Gefährlicher Hinweis vor Blatt 1

Der Mandant hatte mich mit der Verteidigung in einer scheinbar kleinen Sache beauftragt. Es ging um ein paar Schwarzfahrten mit und in der Berliner U-Bahn – also um das Erschleichen von Leistungen, § 265a StGB.

Was mich bei der Mandatserteilung stutzig machte, war die sofortige Akzeptanz meines Vergütungsvorschlags. Denn: Die Höhe meines Honorars überstieg die Geldstrafe, die per Strafbefehl verhängt wurde. Den Grund dafür fand ich in der Ermittlungsakte, noch vor Blatt 1; nämlich diesen gefährlichen Hinweis:

Gefährlicher Hinweis

Der junge Mann hatte also noch einen offenen Deckel. Es ging ihm also weniger darum, die recht moderate Geldstrafe noch weiter zu reduzieren. Sondern zu verhindern, daß die offene Bewährung widerrufen wird.

Vielleicht hatte der Mandant keinen ernst zu nehmenden Ratgeber nach seiner letzten Verurteilung. Meine Mandanten bekommen in den geeigneten Fällen von mir folgenden Abwägungsvorschlag mit in die Bewährungszeit gegeben:

Überlegen Sie es sich gut, bevor Sie ohne Ticket in die U-Bahn steigen. Sie riskieren eine Freiheitsstrafe, um den Betrag in Höhe von 2,70 Euro zu sparen. Das lohnt sich einfach nicht, das ist es nicht wert.

Bisher hat dieser Rat stets weitergeholfen.

Wenn – wie hier – dann doch mal der Ernstfall eingetreten ist, wird die Vorlage einer abonnierten Monatsmarke im Gerichtstermin zum entscheidenden Verteidigungsmittel.

Dieser Beitrag wurde unter Mandanten, Strafrecht veröffentlicht.

11 Antworten auf Gefährlicher Hinweis vor Blatt 1

  1. 1
    WPR_bei_WBS says:

    Reicht abonniert, oder verlangen die Richter mitunter auch schon, dass das Abo voraus bezahlt ist?

  2. 2
    Der wahre T1000 says:

    Es ist wirklich nicht zu verstehen, dass jemand so seine Bewährung riskiert.

  3. 3

    Die Vollzugsanstalt Plötzensee soll ja zu einem nicht unerheblichen Teil von Schwarzfahrern bevölkert sein. Dies hat in der Berliner Richterschaft schon dazu geführt, dass diskutiert wurde, ob das Schwarzfahren nur noch als Ordnungswidrigkeit gewertet werden
    sollte . Anscheinend gibt es nichts Schöneres, als in der Hauptstadt schwarz zu fahren.

  4. 4
    justinchen says:

    Es wäre schön, wenn der einfache Hinweis auf die Folgenabwägung helfen würde… Hab ich auch immer in der mündlichen Urteilsbegründung so gehalten. Scheine dabei aber entweder nicht überzeugend oder nicht furchteinflößend genug ‚rübergekommen zu sein… häufig genug die Leute wiedergesehen. (Am dusseligsten aber sicher der Jugendliche, der sich telefonisch 10 Minuten vor Beginn seiner Arrestanhörung wegen nichterledigter Auflagen damit entschuldigte, dass er leider gerade (wieder) beim Schwarzfahren erwischt worden sei… Manchen kann man einfach nicht helfen.)

  5. 5
    klausi says:

    bei den fahrpreisen und den gehältern so mancher personen wundert mich das nicht. ich bin auf die berliner s bahn angewiesen und sehe es nicht ein, dass ich ca 80 euro für eine monatskarte zahlen soll. ständig verspätet sie sich, fällt aus oder oder oder.

    irgendwas hat die s bahn immer

  6. 6
    Der wahre T1000 says:

    @Klausi: Wenn Sie die Bahn so schlecht finden, müssen Sie nicht damit fahren. Sie können sich auch ein (viel teureres) Fahrzeug anschaffen. Das fährt dann immer pünktlich nach Ihren Wünschen.

    Wenn Sie hingegen die S-Bahn nutzen wollen oder müssen, dann sollten Sie das auch bezahlen. Irgendwo muß das Geld für den Betrieb der Bahn herkommen.

    Soweit Sie sich auf eine Schlechtleistung berufen: haben Sie mal überlegt, dass das an den fehlenden Einnahmen der Schwarzfahrer liegen könnte? Mehr Geld -> mehr Leistung.

  7. 7
    Kerstin says:

    @Klausi, nehmen Sie es mir bitte nicht übel: Sich ausgerechnet als Berliner über den ÖPNV zu beschweren, zeigt deutlich, dass man in seinem Leben noch nie aus dem Dörfchen raus bewegt hat.

    Berlin hat – trotz seiner bekannten Schwächen – einen exzellenten ÖPNV. U-Bahn kommt alle 5 Minuten, S-Bahn fährt alle 10 Minuten und die Busse fahren im 20-Minuten-Takt. Dieses Angebot ist auf jeden Fall 80 Euro pro Monat wert, zumal sich der Preis mit einem Jahres-Abo noch deutlich reduzieren lässt.

    Wenn man ein wenig raus aufs Land geht, findet man Dörfer, bei denen man für deutlich mehr Geld folgendes Angebot des ÖPNV hat: Buslinie um 7 Uhr, 13 Uhr und 18 Uhr. Dazwischen fährt wirklich gar nichts.

    So ganz verstehe ich daher nicht, wie man sich als Berliner darüber beschweren kann, wenn die S-Bahn sich mal um ein paar Minuten verspätet oder ausfällt. Im Worst-Case-Fall muss man 10 Minuten warten.

  8. 8

    Ein bekannter Börsenspekulant (Milliardär) hat in seiner Autobiografie beschrieben, wie elektrisierend es auf ihn gewirkt hatte, schwarz zu fahren. Das Gefühl, erwischt werden zu können hatte es ihm besonders angetan.

  9. 9
    Steffen says:

    Ihr mault hier rum, weil die S-Bahn für 80 Euro im Monat schei*e ist? Zieht mal auf’s Land, da ist der Zug abgeschafft, nur morgens und abends kommt ein Bus.

  10. 10
    S.Kerpen says:

    Bei so manchen Preisen der ÖPNV kann man sowas auch verstehen.

  11. 11
    Mic says:

    Was mir unlogisch erscheint: Der Aktendeckel wurde im Juni 2015 ausgestellt. Auf dem Deckel wird auf eine Bewährungsstrafe bis 5.5.2015 hingewiesen.
    Daher ist die Bewährung doch bereits abgelaufen, als die Akte erstellt wurde