Pressemitteilung: Strafanzeige beim Generalbundesanwalt erstattet

Ich veröffentliche die Pressemitteilung der Internationalen Liga für Menschenrechte vom 03. Februar 2014 nachfolgend im vollen Wortlaut:

Internationale Liga für Menschenrechte initiiert Strafanzeige gegen Geheimdienste und Bundesregierung wegen geheimdienstlicher Massenüberwachung und –Ausforschung durch NSA & Co.

Heute hat die Internationale Liga für Menschenrechte zusammen mit

  1. dem Liga-Vizepräsidenten und Rechtsanwalt Dr. Rolf Gössner,
  2. dem Chaos Computer Club e.V., Hamburg, und seiner Sprecherin Dr. Constanze Kurz,
  3. dem Datenschutzverein digitalcourage e.V. (Bielefeld) und den Vorstands­mitgliedern Rena Tangens und padeluun

Strafanzeige beim Generalbundesanwalt erstattet.

Die anlasslose Massenüberwachung und Ausforschung der Bevölkerung, die systematische Digitalspionage durch den US-Geheimdienst NSA und andere Geheimdienste und die damit mutmaßlich verbundenen Bürgerrechts- und Strafrechtsverstöße müssen endlich gerichtlich überprüft und ggf. geahndet werden. So etwa die Straftatbestände der verbotenen Geheimdiensttätigkeit, der Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs, des Ausspähen von Daten und der Strafvereitelung.

Die Strafanzeige richtet sich gegen US-amerikanische, britische und auch deutsche Geheimdienste (Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) und namentlich gegen die jeweils zuständigen Leiter, die über enge Kooperationen in diese flächendeckenden Geheimdienstaktivitäten verstrickt und mit uferlosen Datenübermittlungen an diesem globalen Ausforschungssystem und den Datenexzessen unmittelbar und mittelbar beteiligt sind. Die Anzeige richtet sich auch gegen die Bundeskanzlerin und den Bundesinnenminister als Verantwortliche für die mutmaßliche Mittäter- und Gehilfenschaft bundesdeutscher Geheimdienste. Die Anzeige richtet sich schließlich gegen die gesamte Bundesregierung sowie gegen alle zuständigen Amtsvorgänger während der letzten beiden Jahrzehnte.

Liga-Vizepräsident Dr. Rolf Gössner zu seiner Motivation, die Anzeige mit zu erstatten:

Dieser Schritt ist der Versuch, die allenthalben spürbare Ohnmacht und Duldungsstarre angesichts der Überwachungsdimension und der täglichen Enthüllungen zu durchbrechen und die politisch und strafrechtlich Mitverantwortlichen in Bundesregierung und Geheimdiensten endlich ausfindig zu machen und zur Rechenschaft zu ziehen. Und zwar für deren enge Kooperation und den intensiven Datenaustausch mit der NSA und anderen Geheimdiensten und dafür, dass bundesdeutsche Geheimdienste, wie der BND, sogar Überwachungsinstrumente und –Infrastrukturen mit der NSA teilen, wie Edward Snowden vor kurzem dargelegt hat.

Die inzwischen bekannt gewordenen Geheimdienst-Praktiken und Strukturen jenseits demokratischer Kontrolle haben gravierende Auswirkungen auf die betroffenen Bürger_innen, auf zivilgesellschaftliche Vereinigungen, auf Staat und Gesellschaft, auf Politik und Wirtschaft auf die Substanz von Grund- und Bürgerrechten sowie auf Bewusstsein und Verhalten der Menschen.

Rolf Gössner:

Das von der Verfassung garantierte Recht des Einzelnen, unkontrolliert zu kommunizieren, ist unverzichtbare Grundvoraussetzung einer offenen demokratischen Gesellschaft – wird aber unter den Bedingungen dieser Massenüberwachung schwer verletzt. Doch sowohl die alte als auch die neue Bundesregierung haben es bislang, sträflich unterlassen, mit der Massenüberwachung verbundene Straftaten und Bürgerrechtsverletzungen zu unterbinden und die Bürger_innen und von Wirtschaftsspionage betroffene Unternehmen pflichtgemäß vor diesen feindlichen Attacken zu schützen – obwohl es zu ihren Kernaufgaben gehört, diesen Schutz zu gewährleisten und der Erosion des demokratischen Rechtsstaates und der Bürgerrechte wirksam Einhalt zu gebieten.

