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Verteidigung im Bußgeldverfahren

Die Verteidigung im Verfahren wegen einer Verkehrs-Ordnungswidrigkeit ist vergleichbar mit der Strafverteidigung. es gibt jedoch einige wesentliche Unterschiede und Besonderheiten, die hier aufgezeigt werden sollen.

Bereits an dieser Stelle sei ergänzend auf unseren kostenlosen eMail-Kurs „Selbstverteidigung in Bußgeldsachen“ hingewiesen, der zum selben Thema informiert.

Eine erfolgreiche Verteidigung gegen den Vorwurf, eine Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr begangen zu haben, kann in mehreren Varianten erfolgen.

Schweigen

Alle möglichen Verteidigungsstrategien stehen vor folgendem Hintergrund: Die Bußgeldbehörde muß dem Täter nachweisen, daß er eine Ordnungswidrigkeit begangen hat. Es ist also keinesfalls so, daß derjenige, dem man eine Ordnungswidrigkeit zur Last legt, den Nachweis seiner Unschuld führen muß. Im Gegenteil: Es hat sich in vielen Fällen bewährt, nicht aktiv zu werden, insbesondere zu dem Vorwurf schlicht zu schweigen.

Das Schweigen zu einem Vorwurf stellt kein Einräumen der Tat dar und wird auch von der Bußgeldbehörde nicht als Eingeständnis gewertet. Wenn jemand von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, nimmt er ein Recht war, das ihm unser Grundgesetz, ja sogar die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert.

Auf jeden Fall sollte sich ein Betroffener in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren solange nicht zur Sache äußern, bis er Einsicht in die Ermittlungsakte erhalten hat. Wenn der Akteninhalt nicht bekannt ist, muß eine „Verteidigung ins Blaue“ hinein geführt werden. Nur wenn der Betroffene weiß, welche konkreten Beweise die Behörde in den Händen hält und von welcher Qualität diese sind, kann er gezielt Entlastendes vortragen.

Täteridentität

Die Strategie, die in der Praxis der Verteidigung gegen einen Ordnungswidrigkeitenvorwurf die besten Erfolge erzielt, besteht darin, schlicht zu bestreiten, der Täter gewesen zu sein. Oder noch einfacher: Der Betroffene schweigt zum Thema „Fahrer-Identität“.

Dies ist natürlich nur dann möglich, wenn die Behörde den Identitätsnachweis nicht sicher führen kann, zum Beispiel weil der Fahrer des zu schnellen Fahrzeuges weder vor Ort angehalten, noch ein gut gelungenes Foto angefertigt wurde.

Solange die Bußgeldbehörde nicht sicher weiß, wer gefahren ist, muß der Vorwurf ins Leere gehen, wenn der Betroffene seine Täteridentität bestreitet.

Keinesfalls sollte der Betroffene mehr tun, als schlicht zu bestreiten, der Fahrer gewesen zu sein. Gibt er wissentlich falsch einen anderen als den Täter an, macht er sich unter Umständen strafbar!

Berücksichtigt werden muß auch, daß die Behörde die Möglichkeit hat, ein Fahrtenbuch zu verhängen, wenn beispielsweise der Halter eines Fahrzeuges sich weigert, den Fahrer zu benennen. In diesem Zusammenhang sollte nicht einfach nur „die Aussage verweigert“ werden. Hier ist ein wenig Fingerspitzengefühl und anwaltliche Erfahrung nötig, um einerseits den Namen des „Täters“ nicht preis zu geben und andererseits die Fahrtenbuchauflage nicht zu riskieren.

Tatsachenfeststellung

Gelingt es nicht, die Täteridentiät erfolgreich zu bestreiten, muß versucht werden, die Tatsachenfeststellung anzugreifen. In den meisten Verkehrs-Ordnungswidrigkeiten geht es um Geschwindigkeitsüberschreitungen und Rotlichtverstöße. Bei derlei Verstößen arbeitet die Polizei mit Meßgeräten und (Überwachungs-) Kameras. Diese technischen Hilfsmittel müssen geeicht und in einwandfreiem Zustand sein. Die Messung muß ordnungsgemäß dokumentiert, die bedienenden Beamten müssen teilweise besonders geschult sein.

Ob die Tatsachenfeststellung ordnungsgemäß erfolgt ist, ergibt nur die Einsicht in die Ermittlungsakte. Oft stellt sich erst bei mehrmaligem Nachfragen heraus, daß das Meßergebnisses nicht nach den Regeln erzielt wurde. Dann ist die Messung entweder nicht verwertbar oder es müssen größere Toleranzwerte in Abzug gebracht werden.

Hier ist neben profunden Rechtskenntnissen vor allem technisches Verständnis und Phantasie hinsichtlich möglicher Fehlerquellen gefragt.

