Den Steuerfahnder hat’s erwischt. Irgendwie ist es ihm durchgerutscht, daß auf seinem Einkaufswagen mehr Sachen lagen, als er – und seine Partnerin – bezahlt hat. Es gab das Standard-Programm „Ladendiebstahl“, dann der gescheiterte Versuch, sich gegen die Vorwürfe selbst zu verteidigen und schließlich das hier:
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er es erfolgreich vermeiden können, daß sein Job bei der Strafverfolgungsbehörde bekannt wurde. Auch seine Partnerin, die von derselben Gebietskörperschaft alimentiert wurde, konnte die Einleitung eines Disziplinarverfahrens verhindern.
Gegen den Strafbefehl haben der Fahnder und die Fahnderin Einspruch eingelegt. Das führte dann zu dieser wenig freundlichen Einladung:
Das war dem Steuerjuristen dann doch zuviel und er beauftragte den Strafjuristen mit der Verteidigung.
Die Aussichten waren gar nicht so schlecht, als daß man es nicht hätte versuchen können mit einer Freispruchverteidigung. An der Kaufhauskasse hat es seinerzeit ein kleines Durcheinander gegeben. Alles ein wenig unübersichtlich.
Trotzdem: Eine öffentliche Hauptverhandlung, bei der dann zu erwarten war, daß der Beruf des Angeklagten (und seiner Partnerin) bekannt wurde, war zu riskant. Aber der rechtskräftige Strafbefehl hätte dem Dienstherren auch keine rechte Freude bereitet. Ich habe daher auf außergerichtlichem Wege und mit reichlich Mühen versucht, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage in akzeptabler Höhe nach § 153a StPO zur Einstellung zu bringen. Keine leichte Aufgabe nach dem Erlaß eines Strafbefehls und vor der Hauptverhandlung. Es hat jedoch funktioniert, wenn auch knapp.
Weil die beiden Verfahren – gegen den Fahnder und die Fahnderin – nicht voneinander zu trennen waren, konnte ich den beiden bereits zu Beginn das Sonderangebot machen: Ich verteidige den Mann, und die Frau hängt sich einfach hinten dran. Die paar dann immer noch vorhandenen Überschneidungen konnten noch knapp vor der Grenze zum Doppelvertretungsverbot gehalten werden. Beide haben also defacto zwei Verteidigungen zum Preis von einer bekommen. Feine Sache.
Für das gesamte Paket habe ich – mich irrümlich auf kollegialer Ebene wähnend – lediglich eine Rechnung gestellt, die sich exakt auf der Mitte des Möglichen bewegt. Argumente, die der § 14 RVG bietet und die für eine Liquidation an der oberen Grenze bequem ausgereicht hätten, lagen säckeweise vor. Statt sich darüber zu freuen, daß das Ding für ihn und seine Partnerin nun einigermaßen glimpflich zuende gegangen ist, kürzt der Steuerhinterziehungsfinder meine Kostenrechnung um 30 Prozent. Man spart, wo man kann, nicht wahr?
Schade, es hätte ein schönes Mandat mit einem guten Erfolg werden können. Ich würde schwindeln, wenn ich abstreiten würde, solch ehrlosem Pack Pest und Cholera ins Haus zu wünschen – nicht wegen der Kohle, die tut mir nicht weh. Aber für die Enttäuschung, die mit einer solchen Mißbilligung meiner Arbeit verbunden ist.
Geschichte wiederholt sich – erst kürzt er 30% bei IKEA, dann bei Ihnen.
Frage: Warum lassen Sie es zivilrechtlich nicht drauf ankommen? Einfach aus Prinzip, um solch ehrloses Pack nicht davonkommen zu lassen?
Was natürlich noch gesagt werden muss: Das sind Steuerfahnder, was erwarten Sie denn? ;-)
Im letzten Absatz sagst Du es, die Enttäuschung wiegt oft schwerer als das Geld. Meist sind das die, die bei den anderen besonders hart drauf hauen. Arme Würstchen halt.
