Gossenjournalist greift Verteidiger an

Jetzt muß ich doch mal mit einem Prinzip brechen und in den Untergrund des Journalismus verlinken. Also in den Bereich der verbalen Kathederbeutel.

Der sich selbst irrtümlich als Reporter bezeichnende Matthias Becker vertritt (wohl gemeinsam mit seinen Komplizen Anne Pauly und Olaf Wagner) die Ansicht, eine Drehgenehmigung der Gerichtsverwaltung rechtfertige Persönlichkeitsverletzungen. Die gegenteilige Ansicht wird vertreten von einem Rechtsanwalt, der mir persönlich als engagierter Verteidiger und kompetenter Vertreter der Interessen seiner Mandanten bekannt ist.

Aus der irrwitzigen Sicht jenes boulevardesken Meisters der Tiefschlagzeilen haben es Angeklagte und deren Angehörige im Gericht hinzunehmen, wenn die Paparazzi mit ihren Geräten wehrlose Speichermedien mißhandeln. Angehörige …

einer südländischen Großfamilie, die zusammen mit einem mutmaßlichen Komplizen einen Mann (46) auf der Straße schwer verletzt haben sollen

… haben in den Augen dieser Borderline-Publizisten stillzuhalten. Für den Ausschluß der Öffentlichkeit in Jugendstrafsachen haben Boulevardhaubitzen natürlich kein Verständnis. Woher auch? Bei der Erziehung, die diese Menschen genossen haben müssen.

Als die Mutter der Angeklagten um 11.50 Uhr den Saal verlässt, wollen die Reporter ihr eine Frage stellen, die Kamera läuft. Antworten möchte sie nicht, stattdessen fordert sie dazu auf, mit dem Filmen aufzuhören.

Was gibt diesem großmäuligen Journalistoiden eigentlich das Recht, sich über diese Art von Aufforderung hinweg zu setzen? Das weinerliche Gestammele in diesem Beitrag zeigt, daß er entweder das Prinzip nicht verstanden hat, für das er eigentlich einstehen sollte. Oder er setzt sich bewußt darüber hinweg. Dafür gebührt ihm mehr als nur ein Klaps auf den Arm.

Ich gratuliere dem Kollegen Hansgeorg B. zu seinem beherzten Einschreiten für die Rechte seines Mandanten und seiner Angehörigen.

Dieser Beitrag wurde unter Medien, Rechtsanwälte veröffentlicht.

24 Antworten auf Gossenjournalist greift Verteidiger an

  1. 1
    Rossi says:

    Hallo Carsten,
    du meinst doch sicher ‚Katheter‘, nicht ‚Katheder‘? Ein Katheder ist ein Lehrerpult… wenn ich aber nachdenke, habe ich durchaus eine Menge Lehrer getroffen, die man mit Fug und Recht als ‚Kathederbeutel’* bezeichnen könnte. So gesehen paßt das doch sehr gut.

    • Hey, ich war schon stolz darauf, das „h“ hinter dem „t“ richtig geschrieben zu haben … Und jetzt sowas! Echt ey. crh
  2. 2
    Max says:

    Meistens, Herr Hoenig, lassen ihre Blogbeiträge ja eine fundierte Rechtskunde erkennen. In den übrigen Fällen nehmen Sie diese zumindest wortreich für sich in Anspruch (insb. in den Antworten auf Kommentare) – ich glaube einzige Ausnahme die mir ad hoc einfällt ist ein kapitaler Beratungsfehler in einer Bußgeldsache gewesen.

    Aber heute frage ich mich doch, wie sie hier den „Klaps auf den Arm“ (oder noch mehr) rechtfertigen wollen.
    Das die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung nicht den Flur vor dem Gerichtssaal umfasst (zumal die Mutter eben nicht die Angeklagte war) liegt auf der Hand. Wollen Sie nun wirklich das APR so weit strapazieren, dass sie hier durch das Filmen eine nothilfefähige Rechtsverletzung z.N. der Mutter des Angeklagten konstruieren?

    Andernfalls ist der „Klaps“ nichts anderes als eine Körperverletzung. Engagement des Herrn Kollegen hin oder her, von einem Strafverteidiger hätte ich mir bei aller Sympathie für gelegentliche Hemdsärmeligkeit mehr erwartet.

  3. 3
    A. Hirsch says:

    Zumindest das OLG Hamburg strapaziert das APR ähnlich weit: https://openjur.de/u/270386.html

    Und die Mutter der Angeklagten dürfte noch weniger eine Person der Zeitgeschichte sein, als die Angeklagte selbst.

