Rechtsstaat, scheibchenweise

Nach dem ich mir die Akte „Finanzermittlungen“ angeschaut habe, frage ich mich einmal mehr, von welcher Qualität der Rechtsstaat ist, in dem ich lebe.

Wegen des Verdachts auf Handel mit Beträubungsmitteln werden dem Mandanten 561,00 Euro in „szenetypischer Stückelung“ (Es handelte sich um Scheine und Münzen, das was jeder im Portemonaie hat.) weggenommen.

Nachdem sich heraus gestellt hat, daß das Geld legal ist, hätte es eigentlich an den Mandanten herausgegeben werden können (müssen?). Die Finanzermittler der Polizei hatten aber etwas dagegen.

Zunächst fragten sie beim Sozialamt an, ob der Mandant (Hilfe-Empfänger) überhaupt soviel Geld haben darf. Darf er, sagt das Sozialamt. Das so genannte „Schonvermögen“ betrage über 4.000 Euro.

Zurückgeben? Na, das wollen wir doch mal sehen, müssen sich die Finanzermittler gefragt haben. Und fragen beim Zentralen Schuldnerregister an, ob denn dort Verbindlichkeiten des Mandanten notiert seien. „Positiv!“ lautete die Antwort, aber die Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung war schon länger als fünf Jahre her. Geht also nichts mehr.

Jetzt aber: Zurückgeben? Mooooment. Die Finanzermittler haken nach: Ob denn beim Schuldnerregister noch Gläubiger bekannt seien, Aktenzeichen oder ähnliches. Eine uralte Forderung wurde daraufhin den Ermittlern mitgeteilt. Ein Fitness-Studio hatte da noch einen offenen Deckel über 400,00 Euro.

Kurzer Hand wurde das Studio angeschrieben und angeregt, man soll doch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß beantragen, damit das beschlagnahmte Geld nach dort herausgegeben werden kann.

Den Rest könne man dann ja für die entstehenden Verfahrenskosten verwenden … wurde abschließend noch in der Finanzermittlungs-Akte vermerkt.

Ich würde es nicht glauben, wenn ich es nicht gerade mit eigenen Augen in der Akte gelesen hätte. Genauso wenig, wie den freiwillig hinterlassenen Bericht von Udo Vetter, der in einem Kommentar zu seinem Bericht gefragt wird:

Wann gibt’s eigentlich die nächste Revolution in ganz Deutschland…?

Dieser Beitrag wurde unter Strafrecht veröffentlicht.

12 Antworten auf Rechtsstaat, scheibchenweise

  1. 1

    Welcher Rechtsstaat ???

    P.S. Der Link auf U.V. klemmt.

  2. 2
    doppelfish says:

    Geld? In Scheinen und Münzen? Aha, eine Dealer-typische Tatvorbereitungswaffe.

    P. S. Der Link auf U. V. funktioniert bei mir :-)

  3. 3

    Las‘ ich nicht weiland etwas von „Gesetzesvorbehalt“ beim Handeln der Exekutive?
    Macht denn da jeder was er will? Wie er lustig ist? Nicht nur, daß Uniformträger in Deutschland mittlerweile mit einer Woodstockgleichen Haarpracht herumlaufen dürfen ihrer Persönlichkeit auch im äußeren Erscheinungsbild ein individuelles ebensolches geben dürfen, auch im Dienst, nein, sie handeln auch erratisch und wie sie lustig sind?

  4. 4
    Jan says:

    Finde ich klasse von der Polizei. Würde mich freuen, wenn einer meiner Schuldner auf diese Weise mal Geld an mich abdrücken würde. Frage mich was gegen die Handlungsweise spricht. Wieso soll der Schuldner soviel Geld zurückbekommen, wo es ihm gar nicht gehört?!?

  5. 5
    x says:

    @ Jan:

    Gute Idee! Dann fangen wir mal bei dir an und nehmen dir – auf gut Glück, man weiß ja nie ob du nich auch irgendwo Schuldner bist – 500 € weg. Einfach so und zum Spass ;-) Und dann kontrollieren wir, ob du nich noch irgendwo ne Rechnung offen hast.

    Solltest du niemandem Geld schulden, hast du halt Pech gehabt… dann bleibt dein Kühlschrank halt nen Monat leer, weil dir die fünfhundert Euro (bis zur Rückgabe) fehlen.

  6. 6
    Jule says:

    Da hat wohl der Finanzermittler den letzten Lehrgang in Sachen „Vermögenabschöpfung“ aber sowas von mißverstanden.

  7. 7
    dot tilde dot says:

    hätten richter werden sollen/können/wollen, die vögel.

    .~.

  8. 8
    Tilman says:

    Vielleicht würden Sie das anders sehen, wenn Sie das Fitness-Studio vertreten würden :-) Unbestrittene Rechnungen nicht bezahlen obwohl man könnte, ist für mich auch eine Form von Kriminalität.

  9. 9

    1. Ich vertrete Fitness-Studios nur dann, wenn man ihnen Straftaten zur Last legt. Deswegen kann ich ihre Stellungnahme nicht nachvollziehen.

    2. Woher nehmen Sie die Erkenntnis, daß es hier um eine unbestrittene Forderung geht? Sie ist tituliert, mehr ist mir nicht bekannt.

    3. Sind die 10-Jahres-Unkündbar-Verträge von Fitness-Studios nicht schon einmal vor den Gerichten diskutiert worden?

  10. 10
    genevainformation says:

    ..10 Jahre..und dann Erfüllung in Person verlangen..

  11. 11
    Sparschwein says:

    empfehle an dieser Stelle das Büch :“Im Namen des Irrtums“ über Fehlverhalten und Justizirrtum auf der ganzen Welt.

  12. 12
    Tilman says:

    @9: Zu 1) Sie könnten ja ein Fitnessstudio auch vertreten, wenn ein Motorrad-Fahrer ins Schaufenster kracht, oder? Aber im Ernst: 2) Ich habe mich schlecht ausgedrückt. Es ist eine „unbestreitbare“ Forderung – denn entweder der Rechtsstreit wurde entschieden, oder es wurde nicht bestritten, deshalb der Titel. (Ja, der Begriff „Vollstreckungsgegenklage“ ist mir zwar auch bekannt, aber das lass ich mal aussen vor) 3) Und ob es ein 10-Jahres-Vertrag war, halte ich für Spekulation.