Liga-Präsidentin Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin ruft aus all diesen Gründen dazu auf, sich kollektiv zu widersetzen und die Strafanzeige zu unterstützen:

Wir brauchen dringend eine straf- und verfassungsrechtliche Klärung der Verantwortlichkeiten in dieser Affäre – ohne Rücksicht auf (außen-)politische Interessen. Deshalb hat die Liga die Strafanzeige gegen Verantwortliche der Massenüberwachung initiiert – parallel zu unseren Schwesterligen in Frankreich und Belgien und koordiniert durch unsere gemeinsame internationale Dachorganisation FIDH in Paris.

Unsere Initiative soll die Zivilgesellschaft eindringlich dazu ermuntern, sich diesen bürgerrechtsfeindlichen Angriffen auf geltendes Recht mit aller Kraft zu widersetzen – ehe es zu spät ist. Wir rufen Vereinigungen sowie Bürgerinnen und Bürger dazu auf, sich zahlreich der Anzeige anzuschließen und sie öffentlichkeitswirksam zu unterstützen!

Für weitere Informationen verweist der Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV) auf die Pressemitteilung der Anwälte Eberhard Schultz und Claus Förster in Berlin (PDF), die die Strafanzeige für die Liga und im Namen der beteiligten Anzeigeerstatter_innen gefertigt haben.

Dieser Beitrag wurde unter Politisches veröffentlicht.

10 Antworten auf Pressemitteilung: Strafanzeige beim Generalbundesanwalt erstattet

  1. 1
    Manfred says:

    bringt doch nichts.

    „ist „politischer Beamter“ (§ 54 Abs. 1 Nr. 5 BBG). Die beamtenrechtlichen Bestimmungen sehen vor, dass er sich in Erfüllung seiner Aufgaben in fortdauernder Übereinstimmung mit den für ihn einschlägigen grundlegenden kriminalpolitischen Ansichten und Zielsetzungen der Regierung befindet.“

    Der Einzige, der die Regierung anklagen könnte, ist also der Regierung untergeordnet.

    Manche nennen so etwas diktatorische Zustände.

  2. 2

    Genau. Ich wette, dass nichts heraus kommt, soweit es rechtliche Resultate sind. Wer hält dagegen ?
    Mir ist kein Fall bekannt, in dem auch die wahnwitzigsten kriminellen Exzesse von Geheimdiensten in der Bundesrepublik strafrechtlich verfolgt wurden.

    Übrigens betrieb und betreibt etwa die CIA nach dem Ende des Klaten Krieges ganz offiziell Wirtschaftsspionage als eine der Hauptaufgaben.
    Was das Abhören von Merkels Handy und denen ungezählter weiterer Regierungsmitglieder denn mit Terroristenbekämpfung zu tun hat, wird sich schwer vermitteln lassen.

    Das zu erwartende Ergebnis von Snowdens Enthüllungen: es wird ein Schleppnetz ausgelegt, und diejenigen erfasst, welche Nachrichten über Snowden usf. gelesen haben, was dann zu seltsamen Fehlfunktionen ihrer Rechner führt und weiteren Fehlern etwa bei der medizinischen Versorgung, sowie am Ende Druckfehlern auf den Einladungskarten für Trauerfeiern.

