Erstmal Strafanzeige, dann sehen wir weiter …

Es ging angeblich um eine geplatzte Lastschrift. In einer Apotheke hatte jemand irgendwelche Verhütungsmittel gekauft und mit einer EC-Karte bezahlt. Die Apotheke hat eine so genannte Zahlungsausfallversicherung abgeschlossen, die dem Versicherten …

… trotz missbräuchlich benutzter oder nicht gedeckter EC-Karten sein Geld …

… zahlt. So jedenfalls lautet die Einleitung einer Strafanzeige.

Der Versuch der Apotheke, den Kaufpreis vom angegebenen Konto einzuziehen, scheiterte wegen mangelnder Kontendeckung. Die Apotheke nahm den Versicherer in Anspruch, der dem Apother „sein Geld“ zahlte.

Dann folgte ein netter Brief des Versicherers an die nächstgelegene Polizeidienststelle, der den Grund seiner Anzeige mit diesen Worten substantiierte:

Wir stellen vorsorglich Strafantrag wegen aller in Betracht kommenden Tatbestände. Bedauerlicherweise sind wir nicht im Besitz von Unterlagen, die zur Aufklärung des Vorfalles beitragen könnten. Wir haben auch keine unmittelbare Kenntnis über den Hergang.

Die Informationen kann sich die Staatsanwaltschaft ja gefälligst selbst besorgen; erstmal raus mit der Strafanzeige, dann haben die Versicherungsfritzen das Zeug vom Tisch. Und wenn die Ermittler dann was herausgefunden haben, werden sie sicherlich dem Versicherer „sein Geld“ hinterher tragen.

Ich bin auf die Nasen gespannt, die irgendwann von dem Versicherer als Zeugen in die Beweisaufnahme geschickt werden.

Dieser Beitrag wurde unter Strafrecht, Zeugen veröffentlicht.

13 Antworten auf Erstmal Strafanzeige, dann sehen wir weiter …

  1. 1
    Willi says:

    Hallo,
    was genau soll der Versicherer denn sonst machen? Einfach zahlen und gut ist? Das dürfte auf die Dauer zu recht teuren Versicherungsprämien führen, oder dazu dass das Risiko nicht mehr versicherbar ist.
    Eine andere (legale) Chance, an Informationen über den Kartenbenutzer (der ja nicht unbedingt mit dem Karteneigentümer identisch sein muss) dürfte der Versicherer ja nicht unbedingt haben.

  2. 2
    Trino says:

    Das sehe ich wie Willi, der Versicherer macht genau das Richtige ! Ich finde es hat für alle Seiten nur Vorteile, wenn sich Private nicht in Eigeninitiative in Ermittlungen einmischen …

    Die Experten ihren Job machen lassen und ihnen – wenn gewünscht – helfen … optimal !

  3. 3

    Ich kopiere mal an diese Stelle einen Kommentar, den ein Staatsanwalt über Twitter zu diesem Beitrag geschrieben hat:

    StAblabla

  4. 4
    max says:

    Kann mir hier mal bitte jemand erklären, woran § 263 StGB scheitert? Ganz verliegend ist er nicht, denn man kann auch konkludent über die Kontodeckung täuschen und die Vermögenslage ist im Rahmen des Vermögensschaden unmittelbar vor und unmittelbar nach der Verfügung zu saldieren. Das die Versicherung „einspringt“ dürfte also irrelevant sein.
    Und das eine Lastschrift aus anderen Gründen als eine mangelnde Kontodeckung „platzt“ kommt doch eher selten vor.

  5. 5
    Wolf-Dieter says:

    Faktisch will der Versicherer den Staatsanwalt zum Inkasso in die Pflicht nehmen. Versuchen kann man es ja … aber Steuergelder für so was verschleudern?

  6. 6
    JJ Preston says:

    Erstens: Nachweis der BetrugsABSICHT vis-a-vis einfache Fahrlässigkeit im geschäftlichen Verkehr (man kann morgens auf den Kontoauszug blicken und ein Plus entdecken, und nachmittags hat der Vermieter durch – möglicherweise zu frühes – Abbuchen der Miete den Dispo ausgereizt, um nur mal ein Szenario zu nennen)..

    Zwotens: Geschäftsrisiko bei Zulassung von Zahlung mit EC-Karte. Die Apotheke ist nicht gezwungen, diese Zahlungsmethode anzubieten, und der Versicherer ist nicht gezwungen, dieses Risiko einer fahrlässigen Nichtdeckung zu versichern, womit ebenso ein allgemeines Geschäftsrisiko auf Seiten des Versicherers besteht (anders als bei Hochwasserschäden entlang der Ufer von Elbe und Donau – da werden schließlich keine Versicherungen angeboten…).

  7. 7
    Klaus says:

    @Willi, Trino:
    Die Versicherung könnte z.B. mit einer Inkassofirma zusammenarbeiten, die sich um genau solche Sachen kümmert. Natürlich kostet das auch Geld. Aber ein Geschäftsmodell darauf aufzubauen, dass der Staat einen Teil der Arbeit übernimmt…
    Der Staat sollte hier erst einspringen, wenn es zumindest einen Anfangsverdacht für einen Betrug gibt. Bis dahin muss die Inkassofirma/Versicherung ihre Arbeit selber tun.

  8. 8
    ???? says:

    Trotzdem, ein bewusster Staatsbürger.

