Sachschadensrecht

Der nackte Biker

Unser Mandant fand sich nach dem Zusammentreffen seiner Aprilia mit einem Pkw auf dem Straßenbelag wieder. Seine Motorradhose hatte darunter etwas gelitten und einige Prellungen waren auch zu beklagen.

Die in Anspruch genommene Versicherung des Unfallgegners meint, überhaupt nichts zahlen zu müssen, der Unfallhergang ist im höchsten Maße streitig. Insoweit Standard.

Wir klagen also neben dem Fahrzeugschaden auch Ersatz für die beschädigte Hose und Schmerzensgeld ein.

Nun überraschte uns der von der Versicherung beauftragte Kollege mit einer sehr kreativen Rechtsansicht, warum unserem Mandanten insbesondere kein Schmerzensgeld zustehe:

Der Kläger hat doch nach seinem eigenen Vortrag Schutzkleidung getragen. Bei ordnungsgemäßer Schutzkleidung konnten (…) die behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht entstehen. Der Kläger muss sich schon entscheiden: Entweder Schmerzensgeld oder Ersatz für Schutzkleidung.

Also dass fehlende Schutzkleidung ein Mitverschulden des Bikers bei bestimmten Verletzungen begründen kann, war uns bekannt. Aber dass ein Zuviel an Schutzkleidung ein Schmerzensgeld per se ausschließt, ist uns neu.

Wir raten trotzdem davon ab, nackt Motorrad zu fahren.

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HIS – die Schufa der Versicherungswirtschaft

Nach erfolgter Regulierung ihrer Verkehrsunfälle beikommen unsere Mandanten in aller Regel, nämlich dann wenn fiktiv abgerechnet wurde und der Schaden über 2.500 Euro liegt, zum Abschluss noch ein nettes Schreiben von der gegnerischen Versicherung, in dem ihnen mitgeteilt wird, dass die Daten zum Fahrzeug – Kfz-Kennzeichen und Fahrzeugidentifizierungsnummer – an das Hinweis- und Informationssystem (HIS) übermittelt wurden.

Es folgen auf ein solches Schreiben oft aufgeregte Anrufe. Dürfen die das? Ja, sie dürfen.

Bei dem HIS handelt es sich um eine Datensammlung der deutschen Versicherungswirtschaft, die der Aufdeckung und Prävention von Versicherungsbetrug und Versicherungsmissbrauch sowie der begleitenden Risikoprüfung dienen soll. Sozusagen die „Schufa“ für Versicherungen.

Zweck der Meldung im Falle fiktiver Abrechnungen ist in erster Linie, dass beschädigte Fahrzeuge nicht mehrfach als Versicherungsfall gemeldet werden. Fiktivabrechner werden also unter den Generalverdacht gestellt, das sie sich durch Mehrfachabrechnung von Unfällen einen netten Zusatzverdienst verschaffen. Kennt man, machen Unfallgeschädigte ständig. Dagegen müssen sich die gebeutelten Versicherungen natürlich schützen.

Klagen gerichtet auf Löschung erfasster Daten, bleiben ohne Erfolg. Aktuell hat das Amtsgericht Kassel eine solche Klage abgewiesen.

In der HIS-Datenbank würden ja keine personenbezogene Daten im Sinne des § 3 BDSG gespeichert, lediglich fahrzeugbezogene Daten und die könnten nur über Umwege, so z.B. über das Kraftfahrtbundesamt oder die örtliche Kfz-Zulassungsstelle in Bezug zu einer bestimmten Person gesetzt werden.

Ob das so richtig ist, darüber kann man trefflich streiten. Aber selbst wenn man anderer Ansicht ist, sei die Speicherung der Daten erlaubt im Sinne des § 4 BDSG. Die Speicherung personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung finde in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG ihre Grundlage, da schutzwürdige Interessen der von der Datenspeicherung betroffenen Fiktivabrechner nicht tangiert würden.

