Schutz des Sonntags aus religiös-christlicher Tradition

683124_web_R_B_by_Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft (IESM)_pixelio.deEs war ein entspanntes Wochenende. Erst die Fortbildung der Vereinigung Berliner Strafverteidiger von Freitag auf Samstag in Bad Saarow – inklusive An- und Abreise per Fahrrad. Dann ein trödeliger Sonntag mit Freunden auf den Mountainbike durch den Grunewald. Die harte Konsequenz: Leerer Kühlschrank, denn zum Einkaufen kommt man ja nicht.

Egal; wir leben ja in der Hauptstadt, im quirligen Nordneukölln. Der Plan für’s Abendessen: Eine Flasche Wein vom Türken im Späti und ein paar halbe Hähnchen aus dem CITY CHICKEN am lauen Sommerabend auf dem Balkon. Aber da hatte ich die Rechnung ohne die Verwaltung gemacht.

Sonntags haben die Läden nämlich geschlossen zu sein. Auch Spätis. Basta! Ich habe mich dann mühsam durch fröhliche Menschen geschlängelt, die vor den Kneipen gegessen und getrunken haben. Bis zur Tankstelle. Dort habe ich dann die letzte (!) Flasche Wein (naja, es stand jedenfalls Wein auf dem Etikett) aus dem Regal genommen, habe nach 5 Minuten Wartezeit vor der Kasse zahlen können (die anderen Kunden vor mir haben sich ebenfalls mit Alk und sonstigen Lebensmitteln versorgt) und bin zum Araber, der die Grill-Hähnchen verkauft. Wieder durch die Menschenmengen vor Kneipen und Cafés.

Im Geflügelrestaurant habe mich dann in die Schlange eingereiht, um 20 Minuten später das Grillgut mit den Beilagen in der Tüte entgegen nehmen zu können. Die Leute, die hinter der Theke herumwuselten, konnte ich nicht zählen, es waren zuviele, ca. zehn oder mehr.

Alles lebt hier in der Stadt, sonntagsabends um 20 Uhr. Deswegen lebe auch ich gern hier. Der einzige Laden, der geschlossen hat, ist der Spätkauf. Das muß so sein, sagt der BerlLadÖffG-Geber.

Anmerkung:
Über die Hintergründe berichtete 2012 die Berliner Zeitung
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Bild: © Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft (IESM) / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter In eigener Sache, Neukölln veröffentlicht.

16 Antworten auf Schutz des Sonntags aus religiös-christlicher Tradition

  1. 1
    Kerstin says:

    In vielen Bundesländern würde ich die Argumentation mit der „religiös-christlichen Tradition“ gelten lassen. In Berlin lasse ich das nicht gelten.
    Grund: Berlin ist sowas von weg von einer religiös-christlichen Tradition, dass man das Argument nun wirklich nicht mehr bringen kann. Gerade in den ehemaligen Ostbezirken findet man nun wirklich nur wenige Menschen, die christlichen Glaubens sind.

    Einen Wochentag als Familientag für einen Arbeitnehmer zu schützen, finde ich durchaus in Ordnung – unabhängig von irgendeiner Religion. In Berlin kann man nun wirklich von Montag 6 Uhr bis Samstag 22 Uhr durchgehend einkaufen – selbst Nachts um 3 Uhr findet man irgendwo noch einen Edeka, der offen hat. Ich denke, dass es wirklich jedem Menschen möglich und zuzumuten ist, außerhalb der Zeit von Samstag 22 Uhr bis Montag 6 Uhr seine Einkäufe zu erledigen.

    Unabhängig davon, Was die Spätis angeht: Die sind natürlich ein Berliner Unikat und extra darauf ausgelegt, außerhalb der normalen Öffnungszeiten offen zu haben. Hier ist wirklich die Stadt Berlin gefragt, eine Ausnahmeregelung – ähnlich wie bei den Tankstellen – zu finden, damit diese auch am Sonntag geöffnet haben dürfen.

