Zwei unterschiedliche Urteile

Ein Mandant wies mich auf diese beiden Entscheidungen hin:

1. Stadtwerke-Chef, 27 Fälle, 500.000 Euro Schaden. Zwei Jahre auf Bewährung.

Wegen schwerer Untreue ist der frühere Neuruppiner Stadtwerke-Chef, [***], zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Das Landgericht Neuruppin sah 27 Fälle von besonders schwerer Untreue als erwiesen an, wobei es „Fall-Komplexe“ zusammenfasste. Der Gesamtschaden beträgt rund eine halbe Million Euro.

Quelle: Berliner Morgenpost

2. Polizeibeamter, 4 (Un-)Fälle, 5.400 Euro Schaden. Zwei Jahre, vier Monate (keine Bewährung möglich).

Ein Polizeibeamter ist wegen Versicherungsbetrugs, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Sachbeschädigung von einem Moabiter Verkehrsrichter zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt worden.

[…]

An den Fahrzeugen, mit denen er mit seinem betagten BMW kollidierte, entstand ein Gesamtschaden von 5400 Euro.

Quelle: Berliner Morgenpost

Ohne die Einzelheiten der beiden Entscheidungen zu kennen, ist es natürlich schwierig, sie zu kritisieren. Aber der Gedanke an zweierlei Maß kommt mir schon …

Dieser Beitrag wurde unter Justiz, Strafrecht veröffentlicht.

13 Antworten auf Zwei unterschiedliche Urteile

  1. 1
    testsieger says:

    Eigentlich kann ich die Entscheidungen ohne die Kenntnis von Einzelheiten nicht kritisieren. Aber ehe ich eine Entscheidung unkritisiert lasse, die es womöglich verdient hätte, kritisiere ich sie lieber doch …

  2. 2

    Dann sollte man vielleicht die beiden Quellen mal lesen, bevor man dem unterschwelligen Eindruck von Ungerechtigkeit noch Vorschub leistet?

    Im ersten Fall war der Angeklagte zum größten Teil geständig und hatte das Geld wohl weniger in eigene Taschen gesteckt, als damit einen Sportverein gesponsort.

    Im zweiten Fall handelte es sich um einen Polizisten, der mit erheblicher krimineller Energie vier Verkehrsunfälle provozierte, um Schadenersatz von seinen Opfern geltend machen zu können und der den Tatvorwurf stets bestritt.

    Individuelle Schuld und das vom einzelnen verwirklichte Unrecht sind nunmal nicht allein anhand des Schadens quantifizierbar, wie Mehl mit nem Messbecher zu messen oder wie Butter mittels einer Waage gegeneinander abzuwiegen. Zweierlei Maß? Ja natürlich, denn schließlich handelt es sich um zwei völlig unterschiedliche, nicht vergleichbare Fälle.

    Sollte man als Organ der Rechtspflege diese nicht lieber zumindest klarstellend erläuternd, anstatt sie – in vielen anderen Bereichen sicher begründeterweise – in Frage zu stellen?

  3. 3
    doppelfish says:

    Womit korrelieren denn (Ihrer Meinung nach) die Masse? Stadtwerke-Chef vs. Polizist? Oder Neuruppin vs. Moabit?

  4. 4

    @ Ruediger K:

    Wenn sie mich mit dem Organ der Rechtspflege meinen:

    Dieser Begriff im Zus’hang mit einem Strafverteidiger ist nicht als Instrument der Disziplinierung geschaffen worden. Im Unterschied zu Richtern und Staatsanwälten bin ich ein unabhängiges Organ, § 1 BRAO.

    Was Ihr Hinweis auf meine grundsätzliche Organstellung hier soll, erschließt sich mir allerdings nicht. Ich bin hier nur ein kleiner Blogautor, dem hier und da etwas aufstößt und der dann darüber schreibt.

  5. 5
    Pascal Rosenberg says:

    @Ruediger K:

    Ich kann beim besten Willen nun auch nichts negatives an der Art der „Erläuterung“ des Herrn Hoenig finden. Denn wo er recht hat, hat er recht. Der eine verursacht einen Schaden von 5.400 Euro und geht ins Gefängnis, der andere Millionenschäden und läuft frei rum.

    Das ist eben nicht gerecht. Und wenn er zehn mal geständig war, so hat auch er Straftaten begangen, oder ist Untreue seit neuestem keine mehr? Auch durch ihn sind andere zu schaden gekommen. Und das ist es, denke ich, was Herr Hoenig meinte, als er sagte, es stellt sich der Gedanke nach zweierlei Maß auf.