Denn das System dient dem Interesse der Versichertengemeinschaft. Mithilfe der solchermaßen gespeicherten Daten können nämlich Fälle leichter bearbeitet werden, in denen eine unberechtigte Inanspruchnahme von Kfz-Haftpflicht- bzw. -Kaskoversicherungen in Frage steht, nachdem ein Schadensfall lediglich fiktiv, d.h. ohne Vorlage einer konkreten Reparaturkostenrechnung reguliert worden ist. Dabei kommt es nicht auf die Person des Halters am, sondern auf das Fahrzeug an sich, um ermitteln zu können, ob dieses bereits einmal einem vergleichbaren Schaden zuvor erlitten hat. (…)

Denn den dem …angeschlossenen Versicherungsunternehmen wird, wie bereits ausgeführt, die Bearbeitung besonders auffälliger Schadensfälle damit erleichtert, insbesondere im Hinblick auf Fälle, in denen der Verdacht betrügerischen Verhaltens durch mehrfache Abrechnung ein- und desselben Schadens eine Rolle spielt. Steht aber ein solches Verhalten eines Anspruchstellers zur Debatte kann er nicht für sich datenschutzrechtliche Bestimmungen reklamieren, weil er sich der dann selbst möglicherweise rechtswidrig verhalten hat oder zumindest ein solcher Verdacht auszuräumen ist (im Ergebnis wie hier AG Coburg, Urteil v. 07.11.2012 – 12 C 179/12).

Was an der fiktiven Abrechnung gegenüber einer Kfz-Haftpflichtversicherung auffällig, betrügerisch und unberechtigt sei, erklärt das Gericht leider nicht.

AG Kassel, Urteil vom 7. Mai 2013, Az: 435 C 584/13

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Ausgleichspflichtige Schadensposition

Das ist eine gewaltig wichtig klingende Überschrift, nicht wahr? In eine verständliche Sprache übersetzt bedeutet es, daß etwas schief (z.B. kaputt) gegangen ist und dadurch ein Schaden entstanden ist. Der Schädiger muß diesen Schaden ersetzen.

Bei einem Unfall sind das zum Beispiel Verkleidungsteile oder der Lenker des Motorrades. Oder die Kleidung des Moppedfahrers.

Aber auch den Aufwand für die notwendige Korrespondenz mit Versicherern, Ärzten und Anwälten muß der Schädiger ersetzen, wenn der Aufwand im Zusammenhang mit dem Unfall steht.

Einen solchen Aufwand macht – neben einem Schaden in hoch vierstelliger Höhe – einer unserer Mandanten geltend. Er hat einen Brief geschickt und dafür Porto gezahlt. Für diese Zahlung möchte er Ersatz.

Wenn man seinen Schaden ersetzt verlangt, muß man auch nachweisen, daß er entstanden ist. Im Falle des Portos ist dazu die Quittung von der Post geeignet. Diese Quittung haben wir per Fax von unserem Mandanten bekommen:

Ausgleichspflichtig

Der Schaden ist entstanden, nachdem alle anderen ausgleichspflichtigen Schadenspositionen ausgeglichen wurden. Der Mandant bittet uns, nun auch noch diesen (letzten) Schaden bei der Gegenseite geltend zu machen. Machen wir. Ich schicke ihm gleich mal ne neue Briefmarke. Per Fax.

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Butter bei die Fische

Rechnet der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall seinen Fahrzeugschaden fiktiv, d.h. auf Basis eines Gutachtens ab, lässt eine Reparatur tatsächlich aber nicht durchführen, z.B. weil er das Geld anderweitig einsetzen möchte, stutzen die gegnerischen Versicherungen das vom Geschädigten eingereichte Gutachten seines freien Sachverständigen gern unter Verweis auf eigene „Prüfgutachten“ zurecht. Sehr beliebt sind dabei Positionen wie die Stundenverrechnungssätze markengebundener Fachwerkstätten, Verbringungskosten oder Ersatzteilaufschläge. Dem Geschädigten wird dann auch gleich eine Alternativwerksatt empfohlen, die unschlagbar günstig mindestens genauso gut repariere, wie eine Markenfachwerkstatt.