    Was die Qualität des Weins angeht: Ich weiß nicht, welche Spätis Sie kennen, Herr Hoenig, aber die mir vertrauten Spätis haben keine bessere Auswahl an Weinen als das, was eine gewöhnliche Tanke vor Ort hat. Einen Sommelier habe ich dort noch nicht angetroffen. :-)

  2. 2
    WPR_bei_WBS says:

    Schlimm genug. Aber wo wir schon bei religiöser Zwangsbeglückung sind, sollten auch die lächerlichen Feierverbote an „stillen Feiertagen“ nicht unerwähnt bleiben. Von wegen Religion und Staat sind getrennt…

  3. 3
    Drucker says:

    Den „trödeligen Sonntag“ sollte man ruhig auch den Beschäftigten im Einzelhandel gönnen, ganz gleich, wegen welcher Tradition nun ausgerechnet der Sonntag als freier Tag festgesetzt wurde. Und die Inhaber vom Wettbewerb der Selbstausbeutung zu entlasten, ist auch keine schlechte Sache.

    Ein Wochenende kommt nicht so überraschend, dass man dafür nicht vorplanen könnte. Und wenn im Ernstfall das Geld nicht soweit reicht, dass der Herr Strafverteidiger sein Abendessen in einem günstigen Restaurant einnehmen kann (besondere kulinarische Ansprüche scheinen ja nicht bestanden zu haben), dann sollte er eher die Rentabilität der Kanzlei hinterfragen als die geltende rechtliche Situation.

  4. 4
    Geflügel Paule says:

    Für die entsprechende Bezahlung arbeitet ein Rechtsanwalt auch Sonntags? Ja, bestimmt nur wie ist es mit den Verkäufern? wer schützt diese wenn die dann nur noch schuften? Wir können es ja mal so lassen wie es ist.Ist doch Sonnabends auch Zeit und falls nicht nun dann kann man ja auch in die Kneipe gehen ;-)

  5. 5
    Carom says:

    Dann bitte auch die total unnötigen sog. „christlichen“ Feiertage wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten abschaffen – Nervkram, man kommt nicht zum Einkaufen, ich muss stööörben!!1!! Aber echt, ey: Wer bleibt denn gern zuhause und kann dann noch nichtmal einkaufen? Alle Feiertage müssen weg!!

    (Noch alberner finde am Vortrag des Blogherrn, dass es um die extrem gut lagerbare Luxusware Wein geht – von einem Akademiker erwarte ich da kompetentere Lösungen als den in planlos letzter Minute erfolgenden Griff zum Späti-Lambrusco :P )

  6. 6

    Was mir gerade noch so einfällt:

    An der Tanke arbeitetete ein angestellter Mitarbeiter. Sonntags. Nachts. Rund um die Uhr.

    In dem Späti bei uns um die Ecke (wie in den meisten anderen auch) arbeiten die Ladeninhaber (in Neukölln und Kreuzberg überwiegend keine christlich geprägten) noch selbst.

    Warum bekomme ich dann sonntagabends einen französischen Weißweinverschnitt an der Tankstelle, während ich bei meinem Lieblings-Spätitürken keinen Bioriesling für eine Weißweinschorle zum Hähnchen kaufen DARF?

    Verstehen kann man das nicht.

  7. 7
    opatios says:

    Weil eine Flasche Wein unverständlicherweise zu „Reisebedarf“ gezählt wird, genau wie Schnittblumen.

    Der „Späti“ sollte in einen Bahnhof einziehen. ;-) Da *darf* er sonntags weite Teile seines Sortimentes anbieten (siehe „Reisebedarf“ im Ladenschlussgesetz).

  8. 8
    Juliane says:

    Die Stadt Berlin hat aber auch die Lösung parat:
    http://www.berlin.de/special/shopping/sonntag/supermaerkte/

  9. 9
    jochen says:

    Nicht nur die Kirchen wollen den Sonntag frei haben, sondern auch Gewerkschaften, SPD und Linke.
    Auch die Weimarer Verfassung beschränkt den freien Sonntag jetzt auch nicht auf religiöse Beschäftigungen, sondern setzt in allgemein als Erholungstag fest.

