joachim Breu says:

    @crh – „bdk“ sind keine Dilettanten, das stimmt. Aber sie haben aus Anlass des Falles wohl ihre ehernen Prinzipien geopfert. Habe erst kürzlich von „k“ lesen dürfen, er vertrete aus Prinzip keine ‚Opfer‘. Auf welchem Altar das Prinzip geblieben ist, kann ich mir denken. Und das tue ich auch.

  6. 6
    Joachim Breu says:

    Und falls jemand die Selbsteinschätzung der Kollegen würdigen möchte, hier ist sie: http://www.die-strafverteidiger.de/nsu-prozess-bundesverfassungsgericht-entscheidet-nicht-uber-zulassigkeit-einer-videoubertragung/

    • Ich bin mir noch nicht sicher, daß die Kollegen aus HH diese VB geschrieben haben; aus dem „erneut stellen werden“ läßt sich das nicht zwingend erschließen. Aber vielleicht erkennen wir als Outsider auch die wahren Hintergründe dieser Prozeßtaktik (noch) nicht. Ein abgelehnter Antrag ist nicht in jedem Fall „erfolglos“, es gibt reichlich Nebeneffekte, die ausgelöst worden sein könnten. Gleichwohl: Das „verletzte subjektive Recht“ aus dem Blick zu verlieren, ist schon starker Tobak für engagierte Fachanwälte für Strafrecht. crh
  7. 7

    […] NSU-Verfahren mit der zweiten Entscheidung aus Karlsruhe, vgl. aber auch noch hier zur Durchsuchung der Verteidiger, auch […]

  8. 8
    AH says:

    @crh: Dass bdk die VB eingereicht haben, ist hier nachzulesen: http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20130424_2bvr087213.html

    Den Kommentar auf der bdk-Seite verstehe ich dahingehend, dass nun auch (insofern „erneut“) beim erkennenden Gericht die Videoübertragung beantragt werden soll.

  9. 9
    NebenklägerNSU says:

    Sehr geehrte Kollegen,

    Ich bin auch selbst Nebenklagevertreter in diesem Verfahren. Die Verfassungsbeschwerde des Kollegen hatte aus meiner Sicht nur eine Absicht…
    Medienaufmerksamkeit!
    Ich habe sie in der Akte liegen und jeder Referendar hätte sie besser vor allen Dingen aber durchdachter geschrieben ….Es gibt nix was relevant wäre und Sie alle nicht wissen…keine Taktik also sondern nur Pressesucht…