  4. 4
    Redakteurin says:

    Die Reaktion des Anwaltes war vielleicht etwas unüblich, aber menschlich verständlich.

    Außerdem: Die Mutter des Angeklagten genießt, wie alle anderen auch, das „Recht am eigenen Bild“, siehe Kunst- und Urhebergesetz. Für eine Bildaufnahme ist eine Einwilligung erforderlich.

    Der Journalist hätte sich zunächst vorstellen müssen, mit seinem Namen und dem des Arbeitgebers, um anschließend zu fragen, ob die Frau überhaupt befragt und abgelichtet werden möchte.

    Das hat er nicht gemacht. Stattdessen hat er sie „überfallen“ und dies mit bereits eingeschalteter Kamera.
    So etwas passiert immer häufiger bei Gericht, oft sogar in Gegenwart der – untätigen – Nebenklagevertreter. Selbst Hinterbliebene, deren Kind oder Partner umgebracht wurde, werden von diesen Reporter-Darstellern genervt.

    Es war nur eine Frage der Zeit, bis irgendein Belästigter oder dessen Anwalt einmal die Contenance verliert.

  5. 5
    Marius says:

    Sie gratulieren im Ernst einem Anwaltskollegen, der in vermutlich strafbarer und jedenfalls standeswidriger Weise gegen Journalisten übergriffig wird, zu seinem „beherzten Einschreiten“??

    1. Das Handeln des Verteidigers ist nicht strafbar. Auch nicht vermutlich.
      Es gibt kein „Standesrecht“ für Rechtsanwälte.
      Das ist kein Journalist.
      Ja, Herrn Rechtsanwalt B. muß für seinen Einsatz gedankt werden.crh
  6. 6
    Redakteurin says:

    Im zweiten Absatz muss es selbstverständlich heißen:

    „Die Mutter des Angeklagten genießt, wie alle anderen auch, das „Recht am eigenen Bild“, siehe AUCH (!) Kunst- und Urhebergesetz. „

  7. 7
    Max says:

    @Redakteurin (#4, #6):
    Im Übrigen müsste es selbstverständlich auch heißen „Für eine _Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung einer_ Bildaufnahme ist eine Einwilligung erforderlich.“, denn das ist was §§ 22, 23 KunstUrhG regeln. Die Anfertigung setzt nämlich, soweit es hier nich ausnahmsweise eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet, gerade _nicht_ die Einwilligung des Abgelichteten voraus.

    @A. Hirsch (#3): Danke für den Hinweis auf weitgehend überzeugende Urteil des OLG Hamburg.
    Das OLG stellt, m.E. zutreffend, fest, dass durch die Anfertigung der Aufnahme in das APR eingegriffen wird (Tz. 18). Allerdings kann dieser Eingriff gerechtfertigt sein, so dass allein der Eingriff ins APR noch nicht das Verdikt einer Rechtswidrigkeit (die überhaupt erst einen nothilfefähigen Angriff begründen könnte!) mit sich bringt (vgl. Tz. 19 ff.). Bis hierhin also überhaupt keine Strapazierung des APR sondern die wenig überraschende Feststellung, dass das Anfertigen einer Fotographie oder Aufnahme nicht zwingend zum Zuschlagen berechtigt.
    Und darüber ob korrekt abgewogen wurde konnte sich der Senat wegen der Feststellungen des LG nicht verhalten. Unter diesen Gesichtspunkten, die sich auch in den Gründen für die Zurückverweisung (Tz. 32 f.) niederschlagen, ist auch Tz. 17 des Urteils zu lesen wenn es heißt, dass es sei _auf Grundlage der lückenhaften Feststellungen_ rechtsfehlerhaft anzunehmen, (bereits) das Anfertigen der Bilder könne kein eine Notwehr rechtfertigender Angriff sein.

    Deutlich zurückhaltender als das OLG Hamburg hat sich im Übrigen der BGH dazu geäußert, wann bereits das Anfertigung von (dort Video-)Aufnahmen das APR verletzt (BGH, Urt. v. 25.04.1995 – VI ZR 272/94).

  8. 8
    Lotos says:

    Welcher Schlag auf den Arm?
    Sie meinen den versehentlichen Treffer beim erregten herumfuchteln?

  9. 9
    Thorsten says:

    Ich schließe mich den Glückwünschen an! Das war vorbildlich!

