Umfangstrafsache mit Streisand-Effekt

Bekanntlich sind Wirtschaftsstrafsache nichts für Verteidger, die eine Akten-Allergie haben. Nur in wenigen – glücklichen – Fällen besteht die Ermittlungsakte aus nur einem Band; beispielsweise die üblichen eBay-Sachen sind meist in nur filmdünnen Bändchen zusammen gefaßt. Ein ausgewachsenes Strafverfahren vor der Wirtschaftsstrafkammer, in dem es um’s große Geld geht, sieht dann in der Regel eher so aus.

Aber auch für alltäglichen Kleinigkeiten, in denen es noch nicht einmal um’s kleine Geld, sondern um das gesellschaftliche Miteinander geht, reicht manchmal der Platz zwischen zwei Aktendeckeln nicht aus.

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Diese Aktendeckel beinhalten das Material, welches sich in konzentrierter Form in dem erstinstanzlichen, achtseitigen Urteils wiederfindet:

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Ein Ehrkränkungsdelikt, das im vorliegenden Fall nach Ansicht des Amtsgerichts auch die hohe Hürde des § 192 StGB genommen haben soll. Ein interessanter Fall, mit dem sich nun das Landgericht in der Berufungsinstanz noch einmal beschäftigen muß.

Auch ohne bereits an dieser Stelle schon tiefer in die Akten geschaut zu haben: Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß d. angeblich Geschädigte der angeklagten Üblen Nachrede nicht begeistert sein wird, wenn die Frage nach dem Wahrheitsbeweis nun noch einmal in einer öffentlichen Hauptverhandlung diskutiert wird. Es wird sich dann auch ein weiteres Mal die Frage stellen, ob die Verbreitung der Wahrheit einen Beleidigungs-Charakter haben kann. Und ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, wegen der gekränken Ehre auf andere Weise Satisfaktion zu verlangen.

Dieser Beitrag wurde unter Strafrecht, Verteidigung veröffentlicht.

8 Antworten auf Umfangstrafsache mit Streisand-Effekt

  1. 1
    RA Hermann says:

    Ein Grund, weshalb Banken selbst bei einem Millionenbetrug, z.B. durch Scheckreiterei, o.ä., an einem öffentlichen Verfahren, sei es zivil- oder strafrechtlich, in der Regel gar kein Interesse haben. Wenn die Presse in der Verhandlung sitzt, ist der Betrüger zwar der Böse, aber die Bankvorstände die Trottel, zumal wenn sich herausstellt, daß man dem Betrüger noch Puderzucker wohin geblasen und mit ihm Golf gespielt hat…

  2. 2
    Bilbo Beutlin says:

    Tja, also wird das Opfer nochmal zum Opfer. Prima Strategie!

  3. 3
    schneidermeister says:

    @BilboB:
    Ist so ähnlich wie bei den Nigeria-Scammern und sonstigen Anlagebetrügern. Wenn man sich darauf einlässt, angebliche Devisen/Erbschaften etc illegal außer Landes zu bringen mit angeblichem Bakschisch für Hinz und Kunz, das per WU nach Westafrika gezahlt werden soll, und dann vielleicht auch noch mit Kassenbeständen zahlt, die sich aufgrund der offiziellen Buchführung der kleinen Einzelfirma nicht so ganz erklären lassen, sieht es mit der Anzeigebereitschaft eher mau aus.

  4. 4
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Das ist alles tragisch.

    Allerdings sehen die Möbel im Hintergrund aus wie die Mädchenschrankwand „Modell Babette“ Birke- Furnier (Folie Imitat.)
    So etwas habe ich mir vor ca. 35 Jahren sehr gewünscht, aber leider nie bekommen.

    Gibt es da einen abgesägten Tisch oder steht der Fotograf auf dem Fensterbrett?

  5. 5
    Mustl Gollath says:

    Hört sich so an, als hätte der neue Mandant Wesenszüge eines Fast-Namensvetters meiner Wenigkeit.

    Es ist wohl nicht zuviel gesagt, dass diese Angelegenheit im Hause Hoenig einiges an Arbeitskraft und Nerven binden wird. Hoffentlich gehen dabei keine lukrativen BtM- oder Rocker-Mandate durch die Lappen.

  6. 6

    Da es schon für legal erklärt wurde, einen in Berlin leitenden Justiz-Apparatschik als „durchgeknallt“ zu
    bezeichnen muss der Tatvorurf gräßlichen Inhalts sein, wenn er denn zutrifft.

    Oder wie ist die relativ dicke Akte zu erklären ? Das vergleichsweise hohe Strafmaß ?

  7. 7
    Marco says:

    Aber wenn das AG wegen übler Nachrede verurteilt hat, dann ist nach Ansicht des AG doch die Hürde des § 192 StGB nicht genommen, sondern es hat den Wahrheitsbeweis als nicht geführt angesehen.

    Ansonsten hätte es doch nur wegen Beleidigung verurteilen können.

    Oder hab ich irgendwas komplett missverstanden?

  8. 8
    HugoHabicht says:

    >> Und ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, wegen der gekränken Ehre auf andere Weise Satisfaktion zu verlangen.

    Wolln’s fechten oder schieß‘ mer glei‘?