Auf welcher Grundlage kann ein Mandat einfach die Rechnung um 30% kürzen
und wie geht man sinnvollerweise dagegen vor (und werden Sie das tun?)?
Sich länger als zwei Minuten über solche Menschen zu ärgern, haben sie nicht verdient.
crh
Ist so eine Werbung standesrechtlich ok?
Nebenbei: Das dahinterstehende Konzept hat sich über lange Jahre bewährt. Der eine (einzige) Ausrutscher bisher, unter dem ich leide, hindert mich nicht daran, auch künftig in ausgesuchten Fällen auf diesem Weg zu einer Vergütungsvereinbarung zu kommen. Die jeweils zufriedenen Gesichter am Ende der Mandate geben mir Recht. Eine von beiden Seiten getragene Vereinbarung ist mehr wert als eine einseitig vorgeschriebenes Diktat. crh
Mit welchem Argument wurde die Rechnung denn gekürzt? Der Herr Steuerfahnder wird sich doch bestimmt eine Begründung dazu ausgedacht haben, oder?
Irgendwie scheint an dem „Renommee“ der Steuerfahndung was dran zu sein: Ansprüche kürzen und Forderungen aufblasen. Lernerfolg: Ein Kurzvortrag über die MiStra sollte Pflicht bei beamteten Beschuldigten werden.
@ crh:
Warum monatelang daran erinnern? Das macht dann doch der zivilrechtlich spezialisierte Kollege. Kosten trägt am Ende ja der „Ich kürze einfach mal“-Mandant.
Gut, ich kann den Ansatz mit „Einmal ärgern und dann vergessen“ zum Teil natürlich schon nachvollziehen. Aber dann würde ich das doch hier nicht bloggen: Der nächste derart gestrickte Mandant weiß jetzt, dass Ihre Schmerzgrenze frühstens bei 30% anfängt :-).
Mir ist vor einiger Zeit etwas ähnliches gelungen:
– Strafbefehl wegen Geldwäsche – 90 Ts.
– mein Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger wurde gleichzeitig abgelehnt
– Einspruch eingelegt
– Vor dem LG Beschwerde gegen die Ablehnung des Pflichtverteidiger-Antrags eingelegt – und gewonnen!
– Ein Hauptverhandlungstermin war anberaumt, wurde aber aufgehoben ohne Neuterminierung.
– Am Ende ohne Hauptverhandlung eine Einstellung nach § 153a StPO gegen 400,- Euro Zahlung für einen wohltätigen Zweck erreicht.
Meine Mandantin war viel dankbarer. Zum Glück!
An Ihrer Stelle hätte ich diesen beiden undankbaren Mandanten zumindest einen Mahnbescheid ins Haus geschickt.
Herzliche kollegiale Osterwüsche für Sie und danke für die schönen, vielen Blog-Beiträge!
Meine Schmerzgrenze ist überschritten, wenn die Frist zur Zahlung eines nach § 9 RVG erbetenen Vorschusses über die vollen Gebühren mehr als 5 Minunten überschritten ist.
Leider mußte ich mich über die Jahre mit dem Ergebnis von sechsstelligen Forderungen gegen eigene Ex-Mandanten so häufig über solche Menschen ärgern, daß ich – besser spät als nie – das Konzept umgesetzt habe, das mir meine Ausbilder schon als Referendar ans Herz gelegt haben: erst Kohle, dann Leistung.
Da selbst Ärzte, Polizeibeamte, Architekten, ja sogar Richter und andere redliche Menschen, Anwaltsrechnungen sehr ungern bezahlen (wofür ich als Mensch allergrößtes Verständnis habe), gibt es ohne einen freundlich aber nachdrücklich geforderten Vorschuß in voller Höhe bei uns gar nichts mehr. Wem das nicht paßt, darf gerne woanders anklopfen.
