Sprachprobleme der Schuster

OLYMPUS DIGITAL CAMERANicht nur normale Menschen unterscheiden sich von Juristen, was die Sprache angeht. Sondern auch Juristen untereinander.

Bene­dikt Meyer berichtet in seinem ZPO-Blog über die Risiken eines Adhäsionsantrags im Strafverfahren und zitiert eine Entscheidung des des Bun­des­ge­richts­hofs vom 20.01.2015 – VI ZR 27/14.

Im dem zugrunde liegenden Fall erhoffte sich der Geschädigte einer Körperverletzung ein Urteil des Strafrichters, in dem er den Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgelds verpflichtete. Das ist aus Sicht des Geschädigten grundsätzlich ein relativ bequemer und kostengünstiger Weg, einen Ausgleich für seinen (Personen-)Schaden zu erhalten.

In diesem Fall machte der Geschädigte – aus meiner Sicht als Strafverteidiger – aber gleich zwei grobe Fehler:

1.
Er rief keine konkrete Zahl auf und überließ es so dem Strafrichter, die Höhe zu beziffern. Das mag im Zivilprozeß sinnvoll sein. Wenn dort jemand 10.000 Euro fordert und er bekommt nur 5.000 Euro, bleibt er auf der Hälfte der Gerichts- und Anwaltskosten sitzen. Ein vergleichbares Risiko besteht im Adhäsionsverfahren nicht.

2.
Noch schlimmer ist aber, daß der Adhäsionskläger bzw. sein Rechtsanwalt den Mund nicht aufgemacht hat. Warum fragt er den Richter nicht einfach rechtzeitig, welcher Betrag am Ende hinten rauskommen wird? Im Strafprozeß ist es üblich, über das voraussichtliche Ergebnis des Verfahrens offen zu sprechen. Hätte eine solche Kommunikation stattgefunden, wäre es dem Rechtsanwalt des Geschädigten möglich gewesen zu reagieren, wenn der Richter nicht so will, wie er es wünscht. Zum Beispiel hätte er den Adhäsionsantrag schlicht und ohne böse Kostenfolgen zurücknehmen können, § 404 Abs. 4 StPO. Dann kann er seinen Anspruch vor einem Zivilgericht erneut verfolgen. Hier hat der Strafrichter jedoch abschließend entschieden, und damit ist der Deckel zu, wie der BGH zutreffend entschieden hat.

Vielleicht wäre es insgesamt sinnvoll, wenn Zivilisten im Strafprozeß und Strafverteidiger im Zivilprozeß sich entweder vom jeweiligen Spezialisten beraten ließen. Oder einfach nicht in fremden Teichen zu fischen versuchen. Das Risiko, den jeweils anderen nicht (richtig) zu verstehen, ist groß.

Ob das Sprichwort mit dem Schuster und seinen Leisten hier zutrifft, wird die Strafverteidigerin, Sprichworttesterin und Damenschuhspezialistin Kerstin Rueber bestimmt irgendwann mal prüfen.

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Bild: © CFalk / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Rechtsanwälte, Strafverteidiger, Zivilrecht veröffentlicht.

5 Antworten auf Sprachprobleme der Schuster

  1. 1
    roflcopter says:

    Oder man holt sich nur eine Titulierung dem Grunde nach und lässt die Zahl beim Zivilrichter festsetzen ;)

  2. 2
    Intercepta says:

    So verlockend das Adhäsionsverfahren auf dem Papier für das Opfer sein mag, es ist für den Strafverteidiger derzeit eher fremdes Land – und wird regelmäßig nicht zur Durchsetzung der Opferansprüche in den Strafprozess eingebracht – eben weil Strafverteidiger wohl zu wenig Übung haben. Ein Teufelskreis. Und das ist schade – und für das Opfer gefährlich, wenn sich ein Strafverteidiger überschätzt oder vom Mandanten dazu genötigt wird.

  3. 3
    VRiLG says:

    Die Kompetenzprobleme (Straf-/Zivilrichter, Strafverteiger/Zivilproessanwalt) ließen sich praxisgerecht lösen, wenn § 406 Abs. 1 S. 2 StPO konsequenter angewandt würde. Durch ein Grundurteil im Strafverfahren würde die Haftung feststehen, der Zivilrichter müsste dann nur noch zur Höhe entscheiden, wenn über den Betrag keine Einigung herbeigeführt werden kann und der Strafrichter müsste sich nicht durch die Schmerzensgeldtabelle quälen.

  4. 4
    Trauma says:

    Was passiert eigentlich, wenn ein Adhäsionsantrag bei einem gewerbsmäßigen Betrugsfall gestellt wurde, aber das den Einzelfall betreffende Verfahren nach § 154 StPO eingestellt wird, da nur die Fälle von anderen Geschädigten mit größeren Schadenssummen zur Anklage gebracht werden?

  5. 5
    ct says:

    Auch im zivilrechtlichen Schmerzensgeldprozess sollte in der Regel eine konkrete Zahl aufgerufen werden, allerdings als Mindestbetrag. Andernfalls fehlt es an der Beschwer für ein Rechtsmittel, wenn der Richter dann nur einen Kleinbetrag zuspricht. Wenn man den Betrag konservativ schätzt, ist auch das Kostenrisiko überschaubar.

    Aber im Kern bin ich bei Herrn Hoenig, wenns um Schuster und deren Leisten geht.