Qualitätsjournalismus, oder?

Der Tagesspiegel erteilt Rechtsrat:

„Wer ein gestohlenes Fahrrad kauft, macht sich der Hehlerei strafbar“, heißt es bei der Polizei, auch wenn man nicht gewusst habe, dass das Rad geklaut war. Die Polizei ermittele in jedem Fall – von Amts wegen. „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.“

Das ist natürlich dummes Zeug, das die Journalistin dort schreibt (das „warum“ wird einer der jurastudentischen Kommentatoren sicherlich noch breiter ausführen). Aber auch dafür gibt es mehrere Erklärungen: Sie (die Journalistin) hat es (das dumme Zeug) sich selbst ausgedacht. Oder aber – und das kann ich auch nicht ausschließen – die Polizei hat dummes Zeug erzählt. Aber es hindert niemand einen Reporter daran, sauber recherchieren, auch wenn die Polizei etwas erzählt. Das sind Wachtmeister und keine Rechtsgelehrten.

Also: Doch, Unwissenheit schützt hier vor Strafe! Wenn der Käufer nämlich nicht weiß und auch nicht wissen konnte, daß das Rad geklaut wurde, macht er sich eben nicht strafbar. Auch dann nicht, wenn die Polizei ermittelt. Ermittlungen sind keine Urteile.

Nicht wissen konnte …“ – das ist in der Praxis einer Strafverteidigung bei einem Hehlereivorwurf das stets diskutierte Problem.

Wer ein gut gepflegtes und 10 kg leichtes Mountainbike mit Carbon-Rahmen auf der Kottbuser Brücke für 50 Euro kauft, dem wird unterstellt, daß es es hätte wissen müssen. Solche Räder kosten neu hoch vierstellig, die bekommt man auch in 100 Jahren gebraucht nicht legal für 50 Euro.

Aber eine rostige Gurke mit Torpedo-Dreigang, Rücktritt und 2 gebrochenen Speichen über eBay für 50 Euro zu ersteigern? Warum muß der Ersteigerer damit rechnen, daß das Ding dem Verkäufer nicht gehört? Klar kann das Diebesgut sein. Genauso wie jedes der Millionen anderer Teile, die über eBay gebraucht verkauft werden. Muß aber nicht.

Es kommt also immer auf den Einzelfall und die konkreten Umstände an, ob der polizeiliche Blick in die Kristallkugel zum zutreffenden Hehlereivorwurf führt oder nicht. Die pauschale Behauptung, daß jeder, der ein geklautes Fahrrad kauft, sich strafbar macht, ist genauso falsch, wie die Annahme, daß alles, was in der Zeitung steht, auch zutreffend ist.

Für die Recherche, liebe Frau Jahberg:
Die Hehlerei ist in § 259 StGB geregelt, die Nicht-Strafbarkeit trotz Diebesgut in §§ 15, 16 I StGB.

Dieser Beitrag wurde unter Medien, Strafrecht veröffentlicht.

19 Antworten auf Qualitätsjournalismus, oder?

  1. 1
    ??? says:

    Ds gilt doch für alles, dessen Herkunft einem unglaubwürdig erscheint und nicht nur für Fahrräder.
    Z.B. auch Laptop, Handy o.ä.

    Wie hoch schätzen Sie den Wert eines Mädchensportrades Modell „Diamant“ , Baujahr 1976? Als spätes Mädchen bin ich damit immer noch unterwegs. Die Reifen sind neu.

  2. 2
    Deutsche Gabbana says:

    Solche elementaren Dinge sollten eigentlich schon in der Schule in einem Fach Rechtskunde gelehrt werden.

  3. 3
    Michael says:

    Das Zitat ist doch mal wieder ein sehr schönes Beispiel für eine unklare Aussage „der“ Polizei, die dann durch „die“ Presse auch noch missverständlich publiziert wird. Richtig müsste es doch heißen: „Wer ein geklautes Fahrrad kauft, macht sich (erstmal grundsätzlich) der Hehlerei *verdächtig*. Ist nun mal so. „Die Polizei ermittele in jedem Fall von Amts wegen.“ Mumpitz! Strafanzeige schreiben, ab an die Staatsanwaltschaft, eingestellt! Fertig! Das waren dann die Ermittlungen. „Die“ Polizei darf gar nicht entscheiden, was verfolgt wird oder nicht. Mal § 163 StPO durchlesen, hilft bei der Rechtsfindung. Ansonsten lauert immer noch „Strafvereitelung im Amt“ im Hintergrund.

  4. 4
    Tibor Schober says:

    In Berlin gibt es auch wohl einen Straftatbestand „Sachbeschädigung mit politischem Hintergrund“ …

    http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/buckow-rechtsradikale-plakate-geklebt/7006146.html

  5. 5
    mog0 says:

    Torpedo-Dreigang ist ein Klassiker und funktioniert immer noch einwandfrei!einself

    Muss der ShimanoKram erst noch beweisen ;-)

  6. 6
    ??? says:

    An dieser Stelle fällt mir noch ein, dass mein Fahrrad von 1976 im Rahmen eine Nummer hat.
    Ich lernte diese Nummer auswendig und habe sie bis heute im Kopf. Auch das Heftchen, auf welchem diese Nummer aufgestempelt war und der Kassenbon – ich bin seitdem unzählige male umgezogen und habe erwachsene Kinder, aber dieses Heftchen habe ich auch ca. 20 Jahre behalten, weil in der Hausratversicherung damals Fahrräder mit versichert waren.

