Partykiez Neukölln

Neukölln ist also gebeutelt und geschunden genug, doch als ob Arbeitslosigkeit, Armut und verbale Ausfälle nicht genügten, droht seit einiger Zeit neues Ungemach: Der Problem- wird zum Partykiez. Mit wachsendem Tempo mutiert Neukölln zum Vergnügungsviertel für Jungakademiker, Feiertouristen und alle sonstigen Arten von Hinrennern.

Inzwischen hat sich wohl auch bis zum letzten Hinterwäldler herumgesprochen, dass das Viertel der kommende Szenebezirk ist – dass da was geht. Oder, um es in der Sprache der jugendlichen Bewohner des Viertels zu sagen: „Jetzt wird Neukölln richtig gefickt.“

meint Philip Meinhold in der taz.

Aber ich glaube, er irrt, wenn er schreibt:

Wenn eine Gegend erschlossen und ausgenommen ist, zieht die Karawane der Künstler und Kreativen weiter, bis auch der nächste Kiez mit Cafés, Clubs, Kneipen und Hostels planiert ist und statt Einheimischer nur noch Prolls und Touristen kommen. Nach Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain wird nun also der nächste Berliner Stadtteil unbewohnbar gemacht.

An den Neuköllnern haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen. Den Kiez schaffen selbst die Schwaben nicht.

Dieser Beitrag wurde unter Kreuzberg veröffentlicht.

12 Antworten auf Partykiez Neukölln

  1. 1
    TeeKay says:

    Also zahlungskräftige Kundschaft, die Dienstleistungen nachfragt und für Arbeit in einem Bezirk mit hoher Arbeitslosigkeit sorgt, ist böse. Ich wette, wenn Produktionsbetriebe sich im Bezirk ansiedeln wollten, wäre das auch böse. Sorgt schließlich für Emissionen (Lärm, Schadstoffe etcpp) und erhöht die Preise.
    Mit anderen Worten alles außer Hartz 4 ist schlecht, oder wie soll man den ganzen Schwachsinn verstehen?
    Statt die Chance einer besseren sozialen Durchmischung zu erkennen und zu nutzen, fühlt sich die Unterschicht bedroht.

  2. 2
    stephan says:

    Nach der Durchmischung kam in den anderen Bezirken Die Verdrängung. Haus und Wohnungseigentümer erkennen die neuen wirtschaftlichen Möglickeiten; sie sanieren, Modernisieren und erhöhen anschließend die Mieten.

    Niemand aus dem Kreis der Hartz-4 Empfänger bekommt bei den Bauarbeiten oder in den „Produktionsbetrieben“ eine Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Bestenfalls ein befristetes, prekäres Abeitsverhältnis das dann aber auch nicht ausreicht die gestiegenen Mieten zu bezahlen.

    Als Folge weichen sie in Wohngegenden aus in denen sie die Mieten noch bezahlen können, bzw werden dorthin zwangsumgesiedelt weil der modernisierte Wohnraum nach amtlicher Lesart plötzlich nicht mehr angemessen ist.

    Wo bitte sehen sie die Chance?

  3. 3
    Christian says:

    Die Chancen? MacPom bittet noch viel freie Fläche zu günstigen Preisen. *schenkelklopf*

  4. 4
    Christian says:

    Hmm, MacPom mag vielleicht auch bitten, aber gemeint war natürlich bieten.

  5. 5
    doppelfish says:

    Mal sehen, ob die Meute auch nach, pardong, in den Wedding kommt.

  6. 6
    egal says:

    Nachdem die alten Rixdorfer von den Migranten vertrieben wurden, würde ich die Chancen zur Rekultivierung auch nicht so hochsetzen. Gehe daher d’accord mit Ihnen.

  7. 7
    TeeKay says:

    @stephan: Bezogen auf den einzelnen mag das stimmen. Man wird immer eine Person X finden, die bei Hartz 4 blieb trotz wirtschaftlicher Belebung des Quarties.
    Irgendwer muss der zahlungskräftigen, neuen Kundschaft in der Gegend aber ihre Güter verkaufen, irgendwer muss die Wohnungen sanieren.
    Wer sich für eine teure (aufwendig per Hand) sanierte Innenstadtwohnung statt ein (in unaufwendig in Betonfertigbauweise errichtetes) Haus im Grünen entscheidet, läßt sein Geld statt in Ölimporte (für das Pendeln in die Stadt) in den Binnenkonsum fließen. Irgendwo muss das Geld ja bleiben.

    Was ist denn die Alternative? Die Ghettos Ghettos sein lassen, weil die Gefahr besteht, dass nicht jeder Ghettobewohner von der Änderung profitieren wird?

  8. 8
    Christian II says:

    Oooooooch, die armen Berliner! Dann kommen nur noch Prolls in das Viertel, meint der Autor? Hat er sich da mal umgesehen? Die Prolls sind die Leute, die jetzt da wohnen.