Die Versicherungen berufen sich dabei auf das sog. „Porsche-Urteil“ des BGH (Urteil vom 29.04. 2003, VI ZR 398/02). In dieser Entscheidung hatte der BGH der Praxis der Versicherer die gutachterlich festgelegten Stundenverrechnungssätze von Markenwerkstätten zu kürzen und die Geschädigten auf einen abstrakten Mittelwert der Stundenverrechnungssätze einer Region zu verweisen, zwar eine Absage erteilt. Allerdings stellte der BGH auch klar, dass ein Geschädigter, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und qualitativ gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich wegen seiner Schadenminderungspflicht auf diese verweisen lassen muss.

Als die Versicherungen daraufhin anfingen, den Geschädigten sog. „Partnerwerkstätten“ vorzuschlagen, bestätigte der BGH in einer weiteren Entscheidung nochmals, dass der Geschädigte sich an eine günstigere, gleichwohl gleichwertige Reparaturmöglichkeit in einer freien Fachwerkstatt verweisen lassen müsse, aber nur, wenn die dortigen Preise nicht auf Sondervereinbarungen der Versicherung mit der Werkstatt beruhen (BGH, Urteil vom 22. 6. 2010 – VI ZR 337/09). Die „Partnerwerkstätten“ hießen danach „freie Fachwerkstätten“ und die Versicherungen kürzten munter weiter.

Maßgeblich ist allein die Frage der Gleichwertigkeit der Reparatur, welche die Versicherungen darlegen und beweisen müssen. In den Klageverfahren werden dann bunte „Expertisen“ eingereicht, wonach es sich bei dem Alternativwerkstätten um Meisterbetriebe handelt (was gesetzliche Notwendigkeit ist), die Originalersatzteile verwenden (was denn bitte sonst?) und so weiter und so fort. Das sind Selbstverständlichkeiten. Die z.B. gern als „Qualitätsmerkmal“ angeführte Zertifizierung nach DIN ISO 9001 bietet lediglich Anhalt dafür, dass die Betriebsabläufe geordnet und die einzelnen Arbeitsschritte einer Person nachgewiesen werden können. Ebenso nichtssagend für die Gleichwertigkeit ist, ob die Werkstätten die Eurogarant-Qualitätsnorm erfüllen und Mitglied im Identifica Verbund sind.

Zur Frage welche Stundenverrechnungssätze bei fiktiver Abrechnung denn nun gelten sollen, gibt es unzählige Amts- und Landgerichtsentscheidungen, die entweder zu dem Ergebnis kommen, der Geschädigte müsse sich auf eine konkrete und günstigere Möglichkeit einer technisch einwandfreien Reparatur verweisen lassen oder könne auch bei einer fiktiven Abrechnung die Stundenverrechnungssätze einer Markenwerkstatt zu Grunde legen.

Jetzt gesellt sich eine Entscheidung des Amtsgericht Mitte dazu, dass sich von den bunten Expertisen erfreulicherweise nicht hat blenden lassen, sondern von der Versicherung genauer wissen wollte, woraus sich denn die behauptete Gleichwertigkeit der Reparatur ergebe. Nachdem die Versicherung das nicht konnte oder wollte und zur Zahlung verurteilt wurde, legte man erfolglos Berufung ein. Der 42. Kammer beim Landgericht Berlin war der Vortrag der Versicherung auch zu bunt, sie wollte kein Prüfgutachten, sondern ein konkretes Angebot der Werkstatt sehen.

Nach der von der Berufungsklägerin selbst genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 22. Juni 2010 – VI ZR 337/09 – Rn. 6 f., zit. nach juris = NJW 2010, 2725) verhält sich der Geschädigte – und so auch der Berufungsbeklagte – entsprechend dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. BGH, a.a.O.). Die Ausnahme von diesem Grundsatz ist, dass der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturrnöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen kann, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 7).