  7. 7
    Wolfram says:

    Was aber nicht bedeutet, daß man an dem gestohlenen Gut Eigentum erwerben könnte! Der gutgläubige Kunde ist in dem Fall zwar kein Täter, aber Geschädigter.
    (In manchen europäischen Ländern ist das anders.)

  8. 8
    Malte S. says:

    Vor einer halben Ewigkeit hatte die / eine Pressesprecherin der Berliner Polizei in einem Interview beim Bildungsfernsehen exakt diese Aussage zu einem anderen Gegenstand getätigt.

  9. 9

    […] hönig: Wer ein geklautes Fahrrad kauft, macht sich nicht der Hehlerei schuldig, wen er/sie nicht wusste und auch nicht wissen konnte, dass das Fahrrad geklaut ist. Auch wenn […]

  10. 10
    Egbert Sass says:

    Habe ein gebrauchtes 8,8 kg Qualitäts-Mountainbike mit Carbonrahmen (und ohne Beleuchtungsanlage, da Sportgerät) für 200 Euronen per Kaufvertrag erworben. Muss ich jetzt bibbern, dass mir ein SEK oder gar die berühmte GSG 9 einen Hausbesuch abstattet? *duckundwech* Hey Jungs, hier gibts Kaffee und andere belebende Getränke für euch, also bitte den Finger schön parallel zum Lauf halten (siehe Dienstvorschrift), am Abzug hat er nix zu suchen.

  11. 11
    Andreas says:

    Aus AG Pforzheim, Urteil vom 26.06.2007, 8 Cs 84 Js 5040/07 (aufgehoben durch LG Karlsruhe):

    „Das Gericht ist gleichwohl davon überzeugt, dass der Angeklagte es als möglich und nicht ganz fernliegend erkannte, dass das Gerät aus einer rechtwidrigen Vortat stammte, und dies billigend in Kauf nahm. […] Neben der auffälligen Differenz zwischen Neuwert und Kaufpreis war für den Angeklagten ersichtlich, dass das Gerät von Polen aus verkauft wurde […]“

    Wer aus Polen kauft, der nimmt Hehlerei billigend in Kauf… Na ja, glücklicherweise gibt es ja gegen solche Entgleisungen noch Berufung und Revision.

  12. 12
    vilmoskörte says:

    Form follows function, oder der Qualitätsjournalismus liefert zum falschen Inhalt auch gleich das falsche Deutsch: Man macht sich nicht „eines Vergehens strafbar“, sondern man macht sich „eines Vergehens schuldig“.

  13. 13
    ??? says:

    Kaum gestohlen, schon in Polen.

    Lernen Kinder im Kindergarten.
    In München wurden Fahrraddiebe aus Osteuropa dingfest gemacht, die mit einem elektrischen Schneider, wo die Polizei Unfallopfer befreit, Fahrradschlösser gekanckt und teuerste Rennräder in einem LIeferwagen nach Polen gebracht.
    Von dort wurde ein Weiterverkauf organisiert. Da ein Ermittlungsteam anderthalb Jahre gebraucht hatte, war der Schaden enorm. Es war nicht ein „Radl aus Jux geklaut“, sondern eine massive, fest organisierte Betrügerbande mit mehreren hundert Rädern.

  14. 14
    Prädikatsblogkommentator says:

    Ist die Überschrift nicht falsch? Müsste es nicht Prädikatsjournalismus heißen? ;-)

  15. 15
    Chaoskas says:

    Verstehe ich Sie richtig, das in dem Beispiel mit dem teuren Rad schützt Unwissenheit nicht vor Strafe schützt? Insofern wäre die Aussage der Journalistin ja korrekt.

    Wie ist denn die Sachlage beim Kauf illegal beschaffter Daten? ;-)

  16. 16
    Sancta Simplicita says:

    „Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

    Kann einer das bitte mal den Heiopeihs in NRW verklickern?

    Fahrräder sind ein Schmarren gegen das, was dort passiert. Ich weiß überhaupt nicht, wie man sich wegen dem Kassenbon eines Fahrrads auch nur eine Sekunde Gedanken machen kann, wenn die Behörden solche Dinge völlig selbstverständlich, wiederholt und uneinsichtig tun. Wie soll man einem Jugendlichen heute das mit der Hehlerei erklären?

    Es hieß mal „Der Hehler ist schlimmer als der Stehler“.

  17. 17
    Lexus says:

    Der Vergleich mit NRW hinkt fürchterlich.

    Die Hehlerei ist primär strafbar, weil damit dem Eigentümer das Auffinden der Sache erschwert wird. Bei Daten die unendlich dupliziert werden können, ist dies kaum relevant.

  18. 18
    Sancta Simplicita says:

    Lexus, ich gebe zu, mich getäuscht zu haben. Genauso wie die Musikindustrie, deren duplizierbare Daten ja auch nicht gestohlen werden können. Oder so. Dann hinke ich jetzt mal heim, höre eine Vinyl-LP mit großem Genuß und proste mit einem vinho verde in die ungefähre Richtung von Kim Dotcom.

  19. 19
    Sancta Simplicita says:

    P.S.: Gibt es eigentlich schon einen Auslieferungsantrag der Schweiz gegen die drei zur Fahndung ausgeschriebenen Daten-Hehler aus NRW? Vielleicht könnte man sie ja nach Schweden einladen, die dortigen Behörden helfen gerne mal mit Vergewaltigungsvorwürfen aus, falls Not am Mann ist. :-)