  3. 3
    Bert Grönheim says:

    Ich schreibe aus der Position des Nichtjuristen: die Arbeit der NSA wird seit Jahren immer wieder in Beiträgen diskutiert. Mein Informationszuwachs durch Herrn Snowden hielt sich insofern bisher in Grenzen. Für mich bleibt offen, ob man einer Geheimdienstorganisation vorwerfen kann, als Geheimdienst zu arbeiten. Der mutmassliche Erfolg der Abhörorgien scheint sich in Grenzen zu halten. Ich halte trotzdem das Argument für tragfähig, daß auch nur ein verhinderter oder schneller aufgeklärter Anschlag, die scheinbar gängige Praxis rechtfertigen kann. Die bereits seit den 70er Jahren diskutierten weltweiten Ungleichgewichte sind damit wieder nicht angéfasst worden. Die Bedeutung religiös begründeter Konflikte ist nicht bewertet. Insgesamt ist das auf x Gebieten seit Jahrzehnten zur Regel gewordene Gewurschtel damit nicht angefasst und eine Reakton auf die Tatsache, daß wir uns im 21. Jahrhundert befinden, ist für mich auch kaum in Sicht. Trotzdem: wer die Abhörorgien einschränken will, muss sich der Frage stellen, ob deren vielleicht geringer Nutzen verzichtbar ist.

  4. 4
    VictoriaS says:

    @ Arne Rathjen

    Und weil sowieso nichts dabei raus kommt, wird alles widerspruchslos hingenommen?

  5. 5

    Die Staatsanwaltschaft wird von den gleichen Leuten gesteuert, welche die Abhöraktionen, die deutlich über „1984“ von Orwell hinausgehen, angeordnet haben.

    Orwell würde zur Salzsäule erstarren, könnte er das alles miterleben.

    Daher ist nichts zu erwarten, was strafrechtliche Ermittlungen betrifft.

    Auch das Römische Reich ging einmal von der Republik zu einem Reich der Gottkaiser über. Das Militär kontrollierte alles. Sogar in Syrien tobte man herum. Dann ging es wegen Energiemangels unter, wegen Malaria, und wegen einer Barbareninvasion…

    Ähnlichkeiten mit heutigen Imperien sind nicht zufällig.

    In der BRD können wir jetzt glücklich sein, unter einem zwiebelartigen Schirm aus Totalüberwachung beschützt zu werden, da sicher der BND und der russische Auslandsdienst und die Chinesen, die Iraner und die Briten oder auch Franzosen eine strategische Überwachung betreiben wie die NSA.

    Das rechtliche Problem: der verfassungsrechtliche Schutzgegenstand ( Fernmeldegeheimnis, Briefgeheimnis, Datenschutz, Eigentum ) existiert als Seifenoper im Infotainment – Bereich.

    Das sollte man berücksichtigen.

  6. 6
    VictoriaS says:

    @ Arne Rathjen

    Dies ist keine Antwort auf meine – wenn auch polemische- Frage.

    Es kann nicht sein, dass sich auf die Position zurück gezogen wird: kommt sowieso nichts bei raus, deshalb wird nichts gemacht, alles sinnlos.

    Sinnlos ist es erst dann, wenn jeder alles widerspruchslos hinnimmt. Dann meinetwegen auch gleich noch alle Gesetze abschaffen, wozu sollen die auch nötig sein, eine „Generalklausel“ reicht doch.

    Ich finde solche „Aktionen“ wichtig. Wenn nur ein „sollen sie doch, ich habe nichts zu verbergen“- Mensch dadurch erreicht wird, dann ist es ein Erfolg.
    Wenn nichts mehr geht, dann gibt es immer noch Art. 20 Abs. 4 GG.

  7. 7
    Fritz says:

    Der Link zur Internationalen Liga für Menschenrechte ist „tot“.

    • Ich habe ihn wieder zum Leben erweckt. Danke! crh
  8. 8

    Man kann geltungssüchtigen Mandanten Strafanzeigen verkaufen, damit diese sich aufplustern, wenn sie bei Weinproben o.ä. die Anzeige herumzeigen und damit protzen können. NICHT. um eine Verurteilung zu erwirken, denn hierfür ist die ganze Veranstaltung nicht gedacht. Fast alle Anzeigen bleiben liegen.

    Da illegales Abhören ein Massendelikt ist wie Geschwindigkeitsübertretungen oder Falschparken oder Ladendiebstahl, und zur imperialen Machtpolitik dazu gehört, wird sich nun ausgerechnet die deutsche Justiz oder Polizei nicht bemühen, aus ihrem Büroschlaf zu erwachen und die verfolgen, welche ihnen die gemütlichen Posten verschafft haben, oder ?

