Dokumentiertes Motorradfahren

Zu welchen argumentativen Klimmzügen Verwaltungsrichter imstande sind, zeigt die Pressemitteilung Nr. 41/2015 des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 28.05.2015.

Längere Dauer der Fahrtenbuchauflage bei nur saisonal genutzten Motorrädern

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, es sei nicht zu beanstanden, wenn die Behörde die Festsetzung einer gegenüber Personenkraftwagen längeren Dauer einer Fahrtenbuchauflage darauf stützt, dass der Verkehrsverstoß mit einem nur saisonal genutzten Motorrad begangen wurde.

Der Kläger wendet sich gegen eine Fahrtenbuchauflage. Er ist Halter eines Motorrads, mit dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 27 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten wurde. Nachdem der Kläger keine Angaben zum Fahrer des Motorrads machte, der auch nicht anderweitig ermittelt werden konnte, ordnete das Landratsamt an, dass der Kläger für die Dauer von 15 Monaten ein Fahrtenbuch führen müsse. Da das Tatfahrzeug ein Motorrad war, setzte das Landratsamt dabei entsprechend seiner ständigen Verwaltungspraxis für die Fahrtenbuchauflage eine um drei Monate längere Dauer fest als bei einem entsprechenden Verkehrsverstoß mit einem Personenkraftwagen. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass Motorräder anders als Personenkraftwagen in der Regel nicht ganzjährig genutzt würden, mit der Fahrtenbuchauflage aber die gleiche Wirkung erzielt werden solle. Auch der Kläger habe sein Motorrad in den Wintermonaten jeweils durchschnittlich sechs Monate außer Betrieb gesetzt. Die gegen die Fahrtenbuchauflage gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat auch die Revision des Klägers zurückgewiesen. Gegen die vom Beklagten angestellten Ermessenserwägungen für die Festlegung der Dauer der Fahrtenbuchauflage war revisionsrechtlich nicht zu erinnern. Der Beklagte bemisst die Dauer zu Recht grundsätzlich nach der Gewichtigkeit des Verkehrsverstoßes, dessen Täter trotz hinreichender Aufklärungsbemühungen nicht ermittelt werden konnte. Ebenso wenig war die Verlängerung der Fahrtenbuchauflage zu beanstanden, die der Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis vorsieht, wenn es sich bei dem Tatfahrzeug – wie auch im Falle des Klägers – um ein nur saisonal genutztes Motorrad handelt; ein solches Vorgehen genügt den Anforderungen des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. In solchen Fällen dient die Bestimmung einer längeren Frist als bei typischerweise ganzjährig genutzten Personenkraftwagen dazu zu verhindern, dass die zum Schutz der Verkehrssicherheit ergangene Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, teilweise – nämlich in der Zeit der Stilllegung des Motorrads – leerläuft. Zugleich wird der Halter eines nur saisonal genutzten Motorrads durch die Fahrtenbuchanordnung während der Zeit ohnehin nicht belastet, in der er sein Fahrzeug außer Betrieb genommen hat.

BVerwG 3 C 13.14 – Urteil vom 28. Mai 2015

Vorinstanzen:
OVG Lüneburg 12 LB 76/14 – Urteil vom 08. Juli 2014
VG Stade 1 A 1328/11 – Urteil vom 08. März 2013

517625_web_R_by_Claus Zewe_pixelio.deBei der Bemessung Dauer der Fahrtenbuchauflage müssen – dieser Verwaltungs-Logik folgend – also die Zeiten berücksichtigt werden, in denen das Fahrzeug – Auto oder Motorrad – nicht bewegt wird. Ich rege daher an, pendelnden Inhabern von Monatskarten des ÖPNV pauschal 2 Monate oben drauf zu geben, weil die ja zweimal täglich kein Benzin verbrennen. Und wenn diese Klientel dann auch noch ein Fahrrad hat, mit dem sie beim Bäcker ihre Brötchen holt, gibt es nochmal einen Nachschlag von 1 Monat.

Wie man diesem Unsinn am besten entgeht? Man nimmt die Fahrtenbuchauflagebehörden mit ihren stumpfen Schwertern erst gar nicht mehr ernst. Mittlerweile gibt es noch nicht einmal mehr Punkte in Flensburg, wenn man zu dusselig war, sich beim Fahrtenbuchnichtführen erwischen zu lassen.

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Bild: © Claus Zewe / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Gericht, Ordnungswidrigkeitenrecht veröffentlicht.

10 Antworten auf Dokumentiertes Motorradfahren

  1. 1
    Stan Duhr says:

    Motorrad verkaufen und sich neues kaufen, fertig.

    Oder an Ehefrau „verkaufen“.

  2. 2
    Olli says:

    Nein,es wäre im Gegenteil ziemlich dämlich, die Wintermonate, in denen das Fahrzeug stillgelegt (!) wird, hierbei NICHT herauszurechnen.

