§ 266a StGB: Verjährung erst nach 45 Jahren?

Die Vorschriften über die Verjährung stellen – bis auf eine Ausnahme – hohe Anforderungen an die Rechtsanwender. Die eine Ausnahme ist überschaubar in § 78 Abs. 2 StGB geregelt und lautet:

Verbrechen nach § 211 StGB (Mord) verjähren nicht.

Ok, der war locker, versteht jeder.

Wenn man sich nun aber den § 78 StGB im Übrigen anschaut, gibt es ansonsten ein paar Differenzierungen: Je höher die vom Gesetz angedrohte (Freiheits-)Strafe ist, desto länger dauert’s, bis die Verfolgung eingestellt werden muß, weil das Verfahrenshindernis „Verjährt!“ vorliegt.

Ganz einfach? Ganz bestimmt nicht!
Denn sonst brauchte man ja keine Strafverteidiger. ;-)

Ernsthaft schwierig wird es schon, wenn es um den Verjährungsbeginn (§ 78a StGB) geht. Auf die anderen Probleme wie Ruhen (§ 78b StGB) und Unterbrechung (§ 78c StGB) will ich hier nicht eingehen.

Es geht in diesem Beitrag um diesen unscheinbaren ersten Satz des § 78a StGB:

Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist.

Bei einem in die Luft gesprengten Geldautomaten ist die Sachbeschädigung (§ 303 StGB) beendet, wenn der Rauch sich gelegt hat. Das ist geschenkt.

Wie es aber aus mit dem „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“, auch bekannt als „Nichtabführen von Sozialabgaben“, § 266a StGB? Wann beginnt hier der Sand zu rieseln?

Die Beendigung beim Tatbestand des § 266a StGB entspricht dem Zeitpunkt des Erlöschens der Beitragspflicht. Wir müssen jetzt also nicht nur ins Strafgesetzbuch schauen, sondern auch noch in das Sozialgesetzbuch IV. Dort findet man den § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV.

Der regelt, daß Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge an die Krankenkassen in – Achtung! – dreißig (30!) Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind, verjähren.

Das bedeutet für einen Arbeitgeber, der bewußt und gewollt, zumindest aber bedingt vorsätzlich einen Scheinselbständigen beschäftigt, 30 Jahre plus die Verjährung für den § 266a StGB (das sind nochmal 5 Jahre) mit der Strafverfolgung rechnen sollte.

Und wenn ich jetzt einmal einen ganz bösen (aber keineswegs völlig abwegigen) Fall konstruiere, komme ich auf eine Verjährungsfrist von insgesamt 45 Jahren. Da freut sich die Deutsche Rentenversicherung im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den Hauptzollämtern.

Wer die richtige Normenkette für die möglichen 15 Jahre als erster in die Kommentierung schreibt, dem schicke ich (nach Ostern) eine Tafel Schokolade.

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Bild: © BirgitH / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Kanzlei Hoenig Info veröffentlicht.

12 Antworten auf § 266a StGB: Verjährung erst nach 45 Jahren?

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  2. 2
    Rene says:

    Naja, allein die 30 Jahre können sich arg nach hinten schieben, da nach § 25 Abs. 2 S. 1 SGB IV u.a. § 212 BGB Anwendung findet. Nun kann also der Betrag festgesetzt werden und anschließend versucht werden zu vollstrecken. Mit jeder vorgenommenen (behördlichen!) Vollstreckungshandlung beginnt die Verjährung von neuem, § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Damit verschiebt sich der Beginn der 30-Jahresfrist immer weiter und die Verjährung immer weiter nach hinten :-)

    Aber zu den 15 Jahren:
    Ausgangspunkt ist die Unterbrechung der Verjährung nach § 78c StGB. Die Verjährung beginnt dann von neuem, § 78c Abs. 3 S. 1 StGB. Begrenzt auf maximal das doppelte der Verjährung, § 78c ABs. 3 S. 2 StGB, also damit 10 Jahre.

    Nach § 78c ABs. 3 S. 2 StGB bleibt 78b StGB unberührt. Damit ruht die Verjährung nochmal 5 Jahre, wenn das Hauptverfahren vor dem Landgericht eröffnet wurde, da für den besonders schweren Fall nach § 266a Abs. 4 StGB sechs Monate bis zehn Jahre angedroht sind, § 78b Abs. 4 StGB.

    Das macht summa sumarum 15 Jahre auf die 30 Basis-Jahre der zivilrechtlichen Verjährung drauf.

  3. 3
    Matthias says:

    Da wartet der juristisch Interessierte Laie und Bedienstete von der Deutschen Rentenversicherung Bund gespannt auf die Auflösung.

  4. 4
    Michael Lorenz says:

    dann probiere ich es mal:
    § 266aStGB i.V.m. § 78aStGB i.V.m. § 25 II SGB IV i.V.m. § 852 BGB

  5. 5
    Pagel says:

    Ich verstehe nicht, warum Sie für den Verjährungsbeginn nach § 78a StGB die Beendigung der Tat mit dem Ablauf der Verjährung der Ansprüche d er Sozialversicherung gegen den Täter gleichsetzen.

  6. 6
    Pagel says:

    Um mein Unverständnis verständlicher zu machen:

    Knüpft § 266a StGB – statt an den Ablauf der Verjährung nach § 25 SGB IV – nicht an die Fälligkeit des Beitrages nach §23 A bs. 1 SGB IV an?

  7. 7
    Der wahre T1000 says:

    Wieso Schokolade erst nach Ostern? Wollen Sie erst abwarten, welche Tafel die Nichte nicht mag?

    *Flücht*

  8. 8
    Der wahre T1000 says:

    @Pagel: Verstehe ich zwar auch nicht, ich würde das eigentlich an die Fälligkeit knüpfen, aber ich rate mal:

    – die Zahlung der Abgaben ist eine Pflicht, Das Unterlassen der Zahlung ist die Tat. Und diese Tat hält an, solange nicht gezahlt wurde.

  9. 9
    die andere Seite says:

    Und nicht zu vergessen:
    Der Säumniszuschlag.
    1 Prozent.
    pro Monat.
    Ab erster Fälligkeit.

    Nette Rendite

  10. 10
    Michael Lorenz says:

    @pagel @Der wahre T1000
    erst wenn die Forderung verjährt ist, besteht keine Pflicht mehr, diese zu zahlen. Dann kann das Nicht-zahlen auch nicht mehr vorgeworfen werden

  11. 11
    pagel says:

    Hab´s kapiert:
    „Schuld“ ist wohl der BGH, Beschluss v. 27.09.1991, Az. 2 StR 315/91.
    In der Konsequenz heißt das, die Krankenkasse hat mit dem Betreiben oder Nichtbetreiben der Vollstreckung den Zeitpunkt der Verjährung des § 266a StGB in der Hand.

  12. 12
    Osterschoki says:

    §§ 266a, 78 ff. StGB.