Keine Füße mehr unterm Gesäß

Manche Mandanten machen es ihrem Verteidiger echt nicht leicht.

In erster Instanz wurde der Mandant aufgrund einer Indizien-Gesamtschau – also auf Grundlage ungesicherter Beweise – und einer „Es-steht-zur-Überzeugung-des-Gerichts-fest„- Bewertung der Sachlage zu einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.

Es waren zwei Taten, die man ihm zur Last legte; nur eine der beiden hatte er eingeräumt, das war der versuchte Diebstahl eines alten Fahrrads – im besoffenen Kopf. Dafür gab’s noch eine Geldstrafe, die in die Gesamt-Freiheits-Strafen-Bildung eingeflossen ist.

Ich habe für ihn eine (Teil-)Berufung eingelegt. Ziel dieses Rechtsmittels war eine Strafaussetzung zur Bewährung. Das war durchaus engagiert, weil das Strafregister des Mandanten bereits gut gefüllt war. Die letzten beiden Freiheitsstrafen wurden nach zwei- bzw. vierjähriger Bewährungszeit erlassen. Kurz danach soll er die neuen Taten begangen haben.

Wir haben an der positiven Sozialprognose gearbeitet (Arbeitsplatz, feste Beziehung, soziales Engagement im Verein der angeblich Geschädigten, Aussöhnung …) und deswegen war auch vor dem Hintergrung meines Berufsoptimismus‘ mehr als nur ein Silberstreif am Horizont erkennbar. Die Strafaussetzung zur Bewährung hätte also gut funktionieren können.

In der Vorbereitung auf die Berufungshauptverhandlung finde ich in der Akte folgende Mitteilung der Staatsanwaltschaft zu einem anderen Aktenzeichen:

Zwischen der erstinstanzlichen Verurteilung und der Berufungshauptverhandlung soll der Mandant augenscheinlich eine weitere Tat begangen haben! Das sind solche Momente, in denen einem Verteidiger beide Standbeine knapp unterhalb der Hüftgelenke beiseite gezogen werden. Aber man wächst ja mit der Aufgabe …

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Bild: © Alexandra H. / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Mandanten veröffentlicht.

3 Antworten auf Keine Füße mehr unterm Gesäß

  1. 1
    Der wahre T1000 says:

    Jeder kann mal Fehler machen und in die Mühlen der Justiz geraten. Manchmal sogar ohne Absicht; Ist mir auch einmal passiert. Gut, wenn dann nicht gleich die ganz große Keule rausgeholt wird.

    Wer, wie Ihr Mandant, eine gefüllte Akte hat und immer wieder neuen Unsinn anstellt, der ist allerdings uneinsichtig.

    Es gibt Menschen, die brauchen einen Denkzettel, bevor sie sich ändern. Und offenkundig ist eine Bewährungsstrafe im Kopf der Betroffenen oft gar keine Strafe. Man gewöhnt sich, gerade bei mehrfacher Bewährung, dran und nimmt es locker.

    Sie als Strafverteidiger müssen sich auf die Seite der Mandanten stellen, innerlich und Dritten gegenüber. Gut, wenn der Blick des Gerichts dann etwas neutraler ist.

  2. 2
    WPR_bei_WBS says:

    Na na na, wehe, das haette jemand anderes so geschrieben ;-): was kann ihr Mandant denn für eine ungerechtfertigte Beschukdigung?

  3. 3
    HugoHabicht says:

    Gibt halt Menschen, bei denen ist es besser, wenn man ihnen mal eine Zeit lang nicht auf der Straße begegnet.