Diese Darlegung ist die Berufungsklägerin auch unter Berücksichtigung ihres Prüfgutachtens (…) schuldig geblieben. In dem Gutachten wird unter Hinweis auf die Eigenschaft als .Identica-Fachbetrieb“ bzw. „zertifizierter KFZ-Fachbetrieb“ die Qualifikation eines Betriebes umschrieben, ohne dass dabei mit der erforderlichen Mühelosigkeit deutlich würde, welche Qualitätsstandards darunter zu verstehen sind. Im Übrigen werden lediglich nach Art eines Textbausteins bestimmte Eigenschaften des Betriebes umschrieben, aus denen sich nach Auffassung des Gerichts nicht, jedenfalls aber nicht ohne Weiteres (i.e. ,mühelos“), die Gleichwertigkeit der Werkstatt herleiten lässt.

Soweit die Berufungsklägerin vorträgt, es sei ihr nicht möglich, ein Angebot vorzulegen, wohingegen es dem Geschädigten möglich sei, das Angebot einzuholen, greift diese Argumentation nicht durch. Streitig waren allein die höheren Stundenverrechnungssätze bzw „Lohnkosten“ (…) und nicht die sonstigen Arbeiten. Dementsprechend ist nicht ersichtlich, warum die Berufungsklägerin kein konkretes Angebot vorlegen konnte.

LG Berlin, Beschl. v. 16.01.2013, 43 S 136/12
AG Mitte, Urt. v. 04.07.2012, 110 C 3390/11

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Fundstück aus vergangenen Tagen

FahrwerksbeschädigungenBeim Aufräumen fiel mir eine Teilnahmebescheinigung aus dem Jahre 2004 in die Hände. Ich hatte seinerzeit die Gelegenheit, mich von einem Sachverständigen für motorisierte Zweiräder fortbilden zu lassen. Thema waren Fahrwerksbeschädigungen an motorisierten Zweirädern.

Zweieinhalb Stunden, die bis heute eigentlich ihre Wirkung zeigen, auch wenn sich in den letzten Jahren einiges an den Moppedfahrwerken geändert hat. Gelernt ist gelernt. Schließlich ist es mir ja auch gelungen, den einen oder anderen Rahmen selbst zu verbiegen. ;-)

Ich habe die Bescheinigung deswegen auch in Liste meiner Nachhilfestunden aufgenommen.

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Eine Harley ist keine „Spaßmaschine“

Nutzungsausfallentschädigung für ein verunfalltes Motorrad durchzusetzen, ist eine Wissenschaft für sich. Erst einmal muss man theoretisch überhaupt in der Lage sein, Motorrad zu fahren, was Fälle, in denen der Biker mit einem Haufen Metall und Schauben erst einmal wieder zusammengesetzt werden musste, schon einmal ausschließt.

Wenn man fahren könnte, die Maschine aber kaputt in der Gegend oder schlimmer noch, auf dem Schrottplatz herum steht, kommt es darauf an, ob es sich bei dem Motorrad „um einen Gegenstand handelt, auf dessen ständige Verfügbarkeit der Berechtigte für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist, wobei dieser Begriff eng auszulegen ist“. Sagt der BGH. Um es kurz auszudrücken, einen Pkw benutzt man täglich um von A nach B zu kommen, ein Motorrad nur zum Spaß.

In einer Entscheidung des Berliner Kammergerichts bezweifelten die Richter nicht, dass der Genuss der Freiheit, wie ihn die Benutzung eines Motorrades (es ging um eine Ducati) vermitteln mag, durch die Benutzung eines Pkw nicht ersetzt werden könne. Das Kammergericht wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass entgangener Fahrspaß grundsätzlich nicht erstattungsfähig sei. Der Kläger in dem Verfahren konnte ein vorhandenes Auto für Fahrten nutzen, dass er darüber hinaus auch auf sein Motorrad angewiesen war, konnte er nicht beweisen (KG, Beschl. v. 26.11.2003, Az: 12 U 181/03).