Es erweist sich immer wieder als Fehler, aus dem Beruf oder dem sympathischen Auftreten eines Menschen auf dessen Zahlungswilligkeit zu schließen. Das gilt übrigens auch für rechtsschutzversicherte Mandanten. Gerade bei den Freunden der *pfiieep*- Versicherung sollte man IMMER erst anfangen zu arbeiten, wenn die Vorschußrechnung beglichen wurde.
Steuerfahnder sind aber doch keine Juristen sondern Finanzbeamte mit der Ausbildung zum
Dipl.-Finanzwirt (FH). Hat sich da der Fehlerteufel eingeschlichen?
Ich mache es seit Jahren so:
Wenn ich weniger als das angemessene abrechnen will, weil der Mandant nicht viel Kohle hat, mir leid tut, er sympathisch ist oder was auch imme, ich aber nicht 100pro sicher bin, dass das Geld auch kommt: Ich rechne dann voll ab, schreibe jedoch: wenn Sie bis zum ….. € xxx gezahlt haben, Erlasse ich Ihnen nach § 49b I 2 BRAO den überschiessenden Betrag.
So vermeide ich, dass ich ggü, dem undankbaren Nichtzahler an meine über mäßige Zurückhaltung (vollzogene Ermessensausübung) gebunden bin.
Klappt gut
@RA de Berger: zahlen Sie dann auch Handwerker etc. im Voraus? Diese Berufsgruppen warten auch teilweise jahrelang auf vollständige (oder überhaupt-)Zahlung, dennoch habe ich noch nie gehört, dass ein Schreiner oder Mechatroniker 100%-Vorkasse erhalten (oder auch nur verlangen) würde. Könnten Sie als Forderer der Vorkasse aber doch auch so einführen.
Ich bin im Handwerk selbstständig und rechne zB. das Material vor Arbeitsbeginn ab.
Wenn einer fragt, sage ich auch nur, dass ich so günstig sein kann wegen der geringen Ausfälle. Paar Tage Arbeit kann ich verschmerzen, aber da noch 10-20.000 € Material zu verschenken, ist für mich die Pleite.
Auch das Abrechnen nach Arbeitsabschnitten ist für die ehrlichen Kunden kein Problem, da ich wegen dem geringeren Risiko preislich angenehmer bin.
Alles eine Rechnung von Risiko, wobei der Handwerker da eher der Dumme ist, weil Vorauskasse gibt es nicht wirklich.
Schlupp
Vorschuss ist ein Privileg des Anwalts. Sonst gilt im Zivilrecht zu Recht Zug um Zug. Wurde an dieser Stelle alles schon durchdiskutiert. Wenn man von diesem Privileg keinen Gebrauch macht, muss man sich schon fragen lassen, wieso.
Wieso sollte der Terminsbenachrichtigung zufolge die Hauptverhandlung am Landgericht und nicht im Amtsgericht in der Kirchstrasse stattfinden?
Im Saal 671 „sitzen“ (im Sinne von „verhandeln“) regelmäßig die allgemeinen Abteilungen des Amtsgerichts.
Und um Sie völlig durcheinander zu bringen: Auch am Tempelhofer Damm gibt es ein paar Abteilungen des Amtsgerichts Tiergarten.
Hier finden Sie eine Übersicht der Abteilungen für Strafsachen beim Amtsgericht Tiergarten.
Ihre – unterstellte – Differenzierung „Kirchstr. = AG und Turmstr. = LG“ ist also nicht zutreffend.
Abschließend noch eine Zusammenfassung, die ich der oben verlinkten Übersicht entnommen habe:
crh
Also wer von mir *komplette* Vorkasse (für eine zeitlich gestreckte Dienstleistung) haben möchte läuft bei mir automatisch unter ‚unseriös‘ und ‚Achtung, Beschiss-Gefahr‘ und braucht sich daher um meine Zahlungsmoral auch nicht sorgen – einen Auftrag wird er von mir nicht erhalten.