    Früher wäre das nicht passiert.
    Da gab es Automaten, und man hat eine Münze eingeworfen.
    Der Automat hat einem keine verlegenen Blicke zugeworfen.

  9. 9
    Senfgnu says:

    Man könnte auch einfach die Lastschrift zum nächsten Monatsersten zzgl. Gebühren nochmal einreichen, wie es allgemein üblich ist.

    Ein Betrug liegt bei sowas seltenst vor.

  10. 10
    AusderApotheke says:

    Ich bin Apotheker: Das Problem des Inkassounternehmens könnte sein, dass zwar ein normales Einzelhandelunternehmen jederzeit den Geschäftsvorgang schriftlich dem Inkassounternehmen zusenden kann. Ein approbierter Apotheker darf dem Inkassounternehmen aber auf keinen Fall das Rezept des Arztes oder den Geschäftsvorgang zusenden.

    Der Apotheker unterliegt der gesetzlichen Schweigepflicht, genau wie ein Arzt oder eben ein Anwalt (§ 203 StGB). Wenn ich als Apotheker einem Inkassounternehmen das Rezept zusenden würde, um den Vorgang nachzuweisen, verletze ich mal ganz schnell § 203 StGB.

    Dem Inkassounternehmen bleibt also nichts anderes übrig als ohne Nachweis der Apotheke Anzeige zu stellen.

    Letztlich geht die Herausgabe dieser Daten eigentlich nur, wenn der Kunde in einer Apotheke einkauft, bei der er eh gemäß den AGBs der Weitergabe seiner Medikationsdaten zugestimmt hat (bei einem sehr bekannten Bonussystem; diverse Versandapotheken, die über ein Bonusprogramm 2,50 Euro erstatten, wenn man der Weitergabe seiner Daten zustimmt). Dann hat der Patient erklärt, dass ihm §203 nicht so wichtig ist.

    Sie sind aber der Anwalt für Strafrecht. Täusche ich mich da mit meiner Einschätzung? Dann bin ich mit der Herausgabe von Medikationsdaten von Patienten in Zukunft etwas unvorsichtiger.

    • Ich übersetze diese Frage mal in Ihre Sprache: Ich habe seit 2 Monaten da unten links sehr starke Schmerzen. Können Sie mir mal eben ein paar Tabletten rüberschicken?

      Was ich sagen möchte: Das in einen Apotheker (oder eine andere in § 203 StGB genannte Person) gesetzte Vertrauen ist ebenso wichtig wie die Gesundheit; mit beidem müssen Sie (und ich an anderer Stelle) sehr, sehr sorgfältig umgehen. Die Entscheidung, ob Sie „Geheimnisse“ Ihrer Patienten straflos „offenbaren“ dürfen oder nicht, kann nur im konkreten Fall beantwortet werden.

      Vergleichen Sie die Konsequenzen der Offenbarung des Verkauf von (verschreibungspflichtigen) Schmerzmitteln (zB. Iboprofen für den lädierten Moppedfahrer) mit dem von Protease-Inhibitoren für HIV-Patienten. Bei Forderungsausfällen gibt es grundsätzlich Rechtfertigungsgründe, die Ihnen weiterhelfen könnten, aber eben auch nur in engen Grenzen. Der „Verrat“ muß verhältnismäßig sein.

      Bleiben Sie mindestens so vorsichtig wie bisher. Mehrmals täglich, mit reichlich Flüssigkeit. crh

  11. 11
    karl says:

    @Senfgnu: Einfach einen höheren Betrag einziehen? Das wär bei mir aber ganz schnell wieder zurückgebucht, so schnell kann der Abbucher gar nicht schauen. Immerhin hat er nur die Abbuchungserlaubnis für einen bestimmten Betrag (und irgendwelche AGB-Sätze zählen nicht). Könnte ja auch sein, dass durch eine unangekündigte, höhere Abbuchung eine andere Abbuchung fehlschlägt, weil der Kontostand relativ genau ausgerechnet wurde.

  12. 12
    AusderApotheke says:

    @Herr Hoenoig: Vielen Dank für die ausführliche Information. Mir selbst war das neu, dass es Gründe gibt, die §203 aufheben. Daher bin ich mit der Weitergabe von Medikationsdaten extrem vorsichtig und habe in meiner Apotheke auch kein Paybacksystem (mir ist das einfach unheimlich).

    Letztlich handelt es sich bei der Pille um einen vergleichsweise geringen Geldbetrag. Solche Zahlungsausfälle hat man ab und wann mal, normalerweise telefoniere ich den Kunden dann durch (Name steht ja auf dem Rezept) und nerve so lange, bis das Geld kommt.

    Ich nehme aber an, dass ich korrekt gehandelt habe, als ich den beiden Polizisten in meiner Apotheke die Auskunft verweigert habe, als die sich nach einem Kunden erkundigen wollten, der laut seiner (mir ja bekannten) Medikatonsdaten Junkie sein dürfte.

    Muss ja nicht mal §203 sein. Es reicht ja schon aus, wenn einem die Kammer die Approbation wegen Unwürdigkeit entzieht.

  13. 13

    […] wissen, was man da zu kaufen gedachte – so berichtete es letzte Woche RA Hoenig in seinem bekannten Blog – vom verärgerten Apotheker und seinen Mitarbeitern über die Mitarbeiter des […]