Eine der wenigen Entscheidungen, die hier pro Motorradfahrer ergangen sind, ist die des Oberlandesgericht Düsseldorf, das einem Harleyfahrer Nutzungsausfall trotz eines weiter vorhandenen Pkw zusprach. Da hier der Fahrspaß als „Schaden“ angesehen wird, steht die Entscheidung des Gerichts nicht im Einklang mit der spaßbefreiten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und stellt (leider) eine Ausnahme dar, ist aber wunderschön begründet.

Die Harley Davidson Electra-Glide FLHTI des Klägers befand sich wegen eines fehlenden Ersatzteils 78 Tage zur Reparatur in einer Fachwerkstatt. Für diesen Zeitraum verlangte der Kläger Nutzungsausfallentschädigung in Gesamthöhe vom rund 5.200 Euro. Das Motorrad war für das ganze Jahr angemeldet und nicht nur für reine Freizeitfahrten, sondern – je nach Witterungslage – auch für die Fahrt zur Arbeit genutzt. Die gegnerische Haftpflichtversicherung verweigerte die Zahlung mit dem Argument, dass dem Kläger für den Reparaturzeitraum ein Pkw zur Verfügung stand. Seine Ehefrau verfügte ebenfalls über einen privaten Pkw und ein weiteres Motorrad.

Das Landgericht Duisburg wies die Klage ab. Damit wollte sich der Kläger nicht zufrieden geben und legte Berufung zum OLG Düsseldorf ein, wo er auf offensichtlich motorradbegeisterte Richter traf:

Der hier zu beurteilende Gebrauchsvorteil der klägerischen Harley Davidson wird nun durch die Nutzung eines PKW nicht ersetzt. Die jeweiligen Nutzungswerte entsprechen sich nicht. Die beschädigte Harley Davidson Electra Glide ist ein Motorrad der Luxusklasse. Die Benutzung dieses besonderen Fahrzeugs befriedigt einerseits das Interesse des Klägers an Mobilität, bietet aber andererseits durch das im Vergleich zu einem PKW völlig anders geartete Fahrgefühl und die andersartige Art der Fortbewegung auch den spezifischen Gebrauchsvorteil, ein besonders hochwertiges, luxuriöses Motorrad zu fahren. Gerade diese besondere Art des Gebrauchs hat sich der Kläger erkauft. Dieser spezifische Gebrauchsvorteil ist daher als Äquivalent seiner vermögenswerten Aufwendungen für den Erhalt dieses Fahrzeugs unfallbedingt entfallen. Demgegenüber konnte er durch die Nutzung seines PKW nur einen Teil der Gebrauchsvorteile des Motorrads ausgleichen, nämlich nur die reine Funktion seines Fahrzeugs als Transportmittel. Der darüber hinausgehende Nutzungswert des beschädigten Motorrads ist daher “fühlbar” entgangen, so dass ein Ausschluss seines Nutzungsausfallentschädigungsanspruchs nicht gerechtfertigt ist. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.03.2008, Az: I-1 U 198/07)

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Nutzungsausfallschaden und das StrEG

Nur mal eben schnell zwischendurch ein Gedanke:

Am 26. September hatten der Düsseldorfer Kollege Udo Vetter in seinem law blog und ich hier (Schadensersatz für sieben Jahre Knast) über die Entschädigungen für zu Unrecht erlittene Haft berichtet.

Gegenstand beider Beiträge waren die Beträge, die „für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist“ vom Staat an den Geschädigten gezahlt werden müssen. Nach § 7 Strafrechtsentschädigungsgesetz (StrEG) beträgt die Entschädigung 25 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.