    Andere Städte wie etwa Gelsenkirchen würden sich über eine vergleichbare Entwicklung ein Loch in den Kopf freuen. Statt dessen werden sie über die Ostförderung geschröpft. Und dann haben diese Schmarotzer auch noch die Stirn sich zu beschweren.

    Drastisch daneben, dieses Gejammere.

  9. 9

    @Christian II:

    Ist Ihnen bekannt, daß Neukölln keine „Ostförderung“ bezieht, weil es ein alter Westberliner Bezirk ist?

    Wissen Sie eigentlich, daß auch die Ossis den Solidaritätszuschlag von ihrem Einkommen abgezogen bekommen, genau wie die Wessis?

    Und: Sind Sie sich sicher, daß in Neukölln nur Prolls wohnen?

    Wissen Sie was: Ihr Geschwätz ist drastisch daneben! Sagt Ihnen einer, der seit über 20 Jahren in Nord-Neukölln lebt.

  10. 10
    stephan says:

    @TeeKay

    Binnenkonsum? Unternehmen aus dem europäischen Ausland Sanieren mit Arbeitnehmern die häufig aus dem aussereuropäischen Ausland kommen preiswert die Wohnungen in der Stadt. Ja Binnenkonsum total.

    Aber Selbst wenn Arbeitnehmer aus dem näheren umfeld beschäftigt werden, dann sind es i.d.R Prekäre Beschäftigungs- verhältnisse über Zeitarbeitsfirmen bei denen die Arbeitnehmer, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, auf ergänzende Leistungen aus Hartz-4 angewiesen sind.

    Ebenso werden auch die, von Dir angesprochenen, neuen Arbeitsplätze im Handel beschaffen sein. Das Modell Schlecker ist kein Einzel- nur ein besonders bekannter Fall. Schau doch mal wer in den Supermärkten die Regale auffüllt. Es sind nicht die verbliebenen 3-5 Festangestellten sondern Angestellte von spezialisierten Zeitarbeitsunternehmen die über sogenannte christliche Gewerkschaften zu Hungerlöhnen dort täglich die Regale bestücken.

    Getthos sind es häufig nur von aussen betrachtet redet mal mit den Menschen die dort leben, trefft Entscheidungen die sie so nachhaltig berühren mit ihnen und nicht nur über sie.

    Ein Lösungsansatz für die beschriebenen Probleme wäre das wir alle wieder bereit sind auch die Arbeit derjenigen fair zu bezahlen die uns das Leben angenehm und einfach machen. Die uns das verkaufen oder produzieren was wir brauchen und nicht immer dem billgsten Angebot, aus China, den Vorzug geben.

    Das wir aufhören dem allseligmachenden Glauben an die Privatisierung um jeden Preis hinterher-zuhecheln. Staatseigentum in die Hände von Spekulanten zu geben hat sich vielerorts als großer Fehler erwiesen. Die Gewinne wurden ausserhalb der BRD erzielt, die Einnahmen fehlen den Kommunen, und durch die trickreiche Gestaltung der Verträge sind die Risiken bei dem Steuerzahler geblieben. Wir zahlen also zweimal für die selbe Misere.

  11. 11
    H.B. says:

    > Den Kiez schaffen selbst die Schwaben nicht

    Mir kenned fei älles….ausser Hochdeutsch.

    :-P

    http://www.baden-wuerttemberg.de/fm7/1897/thumbnails/Wsk_Aufkleber2.416523.jpg.416530.jpg

  12. 12
    Christian II says:

    Kein Bundesland lebt so parasitär wie Berlin – dort empfängt man seit der Wiedervereinigung die mit Abstand höchsten Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich, gönnt sich aber trotzdem mehrere Opern und Späße wie die Kanzler-U-Bahn. Im Jahr 2006 sind etwa 2 881 000 000, 00 € auf diesem Weg nach Berlin geflossen. Dass einem Ruhrpottler da der Hut hochgeht, ist naheliegend, oder?

    Und wenn dann ein Problembezirk von „Investoren heimgesucht wird“, was auf Sicht eine Entlastung der Alimenteure bedeuten könnte, wird gemeckert. Dafür fehlt mir jedes Verständnis. Mit „Autor“ in meinem ursprünglichen Beitrag meinte ich übrigens nicht Sie, sondern diesen TAZ-Prekariatsverteidiger da.

    Romantik in allen Ehren, aber ein Viertel als „unbewohnbar“ zu bezeichnen, weil sich dort „Künstler und Kreative“ ansiedeln, was zur Eröffnung von „Cafés, Clubs, Kneipen und Hostels“ führen werde, ist dumm. Vor allem, wenn es um eine Gegend geht, in der die Bewohner sich typischerweise wie oben zitiert ausdrücken: „Jetzt wird Neukölln richtig gefickt.“