… steht zur Überzeugung des Gerichts fest

Das gegen Heidi K. geführte Verfahren, in dessen Verlauf ihr vorgeworfen wurde, den Lehrer Horst Arnold zu Unrecht einer Vergewaltigung zu ihren Lasten bezichtigt zu haben, ist nun rechtskräftig abgeschlossen.

Nach der Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs vom 22.10.2014 wurde die Verurteilung der Heidi K. wegen schwerer Freiheitsberaubung nach
Falschbelastung ihres ehemaligen Kollegen wegen Vergewaltigung mit Beschluss des BGH vom 22. Oktober 2014 – 2 StR 62/14 – rechtskräftig.

Das Landgericht Darmstadt hat die Angeklagte K., eine 50 Jahre alte Lehrerin, wegen schwerer Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts zeigte die Angeklagte, die als Lehrerin in einer Schule in R. tätig war, ihren Kollegen A. an und beschuldigte ihn wahrheitswidrig, sie am 28. August 2001 in einem Schulraum vergewaltigt zu haben. Das Landgericht Darmstadt verurteilte A. am 24. Juni 2002 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und ordnete seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, nachdem die als Nebenklägerin auftretende Angeklagte auch in der Hauptverhandlung den Vorwurf aufrechterhalten hatte. Seine gegen das Urteil eingelegte Revision verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 13. Dezember 2002, weil ein Rechtsfehler des Urteils nicht erkennbar war. A. befand sich seit dem 2. Oktober 2001 in Untersuchungshaft sowie anschließend im Maßregelvollzug und in Strafhaft. Er wurde erst nach vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe am 29. September 2006 entlassen. In der Folgezeit lebte er von Sozialleistungen und der Unterstützung seiner Mutter. Im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens sprach ihn das Landgericht Kassel am 5. Juli 2011 frei. A. verstarb am 29. Juni 2012.

Der 2. Strafsenat hat die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 13. September 2013 (15 KLs 331 Js 7379/08) als unbegründet verworfen. Das Urteil ist damit rechtskräftig.

In einem Beitrag auf SPON vom 13.9.2013 schreibt die Journalistin Julia Jüttner über die mündliche Urteilsbegründung des Instanzgerichts:

Die Zerstörung einer Existenz könne man nicht wiedergutmachen, die verlorenen Jahre nicht zurückgeben, sagt Richterin Bunk. „Deshalb kann dieses Urteil keine Wiedergutmachung sein.“ Auch nicht für Arnolds Angehörige, die unter den Vorwürfen sehr gelitten hätten. Dennoch würde sich „die Justiz gerne bei ihnen entschuldigen“.

Wie es zu diesem Fehlurteil kam, berichten Claus Peter Müller und Julia Schaaf in der FAZ vom 25.07.2011.

Diesen Verfahrenskomplex sollten alle, die in vergleichbaren Strukturen an einem Strafverfahren beteiligt sind, als mahnendes Beispiel stets in Erinnerung behalten.

Dieser Beitrag wurde unter Justiz veröffentlicht.

7 Antworten auf … steht zur Überzeugung des Gerichts fest

  1. 1
    LawBlog-Leser says:

    @all: -unbedingt- einen Blick ins LawBlog* werfen und mal den Ausführungen der ehrenwerten „Almute Peters“ zum Thema andächtig lauschen.

    *http://www.lawblog.de/index.php/archives/2014/10/23/lange-gefaengnissstrafe-fuer-falsche-aussage/

  2. 2
    Hermann says:

    Und wer garantiert, daß jetzt nicht ein Fehlurteil zulasten von Heidi K. ergangen ist? Man weiß es eben nie. Solange ein Urteil rechtskräftig ist, gilt der Verurteilte als der Täter. Stellt sich im Einzelfall – leider zu selten – einmal heraus, daß jemand unschuldig verurteilt wurde, heucheln alle Betroffenheit und suchen nach dem nächsten Schuldigen. Das ist im Zweifel der Anzeigeerstatter, der sodann in mittelbarer Täterschaft eine Freiheitsberaubung begangen hat. Seine schuldlos handelnden und unbelangt bleibenden Werkzeuge waren die Richter, die es ja nicht besser wissen konnten, weil sie eben allzu schnell von etwas „überzeugt“ sind.

    Stand nicht erst gestern der Fall in der Zeitung, daß ein unschuldig wegen versuchter Vergewaltigung Verurteilter aus der Zelle heraus selbst den wahren Täter ermitteln mußte, bevor ihm Gerechtigkeit widerfuhr? Unsere Justiz ist leider in vielerlei Hinsicht grottenschlecht. Irren ist mensch, Faulheit und Borniertheit allerdings unverzeihlich. Wie schnell Richter tagtäglich zu ihren „Überzeugungen“ gelangen, ist bestenfalls Hybris.