    Oder machen wir es plakativer: Franjo Pooth bescheißt Banken um Millionen und kriegt ne Haftstrafe auf Bewährung. Die Banker bescheißen Anleger um Milliarden und kriegen eine Abfindung von 100 Millionen. Angeklagt werden sie schon mal erst gar nicht. Und das soll jetzt wer verstehen? ;)

  6. 6
    Dr. v. Q. says:

    Vielleicht werden die Unterschiede im Strafmaß etwas nachvollziehbarer, wenn man sich die Tatbestandsmerkmale und den Strafrahmen des § 315c StGB anschaut und mit dem der Untreue vergleicht.

    Die Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen „verdient“ nach meinem Dafürhalten immer noch einen anderen Strafrahmen als ein reines Vermögensdelikt.

    „Zweierlei Maß“ würde sich mir ohne Kenntnis der näheren Umstände jedenfalls nicht aufdrängen.

  7. 7
    Dr. v. Q. says:

    Falscher Prargraph, sorry.

    richtig ist: § 315 b StGB

  8. 8

    Na, Herr Hoenig, nu stellen Sie mal ihr Licht nicht unter den Scheffel… kleiner Blogautor… sie schreiben doch hier (auch und) vor allem in ihrer Eigenschaft als RA, oder nicht?

    Man verstehe mich nicht miss: Bei vielen anderen Fällen würde ich ja ähnlich reagieren und habe das auch schon, weil mir selbst schon oft solche Fragen gestellt wurden, ob dies im Verhältnis zu jenem so gerecht sein kann.
    Ich hätte mir vielleicht von einem Anwalt nur eine etwas differenzierte Antwort gewünscht, als einen Schluß, der sich dann eher Richtung Bild-Zeitung bewegt. Und das ist gar nicht aus Gründen moralischer Entrüstung gemeint, sondern aus ehrlichem Interesse.

    Wenn Sie sich als Verteidiger eines Mandaten zu Recht über Vorverurteilungen durch die Öffentlichkeit (Und ich rede dabei von der „Volksseele“ und nicht von der Presse) aufregen, die in den meisten Fällen (auch) auf schlichter Unwissenheit und/oder Ahnungslosigkeit beruht, dann rührt das eben auch aus solchen Beispielen wie den hier genannten her, die den Eindruck prägen, eine Verurteilung sei im Verhältnis zu einer anderen ungerechter.

  9. 9

    @Pascal: Das würde so stimmen, wenn es bei der Strafzumessung allein um die Schadenshöhe ginge. Tut es nunmal aber nicht. Dabei sind nach §46 II StGB Umstände die für und gegen den Angeklagten sprechen gegeneinander abzuwägen. Und da sind wir bei Umständen, die nunmal nicht so einfach miteinander vergleichbar sind: Beweggründe, Ziele, Gesinnung, Maß der Pflichtwidrigkeit, Art der Ausführung, die persönlichen Verhältnisse des Täters etc.pp, die nun schon anhand der Zeitungsinformationen deutlich voneinander abwichen…

  10. 10
    Axel John says:

    Im ersten Fall war der Angeklagte zum größten Teil geständig.

    Ich gehe mal davon aus, dass dem Geständnis eine Vereinbarung voraus ging, die eine wesentlich kürzere Verfahrensdauer ermöglichte.

  11. 11

    Laut Mopo tat er das wohl:

    Nachdem Lenz in dem vor einem halben Jahr begonnenen Prozess zunächst die Vorwürfe bestritten hatte, gab er im Februar einen Großteil der ihm vorgeworfenen 113 Fälle besonders schwerer Untreue zu. Im Gegenzug sicherte ihm das Gericht eine Bewährungsstrafe zu.

    Kann man über die Sinnhaftigkeit solcher „Deals“ streiten? Ja und ob! Aber vielleicht wäre auch der Polizeibeamte in den Genuss einer Minderung unter die Bewährungsgrenze gekommen, wenn er kooperiert hätte…

  12. 12
    runatthesun says:

    Also ich als juristischer Laie muss Rüdiger zustimmen. Ich finde die unterschiedlichen Strafen durchaus gerecht.
    Die Geständisse muss man nichteinmal berücksichtigen, sondern für mein Empfinden sind alleine die Taten es wert mit zweierlei Maß zu messen.
    Auf der einen Seite ist da der Polizist, der Unfälle provoziert und für kleine Summen die Gesundheit anderer riskiert.
    Auf der anderen Seite ist der Stadtwerke Vorstand, der zwar einen erheblich höheren finanziellen Schaden verursacht hat, aber immerhin keinen gefährdet und das geld zumindest nicht direkt in die eigene Tasche gesteckt hat. Zumal Geld für einen „geplanten“ Stadionkauf wohl auch wieder zumindest teilweise aufzutreiben sein wird.

  13. 13
    :) says:

    War ja nur eine Frage der Zeit, bis die never ending rivalry zwischen StrafR und WirtschatsR ihren Einzug bei twitter findet ;)