  10. 10
    Rosa Luxemburg says:

    Was der liebe Herr Hoenig vermutlich nicht weiß, ist die Tatsache, dass die allermeisten christlichen Feiertage, die auf Werktage fallen, wie zB Ostermontag, Pfingstmontag, 2. Weihnachtstag sämtlich von den Gewerkschaften durchgeboxt wurden.

    In deutlich christlicheren Ländern (Italien, USA…) lacht man sich einen Ast über die „christlichen“ Feiertage in Europa.

    Aber ist doch schön, dass man dem Herrn CRH auf diese Weise noch etwas Nachhilfe in deutscher Sozialgeschichte geben kann.

  11. 11
    RA RR says:

    Was haben diese Menschen alle gemeinsam?

    – Polizisten
    – Piloten
    – BVG-Fahrer
    – Lokführer
    – Catering-Mitarbeit / Ordner im Stadion etc.
    – Stadtreinigung bzw. grundsätzlich Putzkräfte (zB auf Bahnhöfen)
    – Ärzte / Pfleger im KH
    – Tankstellenverkäufer
    – Pastoren ;)
    – Servicemitarbeiter (zB Callcenter)
    – Der gesamte Gastro-Bereich
    – Hotelmitarbeiter
    – Angestellte in Bädern, Parks,…

    mehr fällt mir gerade nicht ein.

    Die alle müssen bereits an anderen Tagen „bummeln“.
    Besten Gruß

  12. 12
    Steffen says:

    Anwälte haben Sonntags auch zu. Woanders gibt es sowas wie Spätverkauf gar nicht. Und dort überleben die Leute das Wochende auch…

    • Unsere Kanzlei, und im Ernstfall auch mich, erreichen Sie rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche. Genauso lang und oft, wie Sie die Polizei erreichen möchten. Oder den Tankwart um die Ecke, bei dem Sie eine Flasche Weißwein oder eine Dose Eierravioli kaufen können. crh
  13. 13
    Kerstin says:

    @Carom: In Berlin hat man doch viele dieser „total unnötigen christlichen“ Feiertage eh schon abgeschafft. In Bayern hat man an „Heilig Drei König“, „Fronleichnam“, „Maria Himmelfahrt“ und „Allerheiligen“ als Arbeitnehmer frei. Wenn man in Augsburg wohnt, kommt noch das „Friedensfest“ hinzu. Effektiv sind das fünf Urlaubstage mehr als in Berlin.
    Man kann sich jetzt über diese fünf freien Tagen freuen oder jammern, dass man an diesen Tagen keinen „Bioriesling“ für seine Weißweinschorle kaufen kann.

    @Herr Hoenig: Wirklich guten Wein habe ich im Späti wirklich noch nicht gefunden. In den Spätis, die ich kenne, bekommt man Weine, die auf dem gleichen preislichen und qualitativen Niveau einer Tankstelle liegen.
    Wirklich guten Wein kauft man doch eh nicht im Supermarkt. Ich empfehle, da mal mit Freunden eine Weinprobe durchzuführen und sich dann mal ein paar gute Tropfen in den Keller einzulagern.

    @WPR bei WBS: Berlin hat Tanzverbote nur am Karfreitag, Totensonntag und am Volkstrauertag, jeweils von 4-21 Uhr. Da kann man abends ab 22 Uhr schon wieder problemlos in die Disco. Der Volkstrauertag hat übrigens keine christliche Tradition, sondern ist ein staatlicher Gedenktag, an dem man den in den Kriegen gefallen Personen und den Opfern der Gewaltherrschaft (z.B. drittes Reich) gedenken soll.
    Ehrliche Meinung: Wenn es am 31.12. um 0 Uhr okay sein soll, dass die Nachtruhe aufgehoben ist und man beruhigt seine Böller in die Luft jagen darf ohne wegen Ruhestörung verklagt zu werden, kann doch dafür auch wirklich mal an ein paar anderen Tagen etwas Ruhe eingefordert werden.

  14. 14
    klausi says:

    mein späti in der hermannstraße hat immer auf (ob legal oder nicht weiß ich nicht

  15. 15
    cho says:

    @RA RR / #11:
    Die Auflistung ist schon eine gute Grundlage! :)
    Es fehlen aber die Techniker, Techniker und Techniker… ;) Denn ohne gar nicht mal so wenige Fachleute würden am Sonntag auch keine Geldautomaten, Telefone, Fernsehsender und viele andere Sachen funktionieren. Der Strom zum Betrieb der Geräte käme dann auch nicht aus der Steckdose.. Und der Onlineshop des Vertrauens würde auch keine Bestellungen annehmen können.

