Nicht mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich

Es hat ein wenig gedauert, 31 Monate, bis zwei prügelnde Polizeibeamte – erstinstanzlich – verurteilt wurden:

Die beiden Polizeibeamten, die im Rahmen der „Freiheit statt Angst“-Demonstration am 13. September 2009 durch gewalttätiges Verhalten gegen einen Demonstranten auffielen, wurden am gestrigen Montag vom Amtsgericht Berlin Tiergarten verurteilt. Sie müssen wegen Körperverletzung im Amt je 120 Tagessätze a 50 Euro – also insgesamt 6000 Euro – Geldstrafe bezahlen.

berichtet Gulli.

Bemerkenswert ist der Bericht an folgender Stelle:

Letztendlich sah das Gericht […] keinen Bedarf zu einer Freiheitsstrafe […]. Die Angeklagten könnten schließlich nichts dafür, daß es das Aufsehen erregende You-Tube-Video gegeben hat.

Mir stellt sich nicht(!) die Frage, wie das Verfahren ohne die Video-Dokumentation verlaufen wäre.

Zum Ergebnis: Vor dem Hintergrund, daß das Verhalten der Polizisten auch als gefährliche Körperverletzung im Amt (§§ 340, 224 StGB) gewertet werden könnte, ist die Geldstrafe ein recht moderates Ergebnis. Für die „gef.KV“ gibt es auch im günstigsten aller Fälle mindestens drei Monate Freiheitsstrafe; im ungünstigsten zehn Jahre. Das Amtsgericht ging aber nicht davon aus, daß die beiden Polizeibeamten jeweils „mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich“ geprügelt haben.

Ich gehe davon aus, daß das Verfahren vor dem Amtsgericht eine Durchgangsinstanz war, und wir in weiteren 31(?) Monaten von der Entscheidung der Berufungskammer des Landgerichts lesen werden. Wenn nicht die Staatsanwaltschaft ins Rechtsmittel geht, dann zumindest Jony E., der den Nebenkläger vertritt.

Dieser Beitrag wurde unter Polizei veröffentlicht.

12 Antworten auf Nicht mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich

  1. 1
    ra kuemmerle says:

    Nicht jeweils „mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich“ geprügelt… Ah ja, so unterschiedlich sind die Wertungen. Einer meiner Mdt. hatte sich nach einem Fußballspiel mit der Polizei am Boden gebalgt, nahe eines Absperrgitters. Von dort traten weitere Beteiligte auf die am Boden liegenden Beamten ein. Trotzdem mein Mdt. die Tretenden weder kannte, noch irgend etwas dafür konnte, dass er ausgerechnet am Gitter zu Boden gebracht wurde, wertete das Gericht das ganze als gef. KV… Ihr Bericht wundert mich nicht, er bestätigt nur gängige Klischees…

  2. 2
    grumpf says:

    dann gibt es eben in der berufungskammer den üblichen abschlag wegen überlanger verfahrensdauer

    @ra kummerle
    „…mit der Polizei am Boden gebalgt…noch irgend etwas dafür konnte, dass er ausgerechnet am Gitter zu Boden gebracht wurde…“
    staun!! konnte er wirklich nichts dafür?

  3. 3
    ??? says:

    Entlasten Sie die Polizei!
    Verprügeln Sie sich selbst!

    Okay, der ist alt.
    Aber in Bayern hat die Polizei gar nicht soviel Zeit. Da wird auch nicht debattiert. Da wird gleich abgeknallt. Ein Musikstudent in Regensburg oder eine psychisch kranke Frau, die am Telefon dummes Zeug gelabert hatte, aber ansonsten keinem etwas getan hatte. Jetzt steht in Rosenheim ein promovierter Akademiker vor Gericht, der einen Polizeieinsatz „verhindert“ haben sollte. Die Polizisten klingelten an der falschen Türe, fragten dann nach Nachbarn, die längst weggezogen waren und als die Mieter die neue Adresse der Nachbarn nicht wussten, meinte die Polizei, dass man sich nicht veralbern ließe und prügelten die Leute zu Boden. Eine Tochter hatte jedoch einiges mit dem Handy gefilmt. Nun geht der Tanz erst richtig los…..

  4. 4
    ra kuemmerle says:

    Es besteht ein erheblicher Unterschied zwischen der KV (mit Polizei geprügelt) und der gef. KV (Umstehende erfreuen sich an der Prügelei und treten mal schnell nach). Dass er sich mit der Polizei prügelte, dafür kann mein Mdt. sicher etwas und dafür gab es auch eine Strafe. Dass aber er für das Verhalten umstehender verantwortlich gemacht wurde, worauf er überhaupt keinen EInfluss hatte, das hat mich gewundert.