Anläßlich einer Unfallschadensregulierung haben wir für unseren Mandanten auch den Nutzungsausfallschaden für sein beschädigtes Motorrad geltend gemacht. Für eine verbogene MV Agusta F4 stehen dem Geschädigten 66 Euro für jeden angefangenen Tag der FreiheitsNutzungsentziehung zu.

Selbst für eine 34-PS-Gurke bekommt ein Nutzungsausfallgeschädigter 1 Euro mehr als ein Haftgeschädigter. Bei PKW beträgt der tägliche Satz mindestens 27 Euro bis maximal 99 Euro, viermal mehr wie für einen Tag bei Wasser und Brot.

Den Nutzungsausfallschaden für die schöne Italienerin hatten wir binnen zweier Monate nach dem Unfall auf dem Konto. Wie es jemandem ergeht, der 888 Tage zu Unrecht aufgrund massiver Fehler der Ermittlungsbehörden und einer Strafkammer beim Landgericht in Untersuchunghaft saß und anschließend freigesprochen wurde, kann man in der Süddeutschen nachlesen.

Udo Vetter bringt es auf den Punkt, wo mir die für die Öffentlichkeit geeigneten Worte fehlen:

Allerdings kann ich aus Erfahrung sagen, dass die deutsche Justiz in solchen Fällen meist verbissen um jeden Cent feilscht. Entschädigungsprozesse werden regelmäßig zu einer Kraft- und Geduldsprobe, selbst wenn keine überzogenen Ansprüche gestellt werden. Betroffene empfinden das oft als zweite Bestrafung.

Bild: Dieter Schütz / pixelio.de

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Abzug „Neu für Alt“

Die Auffassung, dass Motorradkleidung keinerlei Abnutzung bzw. keinem Wertverlust unterliegt, so dass der nach dem allgemeinen Schadensrecht anerkannte Grundsatz des Abzugs „Neu für Alt“ generell nicht greift, teilt der Senat nicht. Der besonderen Haltbarkeit der Ausstattung kann vielmehr durch moderate Schätzung im Rahmen des § 287 ZPO Rechnung getragen werden.

urteilte das OLG München am 01.07.2010 (1 U 5424/09)

Aus Sicht des geschädigten Motorradfahrers nicht erfreulich, aber in der Praxis ein Standard.

BTW: Ich habe noch ein paar gebrauchte Stiefel zu verkaufen. 8-)

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Grundlegendes zum Nutzungsausfall

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift DAR (2009, 230) kann man (noch einmal) die Voraussetzungen für den Ersatz des Nutzungsausfallschadens für Motorräder nachlesen.

Nutzungsentschädigung ist bei Beschädigung eines Kraftfahrzeugs nur dann zu zahlen, wenn der Halter auf die „ständige Verfügbarkeit“ des Kraftfahrzeugs für seine „eigenwirtschaftliche Lebenshaltung“ angewiesen ist und daher durch seinen Ausfall -eine „fühlbare vermögenserhebliche Entbehrung“ eintritt.

Dieser Grundsatz gilt für alle Kraftfahrzeuge – und sogar für Fahrräder. Für Motorräder gibt es aber Besonderheiten:

Der Halter des Kraftrades muss zur Begründung eines Anspruchs auf Nutzungsentschädigung nachweisen, dass er das Krad anstelle eines Pkw zur ständigen Nutzung, zu Fahrten zum Arbeitsplatz etc. gehalten hatte. Wird das Motorrad nur neben einem Pkw aus sportlichem Interesse, als Hobby, oder für die Freizeit gebraucht, kommt Nutzungsentschädigung nicht in Betracht.

Ein eigenes Auto neben dem Mopped ist also grundsätzlich schon problematisch.

Der Anspruchsteller muss darlegen, daß er praktisch Tag für Tag auf den Gebrauch seines Krades angewiesen war.

Das ist in vielen Fällen nicht einfach, besonders dann, wenn es sich um ein klassisches „Schönwetter-Motorrad“ handelt.