Berücksichtigung von Voreintragungen

Auch wenn sowohl Täter als auch die Tat feststehen, sollte der Bußgeldbescheid nicht ohne weitere Prüfung akzeptiert werden.

Im Verkehrszentralregister werden die Verstöße gegen das Straßenverkehrsrecht registriert. Die dort eingetragenen Punkte werden jedoch nach Ablauf einer Tilgungsfrist (zwei, fünf oder zehn Jahre) zuzüglich einer Überliegefrist wieder gelöscht. Diese Tilgungsfrist für die Voreintragungen kann jedoch unterbrochen werden, wenn neue Eintragungen hinzukommen. Dies bedeutet in den meisten Fällen, daß die neuen Punkte zu den alten addiert werden und die (zweijährige) Tilgungsfrist erneut zu laufen beginnt.

Daher muß die Verteidigung auch darauf achten, den Eintritt der Rechtskraft des Bußgeldbescheids solange zu verhindern, bis die Voreintragungen gelöscht sind. Zu welchem Zeitpunkt die Tilgungsfrist abläuft, ergibt sich wiederum aus der Ermittlungsakte oder schlicht durch eine Anfrage an das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg.

Zeitpunkt der Wirksamkeit eines Fahrverbotes

Wenn die Bußgeldbehörde ein Fahrverbot verhängt hat, wird dieses grundsätzlich erst wirksam, wenn der Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden ist. Nur bei solchen Betroffenen, gegen die nicht innerhalb des letzten Jahres schon einmal ein Fahrverbot verhängt wurde, gewährt das Verkehrsrecht eine Ausnahme: Sie müssen das Fahrverbot „erst“ (spätestens) vier Monate nach Eintritt der Rechtskraft antreten.

Reicht auch diese Viermonatsfrist nicht aus, das Fahrverbot in einen Zeitraum zu legen, in dem der Verzicht auf das Fahrzeug am wenigsten schmerzt (z.B. während des Urlaubs), muss die Verteidigung auch hier den Eintritt der Rechtskraft vorübergehend verhindern. Dies wird durch einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid oder ein Rechtsmittel gegen das amtsgerichtliche Urteil erreicht. In einzelnen Fällen kann es gelingen, daß der Bußgeldbescheid erst über zwölf Monate nach der Tat rechtskräftig wird.

Verjährung

Ordnungswidrigkeiten verjähren drei Monate nach der Tat, es sei denn, die Behörde unterbricht den Lauf der Verjährungsfrist. Dies ist zum Beispiel möglich durch die (Anordnung der) Versendung eines Anhörungsbogens. Dann beginnt die Dreimonatsfrist erneut zu laufen. Ist jedoch bereits ein Bußgeldbescheid erlassen, beträgt die Verjährungsfrist sechs Monate. Erst nach Ablauf von zwei Jahren ist eine „Verkehrs-OWi“ endgültig (absolut) verjährt.

Der Eintritt der Verjährung hat zur Folge, daß die Tat nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden kann. In den meisten Fällen wird dann das Verfahren sanktionslos eingestellt.

Mit diese beiden recht kurzen Verjährungsfristen hat manche Bußgeldbehörde ihr Problem. Mit ein wenig Glück kann es der Verteidigung gelingen, das Ordnungswidrigkeitenverfahren bis zur Verjährung zu verzögern. Auf diese Strategie sollte jedoch nicht allzu große Hoffnung gesetzt werden. Die zunehmend hochmodern ausgestatteten (zentralen) Bußgeldbehörden achten in aller Regel sehr genau auf den Ablauf der Verjährungsfristen und kennen die zahlreichen Unterbrechungshandlungen nur zu gut.

Zusammenfassung

Die oft gestellte Frage an den Verteidiger zu Beginn eines Verfahrens wegen einer Verkehrs-Ordnungswidrigkeit, welche Erfolgsaussichten eine Verteidigung hat, kann in den meisten Fällen nur mit dem klassischen „Es kommt darauf an, …“ beantwortet werden. Eine hinreichend konkrete Einschätzung der Erfolgsaussichten ist meist erst nach Einsicht in die Ermittlungsakte möglich. In vielen Fällen kann erst nach Abschluß des Verfahrens beurteilt werden, welche Chancen bestanden haben.

Ich empfehle jedem Betroffenen, sich zunächst einmal über einen spezialisierten Verteidiger Einsicht in die Ermittlungsakte zu besorgen. Der Inhalt dieser Akte bestimmt nicht nur die weitere Strategie der Verteidigung, sondern eben auch die Aussichten, ob und wie erfolgreich gegen den Ordnungswidrigkeitenvorwurf verteidigt werden kann.

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