  5. 5
    Kai says:

    Seit wann wirkt es strafentlastend, wenn eigene Straftaten per Video dokumentiert wurden und sich die Öffentlichkeit zu Recht aufregt?

    Dass man unter dem Verfahren leidet wird bei allen anderen wohl nicht berücksichtigt, schon gar nicht, wenn durch vehementes Bestreiten alles verkompliziert wird.

    Gerade weil es Beamte sind, sollten Sie nicht willkürlich Passanten schlagen. Aber 6000€ plus Verfahrenskosten sind auch kein Pappenstil.

  6. 6
    Gulliver says:

    Hallo Herr Hoenig,
    ist es nicht eher so, dass das Gericht die Strafverschärfung der Staatsanwaltschaft nicht sehen konnte und daher das Argument mit dem youtube Video brachte? Dann wäre zwar die tolle Geschichte in der Art kaputt, die Darstellung käme aber der Wahrheit des Urteil näher.
    Lasse mich aber gerne belehren wenn ich den Zusammenhang falsch verstanden habe.

  7. 7
    meine5cent says:

    Was der „gulli“Reporter aus der mündlichen Urteilsbegründung richtig verstanden hat, kann man ggf. bezweifeln.
    @kai: Es gehört bei manchen sogar zum Verteidigerhandwerk, die Einstellung des Verfahrens zu beantragen wegen der Vorverurteilung in der Öffentlichkeit und der bloßstellenden Berichterstattung. Wenn Straftäter auf youtube identifizierbar in diversen Videos gezeigt werden, und das über mehrere Jahre hinweg, dann ist das jedenfalls eine Beeinträchtigung, die nach 46 StGB bei der Strafzumessung berücksichtigt werden kann.

  8. 8
    Deutsche Gabbana says:

    Die Polizei ist also keine Bande oder kriminelle Vereinigung? Hätte ja sein können …

  9. 9
    Free Wilhelm says:

    In Bayern ist es auch zwingend erforderlich, verwirrte Menschen in ihrer eigenen Wohnung aus Notwehr zu erschießen.

    http://www.augsburger-allgemeine.de/aichach/Toedlicher-Einsatz-Mann-nach-Axtangriff-erschossen-id19951781.html

  10. 10
    Strafrechtsprofessor says:

    Wie Herr Hoenig richtig schreibt, sieht die gefKV im günstigsten aller Fälle („minder schwerer Fall“) Freiheitsstrafe ab 3 Monaten vor.

    Dann ist Herrn Hoenig sicherlich auch § 47 Abs. 2 StGB bekannt, den er des öfteren zugunsten seiner eigenen Mandanten zitiert haben dürfte.

    Es ist einfach nur peinlich, wie die Strafverteidiger die Seiten wechseln, sobald mal ein Polizist auf der Anklagebank sitzt.

  11. 11
    meine5cent says:

    @Free Wilhelm: Was hat das „auch“ jetzt in einem Beitrag zu einem Pollizeieeinsatz in Berlín zu suchen?

    Solche tödlichen Einsätze kommen natürlich außerhalb Bayerns nicht vor. Oder googeln Sie vielleicht mal nach „Polizei erschießt Mann“ (wie auch bei Straftaten ist der Anteil erschossener Männer höher als der der Frauen).

    Woraus entnehmen Sie in dem Artikel, dass der Tote „verwirrt“ und nicht einfach nur ein brutales, aggressives A…h war? Und dass der Waffeneinsatz nicht gerechtfertigt war? „Zwingend“ : o.k., man kann sich auch den Schädel mit der Axt einschlagen lassen, da ist natürlich der Einsatz einer Schusswaffe nicht zwingend.

  12. 12
    Free Wilhelm says:

    @meine5cent: Vielleicht lesen zuerst einmal Kommentar 3, dann wird möglicherweise auch ihnen der Bezug klarer.

    Wenn jemand mit einer Axt auf einen Nachbarn losgeht würde ich immer davon ausgehen, dass er verwirrt ist. Klar denkende Menschen nehmen natürlich ein Messer oder eine Schußwaffe.

    Der Waffeneinsatz war natürlich gerechtfertigt, schließlich ist der Mann ja tot und die Polizei in Bayern macht, wie von der Justiz in Hunderten von eingestellten Verfahren festgestellt wurde, bekanntlich keine Fehler.