Gerade weil eben ein Krad häufig nur an bestimmten Tagen, am Wochenende oder bei guten Witterungsverhältnissen gefahren wird, müssen an den Nachweis des Nutzungswillens strenge Anforderungen gestellt werden.

Mit einer Fireblade fährt in der Regel kein Mensch im Winter zur Arbeit. Deswegen heißt es in dem DAR-Aufsatz weiter:

Hätte der Geschädigte das Krad z. B. nur bei schönem Wetter genutzt und einen vorhandenen Pkw in der Garage gelassen, muss er im Schadenfall auf den Pkw zurückgreifen.

Daß das Autofahren mit einer Fahrt auf dem Mopped nicht vergleichbar ist, wird in der Regel von der Rechtsprechung nicht anerkannt:

Der mit dem Verzicht auf das Fahren mit einem Motorrad möglicherweise verbundene Verlust an Spaß und Freude ist allenfalls ein immaterieller, nicht aber ein zu entschädigender materieller Schaden.

Das sind soweit einmal die Grundsätze.

Aber: Keine Regel ohne eine Ausnahme. Jeder Fall ist anders. Deswegen sollte bei einer Unfallschadenregulierung stets der Nutzungsausfallschaden erst einmal geltend gemacht werden. Welche Voraussetzungen dann im Konkreten knackig nachgewiesen werden müssen, ergibt sich aus den weiteren Verhandlungen.

Besten Dank an Rechtsanwalt Jürgen Melchior, Wismar, für den Hinweis auf den DAR-Artikel.

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Haftung für’s Schnellfahren

Das Oberlandesgerichts Koblenz urteilte am 8. Januar 2007 (Aktenzeichen: 12 U 1181/05) über den folgenden (Un-)Fall:

Ein Motorradfahrer fuhr mit mindestens 190 km/h auf ein Fahrzeug auf, das auf der Autobahn in Höhe einer Auffahrt mit 110 km/h auf die linke Spur wechselte. Bei dem Unfall wurden alle Beteiligten verletzt und die Fahrzeuge beschädigt. Der Motorradfahrer hatte den Spurwechsel des Autofahrers als unachtsames Ausscheren wahrgenommen und verlangte vor Gericht Schadensersatz und Schmerzengeld in fünfstelliger Höhe. Seinen eigenen Haftungsanteil bezifferte er auf lediglich 25 Prozent.

Das sahen die Richter anders. Da keinem der Unfallbeteiligten ein Verschulden nachgewiesen werden könne, müsse die jeweilige Betriebsgefahr gegeneinander abgewogen werden. Als Betriebsgefahr wird im Straßenverkehr die Gefahr bezeichnet, die schlicht der Betrieb eines Kraftfahrzeugs mit sich bringt. Zu Lasten des Autofahrers gewichtete das Gericht den auf Autobahnen bei herannahendem Verkehr immer gefahrvollen Fahrspurwechsel, zu Lasten des Motorradfahrers die hohe Geschwindigkeit, mit der er auf der linken Spur fuhr. Eine derartige Überschreitung der Autobahn-Richtgeschwindigkeit von 130 km/h sei zwar erlaubt, wenn keine Begrenzung vorliegt. Der Mann habe aber nicht mehr rücksichtsvoll und unfallvermeidend fahren können, und so ein erhebliches Gefahrenpotential geschaffen. Zu dem Auffahrunfall wäre es nicht gekommen, wenn der Motorradfahrer die Richtgeschwindigkeit eingehalten hätte, betonten die Richter. Im Endeffekt muss der Kläger deshalb 50 % des Schadens tragen.

Quelle: Verkehrsanwälte

Einmal mehr sollte man im Hinterkopf behalten, daß nicht alles, was erlaubt ist, auch sinnvoll ist. Wenn man im ICE-Tempo über die Autobahn fährt, ist das zwar nicht verboten. Es könnte aber zur erheblichen Mithaftung führen, wenn man das – unverbindliche – Limit von 130 km/h überschreitet. Die Richter sind da manchmal zu wenig mitfühlend …

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