  3. 3
    Der wahre T1000 says:

    Was die Richter eigentlich wollen, steht doch recht deutlich da, wenn man liest:

    „Zugleich wird der Halter eines nur saisonal genutzten Motorrads durch die Fahrtenbuchanordnung während der Zeit ohnehin nicht belastet, in der er sein Fahrzeug außer Betrieb genommen hat.“

    Die meinen damit nicht, dass – weil nicht gefahren wird – jemand nicht belastet wird. Sondern die wollen damit zum Ausdruck bringen, dass Fahrer eines Motorrads unterm Strich genauso belastet werden sollen wie Autofahrer.

    Und da sind wir doch beim Punkt. Es geht um eine Belastung, um eine „Ersatz“-Strafe, die man dem Halter auferlegen will, weiler sich nicht kooperativ gezeigt hat.

    Bei einer Firma kann ich den Sinn und Zweck eines Fahrtenbuches nachvollziehen. Bei Privatleuten ist das nur eine Strafe, die Verwaltungsalternative fürs Knöllchen.

  4. 4
    Die andere Seite says:

    Und wenn man das Risiko der „Belastung“ durch eine Fahrtenbuchauflage abschaffen würde, wüßte plötzlich niemand mehr, wer mit seinem Fahrzeug durch die 30er-Zone gekachelt ist.
    Ich finde die Alternative auch besser, Igelkette, Beschlagnahme des Fahrzeugs als Tathilfsmittel.
    Schon braucht niemand mehr das Fahrtenbuch fürchten, wenn er schon zu geizig oder arrogant ist, das verdiente Knöllchen zu zahlen.

  5. 5
    Daarin says:

    Mich erinnert das Bild etwas ans SWF-Pferdle.
    Die Frage ist wäre die Entscheidung anders ausgefallen wenn das Motorrad kein Saisonkennzeichnen gehabt hätte?
    Ich habe einen Freund der hat einen Roller, den benutzt er für seinen täglichen Arbeitsweg. Und zwar egal welche Jahreszeit.
    Auf der anderen Seite habe ich eine Freundin deren Eltern ein Sommerauto hat. Es ist auch nur Saisonal angemeldet IIRC. Was ist mit dem anderen Auto, das ganzjährig angemeldet ist, aber eigentlich nur im Winter benutzt wird?

    @Die andere Seite: Es weiß auch so niemand wer durch die 30er-Zone gekachelt ist. Ich habe noch nie eine Geschwindigkeitsbegrenzung in einer dreißiger-Zone bemerkt.

  6. 6
    Die andere Seite says:

    ???
    Ich dachte immer, durch diese runden Schilder mit der 3 und der 0 drauf wird eine 30er-Zone erst zu eben dieser. Oder war eine Geschwindigkeitsmessung gemeint?

  7. 7
    Dieter says:

    @Daarin: Lach… dann komm mal nach Mainz. Da wird in Tempo-30-Zonen genauso geblitzt wie in Spielstraßen und 50er Strecken. Aber nicht etwa an Unfallschwerpunkten oder KiTas / Schulen… nein… einfach so aus Spass an der Freude.

  8. 8
    Engywuck says:

    das Motorrad wird bekanntermaßen 6 von 12 Monaten im Jahr stillgelegt, aber die Fahrtenbuchauflage verlängert sich nur um drei? War dann die komplette Folgesaison abgedeckt oder gab es etwa „Rabatt“?

    Außerdem: Wegen 80 Euro und 1 Punkt (ohne Fahrverbot) fängt man doch sowas nicht an und zahlt einfach. Oder hatte der Halter etwa schon etliche Punkte? Dann wäre die Fahrtenbuchauflage wiederum verständlich…

  9. 9
    Phillipp says:

    Ich wusste gar nicht, dass man für Motorräder ein Fahrtenbuch führen muss, wenn man ein saisonelles Kennzeichen hat. Seit wann gibt es das denn? Ich war nämlich am überlegen, ob ich dieses Jahr meinen Führerschein anfangen soll.

  10. 10
    Engywuck says:

    da hast du was falsch verstanden, Phillipp

    im Normalfall musst du für ein privates Fahrzeug kein Fahrtenbuch führen, egal ob Motorrad oder Auto., egal ob saisonal oder ganzjährig.

    Ein Fahrtenbuch ist für Privatpersonen eigentlich nur dann Pflicht, wenn es als Auflage angeordnet wird – üblicherweise nachdem eine größere Bußgeldsache (oder schlimmeres) nicht aufgeklärt werden konnte weil (angeblich oder wirklich) leider leider keiner weiß, wer zu diesem Zeitpunkt gefahren ist, tut uns wirklich leid…

    Mach‘ deinen Führerschein, wenn du glaubst mit Motorrädern glücklich werden zu können (ich habe keinen, da ich sonst vermutlich längst Organspender geworden wäre) und mach‘ einfach keinen Scheiß (wie hier *deutlich* zu schnell zu fahren), dann musst du auch kein Fahrtenbuch führen und kannst das Motorradfahren richtig genießen.