    Die meisten „Täter“ werden übrigens nicht deshalb unschuldig verurteilt, weil sie die Tat in tatsächlicher Hinsicht nicht begangen haben (dieser Fall ist in der Tat eher selten), sondern weil das Gericht ein Verhalten für strafbar erklärt, das nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gar nicht strafbar ist. Subsumtionsfehler verursachen die meisten Fehlurteile. Wenn dann noch ein inkompetenter Verteidiger beteiligt war, der den Fehler nicht sieht oder – noch häufiger – der Angeklagte gar nicht verteidigt war, wird ein Fehlurteil rechtskräftig.

  3. 3
    Der wahre T1000 says:

    Ich find es gut, dass die Frau verknastet wird. Nicht, weil ich es ihr persönlich gönne, sondern weil es ein abschreckendes beispiel für alle Falschbeschuldiger ist.

    Tatsache ist doch, dass gerade Vergewaltigungen überproportional oft erfunden werden. Das kann bei der verschmähten Frau aus Rache sein, oder weil man dem eigenen Mann den Fehltritt nicht eingestehen will und meint so aus der Sache rauszukommen. Manche mag sich auch vergewaltigt fühlen, wenn sie besoffen Sex hatte und am nächsten Tag das nicht gut findet.

    Vergewaltigungen sind schlimm. Eingesperrt zu werden, wegen einer falschen Beschuldigung ist auch übel. Angesichts der vielen zweifelhaften Fälle reicht es m.E. nicht aus, wenn Aussage gegen Aussage steht. (Ja, ich weiß, die SA klagt an und dann ist die Frau formal ein Zeuge.) Die Beweise sollten schon eindeutg sein.

    Unglücklicherweise verurteilen Gerichte jedoch oft nach „Überzeugung“ (was bleibt ihnen auch anders übrig?) und begründen dann zielgerichtet.

  4. 4
    Dirk says:

    @LawBlog-Leser

    Danke für den Hinweis, aber ich glaube das „andächtig lauschen“ verursacht in diesem Fall Hirnblutungen.

  5. 5
    T.H., RiAG says:

    So selbstverständlich, wie es auch klingt: solche Fälle zeigen, dass man sich immer und immer wieder klarmachen muss, dass die Aufgabe des Richters nicht darin besteht, unter allen Umständen den Anklagevorwurf „durchzubringen“. Fälle wie der des Geschädigten Arnold sind, was die Dimension betrifft, selten; weit weniger selten sind aber leider Verfahren, in denen entlastende Umstände vorschnell als Schutzbehauptung abgetan werden, während einem Belastungszeugen nahezu jeder Blödsinn abgekauft wird. Nachgefragt wird auch kaum noch. So hat mir jüngst eine jung-dynamische StA’in auf meine Anregung, in einem Sachbeschädigungsverfahren nachzuermitteln, wie die in der Anklageschrift genannte Schadenssumme zustande kommt (bislang wurde diese von der evtl. Geschädigten mit einem Satz behauptet, ohne jegliche Information, wie sie auf diese Zahl kommt), mal eben mitgeteilt, dass sie hierfür keinen Anlass sehe, die Anzeigeerstatterin werde doch wohl über Erfahrungswerte, die sie zur Schätzung befähigen, verfügen. Da wird wohl nach § 202 StPO zu verfahren sein. Und am Ende meckert dann der Statistiker mal wieder, weil das Verfahren so lange dauert.

  6. 6
    klausi says:

    an T.H., RiAG
    wie verhält man sich da als richter?

    ein bekannter meines vater ist anwalt und musste mal eine angebliche vergewaltigung verteidigen. er hat mir aus gründen der schweigepflicht keine genauen einzelheiten erzählt (zu recht). eins blieb mir aber in erinnerung: das opfer zählte haarfein alles auf, mit tollen geschichten und handlungen und das alles sehr emotional. der angeklagte hingegen sagte nur ganz ruhig und lapidar: „ich war es nich. ich habe keine ahnung von was sie da redet“.

    es gab noch zeugen, die ihn entlastet haben. das verfahren endete mit einem freispruch aus mangel an beweisen. ohne diese zeugen wäre es laut anwalt anders gelaufen

  7. 7
    K75 S says:

    @LawBlog-Leser:

    Der Aussage #4 schließe ich mich an. Wenn man es soweit auf die Spitze treiben will, dass quasi jeder sexuelle Kontakt auf dem strafrechtlichen Prüfstand landet, steuern wir auf ein Szenario zu, das …

    … also ich meine, an Stelle des users „Almute Peters“ würde ich mir schon mal ernsthaft Gedanken machen, wie das mit den drei Muscheln funktioniert.