    „Diebstahl“ – tssss… keine Ahnung von Jura haben, aber trotzdem fleißig darüber schreiben wollen.

  10. 10
    Miraculix says:

    Eine nothilfefähige Rechtsverletzung durch das Filmen?
    Eine wirklich spannende Frage.
    Bereits das „Recht am eigenen Bild“ wird – solange es nicht um die Veröffentlichung sondern um das Anfertigen von Bildern geht – höchst unterschiedlich argumentiert. Kann das Notwehr/Nothilfefähig sein?

    Notwehr und Nothilfe schützen sämtliche Individualrechtsgüter. Auch die vermeintliche Notwehrsituation wird von der Rechtssprechung zunehmend straffrei gestellt (BGH 2StR 375/11).
    Für professionelle Fotografen gilt, daß im Vorfeld zu beurteilen ist, ob ein Bild veröffentlicht werden dürfte, denn nur dann besteht grundsätzlich auch die Erlaubnis zum Fotografieren anderer Menschen (KG Berlin).
    Man kann das mMn mit gutem Gewissen so argumentieren.

  11. 11
    Christian L. says:

    Dass das Recht am eigenen Bild notwehr/hilfefähig ist, wird in der oben zitierten Entscheidung des OLG Hamburg ja schön erläutert.

    Meines Erachtens muß man aber gar nicht auf die Mutter zurückgreifen, auch der Kollege B. muss sich nicht filmen lassen. Verteidiger gehören zwar zum Kreis der Personen, die bei „zeitgeschichtlich interessanten“ Prozessen abgelichtet werden dürfen, aber an der Stelle kann man auch vertreten, daß solche Vorwürfe jeden Tag dutzendfach verhandelt werden.

    Was das Verlieren der Contenance angeht: Er deckt die Kamera ab, sagt den „Reportern“ mehrfach ruhig, aber bestimmt, sie mögen ihn bitte nicht anfassen, aber sie rücken ihm weiter auf die Pelle. Da halte ich ein wenig dramatische Weghauen des Arms für legitim. Das Gejammere des (schon die Schlagzeile witternden) „Reporters“ hingegen ist m.E. echtes Kindergartenniveau.

    Übergriffig ist in meinen Augen allenfalls das Verhalten der „Reporter“.

  12. 12
    moep says:

    Haha… Diebstahl… und ich dachte Journalisten können recherchieren?

  13. 13
    Name* says:

    Wirklich spannend, wie der Typ von der Zeitung die Haltung bewahren kann, wenn ihm einer dabei abgeht, dass er einen DER Beiträge des Tages liefern kann.

    Ich will es nicht unterstellen, aber gedacht haben könnte er: „schlag mich nochmal!“

    Titel wäre dann gewesen:
    „Rüpel-Anwalt wollte B.Z.-Reporter umbringen“.

    Mindestens 50% höhere Klickrate!

    Könnte mich über das Kindergartenprogramm köstlich amüsieren.

  14. 14
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Es handelt sich um Kulturbereicherer.
    Die Kleine maust etwas, wird erwischt, und die Mutter verscheucht die Fotografen nicht nur verbal, sondern mit deutlichen Gesten, die etwas ausdrücken sollen, wie z. B.
    Schert euch zum Teufel!
    Verpisst Euch!

    Da gibt es ein Sprichwort:
    Jeder Schlag der Mutter ersetzt zehn Schläge im Leben.
    Und wenn das liebe Kind stattdessen tägich seine Schulaufgaben gemacht hätte?
    Natürlich war es kein Angriff.
    Es gab Übersetzungsprobleme.

    Erst flog eine Mücke durch das Gericht und dann versuchte sich die Südstaaten-Mutter in der Gebärden- und Zeichensprache.
    So war es.

    Außerdem hätte sie das Bild auch noch für einen guten Zweck versteigern können.

    Oder ist die Kanzlei angefressen, weil diese jugendlich Heldin (Bulgarien?) an die Konkurrenz ging?

  15. 15
    Redakteurin says:

    @max,

    formal haben Sie Recht, wenn Sie den Wortlaut des KUG zitieren, das ist aber in der journalistischen Praxis ohne Bedeutung. Denn der Fotografierte muss davon ausgehen, dass der Pressefotograf das Bild veröffentlichen will. Dies ist schließlich sein Beruf. Somit ist er gut beraten, bereits die Aufnahme und nicht erst die Veröffentlichung zu verhindern, wenn er/ sie nicht in der Zeitung erscheinen will.

    Für den Journalisten bei der Recherche bleibt es also dabei: Immer erst fragen.