    Also helfen Anzeigen nichts, außer dass sie einen gewissen Unterhaltungswert haben, wenn das veröffentlicht wird. Nicht hilfreich ist, wenn dann alles wieder eingestellt wird.

    Aber: die wirtschaftlichen Wirkungen werden teuer sein, die Umsätze diverser Konzerne gehen bereits zurück, das Cloud-Geschäft ist mehr oder weniger ruiniert, und so weiter. Die zu erwartende zurück gehende Nutzung des Internet schlägt auf Werbeeinnahmen durch. Entsetzich.

    Die Terroristen werden sich wie früher auch hüten, auch nur eine elektrische Schreibmaschine zu nutzen, nicht zu reden vom Internet, um ihre Aktionen durchzuführen.

    Der war on terror ist so echt wie die Doktorarbeit des
    zu Guttenberg. DAS ist das erste, was man wissen sollte.

    Das Ende der Veranstaltung ist mathematisch ausrechenbar: was passiert, so die Rechenaufgabe, wenn die Wirtschaft tatsächlich wieder läuft, und nicht nur in Statistiken, und die ZINSEN auf ein normales Niveau ansteigen ? Etwa 5-10 % statt jetzt quasi NULL ?

    Der unmittelbar folgende Staatsbankrott wäre angesichts der gigantischen Verschuldung vieler Noch-G8-Staaten die Folge, und dann könnte man nicht Unmengen von Geld verplempern, um die größte Pornosammlung aller Zeiten zu fabrizieren wie die NSA. Und ihre Kollegen, versteht sich.

    Man kann jeden in die Flucht schlagen mit folgender Frage: wie lange dauert es, wenn die BRD oder die USA anfangen, ihre Staatsschulden abzutragen, wenn sie moderate Zinsen von 5% zahlen und ihre Einnahmen etwa konstant bleiben – bis die Schulden getilgt sind ?

    ( Es geht gar nicht )

  9. 9
    schneidermeister says:

    Wenn der CCC jetzt auch noch die „Bundesregierung“ wegen des unterlassenen Vorgehens anzeigt, dann geht das argumentativ nach hinten los. Wenn die Bundesregierung alles Zumutbare tun muß,um Kriminalität zu verhindern und zu bekämpfen, kann man sich fragen, ob nicht die Vorratsdatenspeicherung als jedenfalls ein Baustein (nicht: einziges oder gar Allheilmittel) im Ermittlungsinstrumentarium wieder eingeführt werden müsste.
    Wie außer mit technischen Überwachungsmaßnahmen soll man denn elektronisch betriebene Spionage aufklären? Und wenn man wie die Anzeigeerstatter bloße nachrichtendienstliche und Telekommunikationsdelikte sowie die vom Strafrahmen her popeligen „Industriespionage“-Fälle aufgeklärt und verhindert haben will, wie steht man dann zu Mord, Raub, Einbruch? Muss da auch alles aufgeboten werden?

  10. 10

    Immerhin hat der CCC einige interessante Fragen angerissen:

    wer ist die „Bundesregierung“, wo sitzt sie wirklich? Was ist überhaupt ein „souveräner Staat“ ? Wo ist eine Rechtsgrundlage für das Abhören etwa von Kanzler-Handys ohne Zeitbegrenzung ?

    Muss Bush mit einer Verhaftung rechnen, wenn er wieder deutschen Boden betritt ? Müssen Agenten Bushs / der USA , die in Deutschland Ämter beklieden, Asyl beantragen ? Laut v. Bülow kontrollieren die USA etwa ein Drittel der deutschen Sicherheitsbehörden, Zahlen über Russland liegen nicht vor, aber gewisse wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse sind unübersehbar.

    Muss Snowden in Deutschland mit Problemen rechnen, weil er illegal abgezogenes Material betreffend deutsche Regierungschefs an die Presse verkauft hat ?

    Was sollen diese ganzen alten UNO-Konventionen aus längst vergangener Zeit ?

    Wozu gibt es in Deutschland eine Spionage-
    abwehr ?