    Ich erwähne das aus eigener Erfahrung und auch ganz explizit, weil es immer mehr werden. Bei uns muss jeder an jedem Tag des Jahres arbeiten können – wir können auf keinerlei persönliche Gründe wie die Religion Rücksicht nehmen und machen dies auch nicht. Ich erwarte also ehrlich gesagt das gleiche von dem ach so armen Personal im Einzelhandel. Wenn ich dazu nicht bereit wäre, würde ich mir einen anderen Beruf suchen. Das kann man auch, wenn man im EZH angestellt ist und solche Arbeitszeiten nicht mag.

  16. 16
    Martin S. says:

    Ich bin Christ – praktizierender Christ, ich gehe also nicht nur Ostern und Weihnachten in die Kirche. Mir bedeuten christliche Werte etwas und ich versuche im täglichen Leben mich davon leiten zu lassen.

    … und ich bin Jurist.

    Es gibt weitaus dramtischere Auswüchse des real existierenden Rechtsstaates, wie der braune Mief in Gesetzen, noch immer bestehenden Urteilen und in Spruchkörpern infolge der Weitergabe von Ansichten über Generationen hinweg.

    Aber die Sonntagsruhe ist eben auch ein solches Relikt, das ich weder als Christ (!) noch als Jurist verstehen oder bejahen könnte.

    Sonntags- oder Karfreitagsruhe entsteht nicht dadurch, dass man sie staatlich verordnet. Sie ist eine Frage der inneren Haltung. Diese erfährt natürlich auch Veränderung. Waren dereinst zu biblischen Zeiten Nahrungserwerb und -beschaffung noch so überlebenswichtig, dass man sich täglich damit beschäftigen musste, blieb keine Zeit für religiöse oder andere Aktivitäten.

    Doch diese alttestamentarischen Zeiten sind zum Glück vorbei.

    Heute kann ich am Sonntag Vormittag den Gottesdienst feiern und am Nachmittag fahre ich, diesen Tipp kann sich auch Herr Hoenig zu Herzen nehmen, wenn es wieder mal ganz dringend ist, zu unseren östlichen Nachbarn 1,5 Stunden über die Autobahn nach Stettin. Dort in diesem ultrakatholischen Land gibt es keine (!) Sontags – oder Karfreitagsruhe. Niemand käme auf die Idee sie einzufordern.

    Vor der Wende dagegen war es am Sonntag, wohl auch aus wirtschaftlichen Gründen auch dort ruhig.

    Heute aber pulsiert in den Einkaufszentren das Leben.

    Und ja, in Zeiten, in denen die Nahrungsbeschaffung in unseren Breiten glücklicherweise zu einem simplen Bezahlvorgang degeneriert ist, ist es meine Form der Sontagsruhe, dass ich in den großen Märkten dort in Ruhe (!) shoppen gehen kann.

    Diese wirklich in der Mehrzahl streng gläubigen Polen können rund um die Uhr einkaufen. Nicht alle Märkte und Läden machen da mit, müssen sie ja auch nicht. Das ist der Vorteil einer liberalen Wirtschaftspolitik.

    Geschlossen haben alle nur am wirklichen Hochfest in Polen: Allerheilgen. Aber das feiert da gefühlt auch wirklich jeder.

    Die Sonntagsruhe ist aber auch materiell gesehen ein Catch 22 des Grundgesetz. Mag sie zu Zeiten ihrer Entstehung noch von der breiten Masse mitgetragen worden sein, so kollidiert sie heute mit persönlichen (Berufs)Freiheitsrechten und stellt eine unzulässige Bevorteilung einer Religionsgruppe dar. Gleichzeitig verdonnert sie gleich mal massenweise Atheisten und Andersgläubige mitzuziehen, egal ob sie wollten.

    Jesus Christus hätte insbesondere das letztgenannte nicht gewollt!