    Abgesehen davon überlege ich, was die Mutter des Angeklagten überhaupt in der Berichterstattung verloren hat.

  16. 16
    recHthAbeR says:

    @max & @Redakteurin, Max hat in meinen auch formal nicht recht. Richtig ist: Laut KUG braucht nur die Veröffentlichung die Zustimmung des/der Abgebildeten. Dass auch die Aufnahme schon die Zustimmung erfordert, ergibt sich direkt aus Art. 2 Abs. 1 GG – meiner Meinung nach. Offenbar gibt’s da tatsächlich abweichende Ansichten. Einigkeit besteht aber: Sobald jemand Aufnahmen verboten hat, gilt das auf jeden Fall. Spätetestens dann hätte für die Möchte-gern-Journalisten Feierabend sein müssen.

  17. 17
    raddi says:

    @Rechthaber
    Ach? Der Fotoreporter handelte im staatlichen Auftrag? Na, das ist mir jetzt aber neu…

  18. 18
    Der wahre T1000 says:

    Der „Journalist“ war bestimmt im Gericht, weil er einen Aufmacher nach Machart der Bildzeitung haben wollte. Und wenn man schon die Angeklagten nicht zu fassen bekommt, dann will man nicht umsonst gekommen sein. Ob Mutter oder Anwalt dran glauben müssen, ist dann egal.

    Das sind keine Reporter oder gar Journalisten. Solche Typen sind [zutreffende, aber leider strafbare Beschreibungen vorsorglich gelöscht. crh]

    Auf der anderen Seite habe ich für „südländische Intensivstraftäter, welche einen Menschen schwer verletzt haben“ genauso wenig Verständnis. Ich würde es richtig finden, wenn man – nach Verurteilung – deren Bild auf der Titelseite der Bild veröffentlicht, damit jeder sie wiedererkennt – nach amerikanischem Muster. Wer Dreck am Stecken hat, der soll auch dazu stehen müssen.

    Ich weiß: Jugendstrafrecht soll erziehen, die Täter haben auch Rechte und so weiter… Blablabla. Den Standpunkt kann man vertreten, muss man aber nicht.

  19. 19
    RA Handschumacher says:

    Hab ich ein anderes Video gesehen?
    Die Journaille filmt gegen den deutlich geäußerten Willen.
    Der Kollege hält die Hand davor und verlangt das Handy/den Film heraus, um die Aufnahme zu löschen.
    Nun wird er vom angeblich Geschädigten bedrängt, er solle die Hand wegnehmen.
    Der Kollege fordert ihn auf, ihn nicht anzufassen. Der tut das trotzdem und der Kollege schlägt dessen Hand weg. Man hätte an dieser Stelle zusätzlich „Aus!“ Oder „Pfui,“ sagen können, wie man es bei aufdringlichen Kötern tut.
    Sodann nimmt er sich das Handy, um die Filmerei gegen den Willen der Abgelichteten zu beenden.
    Alles durch Notwehr geboten und gerechtfertigt.

    Hoffentlich kommt es zur Hauptverhandlung. Mit Todenhöfer als Bild-Prozeßbeauftragtem…..

  20. 20
    BrainBug2 says:

    @raddi: mittelbare Drittwirkung der Grundrechte?, Ach ne, auch das ist Ihnen neu?

  21. 21
    Andreas Janke says:

    „Gossenjournalist“?? Sie Schmeichler! :)

  22. 22

    […] Gos­sen­jour­na­list greift Ver­tei­di­ger an […]

  23. 23
    Resozialisierter says:

    Mir hat ein RA Anfang 2000 mal empfohlen für den Fall einer unberechtigten Ablichtung einfach die Camera des Knipsers an die Wand zu dreschen und damit zu zerstören. Notwehr… Gerichtspersonal steht meist nur dümmlich grinsend herum und hilft einem nicht. Übrigens war ich als Zeuge geladen….
    Die BZ-Schmierer hatten aber anders zu tun….

  24. 24
    Thomas K says:

    Der Anwaltskollege von Herrn Hoenig hat richtig und angemessen reagiert. Zuhalten und Wegnahme der Kamera sind durch Notwehr und Nothilfe gedeckt. Der Klapps auf den Arm hat sich der „Reporter“ redlich verdient, nachdem er mehrfach aufgefordert wurde mich doch nicht anzufassen. In Kreisen in denen ich zeitweise unterwegs bin/sein muss hätte er sich eine Kopfnuss eingefangen.