Oberfauler Richter

Es ist mittlerweile üblich geworden, daß die Staatsanwaltschaften hier in Moabit ihre Anträge auf Erlaß eines Haftbefehls so ausformulieren und gestalten, daß der Haft-/Ermittlungsrichter nur noch unterschreiben muß. Manchmal liest der Richter den Haftbefehlsentwurf sogar. Jedenfalls gilt die Maxime: Je weniger Arbeit der Staatsanwalt dem Richter macht, desto wahrscheinlicher ist es, daß er dem Antrag auch stattgibt.

Nun ist mir aber ein besonderes Exemplar eines Richters Haftbefehls-Entwurfes untergekommen. Der Staatsanwalt hatte sich schon die Mühe gemacht, alles fein säuberlich und unterschriftsreif vorzubereiten. Allerdings: Sein Entwurf war auf weißem Papier gedruckt; Haftbefehle sind aber auf rotem Papier auszufertigen.

Der Richter hat daraufhin die Akte komplett an den Staatsanwalt zurückgesandt. Mit dieser handschriftlichen Verfügung:

Rotpapier

Das war am 12.07.2009. Der auf rotem Papier ausgedruckte Haftbefehl stammt schließlich vom 21.07.2009. Meinem Mandanten konnte es Recht sein …

Das ist die Justiz, wie sie singt und lacht.

Dieser Beitrag wurde unter Justiz, Richter veröffentlicht.

11 Antworten auf Oberfauler Richter

  1. 1
    doppelfish says:

    Na, das hätte der StA auch einfacher haben können. War halt ein bischen … dusselig.

  2. 2
    Ken Duke says:

    Das irritiert mich – ist es üblich, dass ein StA bereits auf Rotpapier übersendet?

  3. 3
    A.N. says:

    @Ken Duke: Nein. Wenn dies so wäre, wäre der Gipfel der bedenklichen Vorbereitungstendenz durch die StA erreicht. Noch bedenkenswerter ist in diesem Fall, dass der entscheidungsmüde Richter diese Form der Vorbereitung seiner richerlichen Entscheidung nicht offenbar scherzhaft einfordert.

  4. 4
    Ein Staatsanwalt says:

    @ Ken Duke: Wenn wir schon den HB unterschriftsreif ausformulieren (ob wir das machen, hängt vor allem davon ab, wie viel Zeit wir haben), dann schicken wir ihn gleich auf rot zum Ermittlungsrichter. Ist aber ein Entgegenkommen von uns, auf das er keinen Anspruch hat.

    Aber wenn mir so etwas wie das hier unterkommen würde, könnte es (je nach eigener Tagesform) durchaus passieren, dass ich ein handschriftliches „U.m.A. an das AG XY zurück mit dem Hinweis darauf, dass die Staatsanwaltschaft nicht die Schreibkanzlei des Ermittlungsgerichts ist“ druntersetze.

  5. 5
    Peter says:

    @Sta: tja, altes Angebot und Nachfrage Prinzip. Sie wollen was vom Richter, der Richter aber nicht von Ihnen. Je nach Ihrer Tagesform geht es also mal schneller oder eben nicht, bis die entsprechende Person einsitzt.

  6. 6
    Ein Staatsanwalt says:

    @ Peter: Wobei der Schuldige für die Verzögerung der Richter ist, der die Akte an die StA zurückschickt. Das Kopieren des vorhandenen (weißen) HB-Entwurfs auf rotes Papier (zu dem er nach der Aktenrückkehr dann höchstwahrscheinlich seine Geschäftsstelle anweisen würde, wenn er so eine Abfuhr erntet), wird so viel zusätzliche Zeit wohl kaum kosten.

    (Was mich eher von so einer Reaktion zurückhalten würde, wäre das Wissen, dass ich damit das Verhältnis zu dem betreffenden Richter auf absehbare Zeit vergiften würde. Aber wahrscheinlich wäre das bei einem Richter, der solche Verfügungen absondert, ohnehin schon egal.)

  7. 7
    MadameLaStA says:

    Es wird hier möglicherweise die Idealisten irritieren, aber bei uns (StA in einer größeren Stadt) ist auch ein Haftdienst für die täglichen Routinefälle eingerichtet, in dem dann ein Staatsanwalt die Haftanträge für die am Vortag festgenommenen Personen vorformuliert und auf rotem Papier ausgedruckt dem Haftrichter vorlegt. Und das noch unter Verwendung von Textbausteinen, shocking!

  8. 8
    Lurker says:

    @MadameLaStA:

    Nicht die Idealisten, sondern die Juristen…

  9. 9
    Tom Paris says:

    @MadameLaStA: Sind Staatsanwaltschaften nicht meistens in einer größeren Stadt (wenn man einmal von völlig ländlichen Gegenden absieht, wo schon ein 30.000-Einwohner-Ort als „größere Stadt“ gilt)?

    Abgesehen davon: mich irritiert schon lange nichts mehr. Heute fand ich in einer Akte eine E-Mail-Korrespondenz zwischen einem Strafkammer-Vorsitzenden und dem psychiatrischen Sachverständigen:

    „SV: Auftrag für mich nur von begrenztem Reiz… Muß ich?
    VRiLG: Bitte übernehmen – ohne Zeitvorgabe. (!)
    SV: Bin so im Streß. Reisse mich nicht darum. Heikler Fall. War selber Stationsarzt, als Frau X von Herrn Y getötet wurde.
    VRiLG: Ein Befangenheitsantrag müßte ja erst mal begründet werden.
    SV: O.K. Lieben Gruß!“

    Schön, daß der Vorsitzende den Gedankenaustausch wenigstens ausgedruckt und zu den Akten genommen hat. Ist ja auch gar nicht peinlich. Vielleicht könnten wir demnächst die Korrespondez auch noch per SMS durchführen? Revisionsbegründung in 140 Zeichen. Spart viel unnötiges Blaba und Papier. Und wenn man sich ohnehin schon weitgehend wortlos versteht…

  10. 10
    MadameLaStA says:

    Tom, 140 Zeichen reichen aber allenfalls für die Sachrüge:)
    Und ich stimme Ihnen ja zu, der von Ihnen geschilderte Fall ist wirklich bodenlos. Genauso wie junge Zivilrichter im Bereitschaftsdienst, die mich fragen, ob der von mir gestellte Durchsuchungsantrag denn wohl so in Ordnung geht.

    Wovon ich gesprochen habe, sind die Fälle, in denen es vorher noch kein Verfahren gab, die Akte also eher überschaubar ist und in den meisten Fällen sowas wie Diebstähle, unerlaubten Aufenthalt oder Btm betrifft. Davon schicke ich nochmal einen Gutteil nach Hause oder wohin auch immer.
    Und über die Anträge entscheidet dann aber auch ein Strafrichter, der sich die Sache wirklich (!) anguckt.

  11. 11

    […] wollte die Unterlagen sehen. Der Kollege Hoenig beschrieb vor ein paar Jahren das genaue Gegenteil: Oberfaule Richter, was sich nach meiner Einschätzung durchgesetzt […]