Der General-Trickser und die Vorratsdatenspeicherung

Obwohl das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung im März 2010 für verfassungswidrig erklärt hat, setzen fast alle Telekommunikationsanbieter die Vorratsspeicherung von Verbindungs- und Bewegungsdaten illegal fort.

berichtet der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicher. Danach protokollieren Mobilfunk-Netzbetreiber trotz dieses Verbotes bis zu sechs Monate lang …

… in welcher Funkzelle in Deutschland welcher Nutzer mit seinem Handy angerufen hat, angerufen wurde, SMS versandt oder empfangen hat (Telefónica o2: 7-182 Tage, E-Plus: 90 Tage, T-Mobile: 30 Tage, Vodafone D2: 7-30 Tage). Auch welches Handy oder Smartphone man nutzt (IMEI-Nummer), wird teilweise gespeichert.

Es liegt auf der Hand, daß an diesen Daten auch die Ermittler ein nachdrückliches Interesse haben. An die Verkehrsdaten dürfen sie nicht mehr ran. Das heißt aber nicht, daß es keine Alternativen mehr gibt.

Die Generalstaatsanwaltschaft München beispielsweise hat da eine schlaue Idee gehabt (Einen Link auf die gute Idee (PDF) findet sich in dem oben zitierten Beitrag des AK Vorratsdatenspeicherung. Ich traue mich nicht …)

Rückwirkende Verkehrsdaten dürfen nach dem Urteil des BVerfG vom 2.3.2010 nicht mehr erhoben werden. Das Gericht hatte den § 113a TKG für verfassungswidrig erklärt; die Vorschrift ist daher nichtig. Und ohne Gesetz geht da gar nichts mehr. Dachte man. Bisher.

Die Idee der Bayern ist nun, die besagten Rechnungsdaten nach § 96, 97 TKG i.V.m. § 100g StPO heraus zu verlangen. Denn „Rechnungsdaten“ seien eben keine „Verkehrsdaten“. Und die Rechnungsdaten hatten die Verfassungsrichter nicht im Focus.

Also her damit, denkt sich die Münchener Generalstaatsanwaltschaft, und gibt ihren Reitern weitere Tips, wie man am besten an diese Daten kommt.

Sie mögen den Ermittlungs-Richtern, die die Beschlagnahme der Rechnungsdaten anordnen sollen, die Beschlüsse vorformulieren. Dabei solle man darauf achten, die Rechnungsdaten möglichst genau zu bezeichnen. Und auch eine Rechtsgrundlage dafür solle man dem Richter schon ‚mal aufschreiben, damit der nicht mehr großartig suchen muß. Die §§ 96, 97 TDK, 100g Abs. 1 StPO seien dazu ganz gut geeignet.

Garniert wird das Ganze mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß sich über die Rechnungsdaten sowohl die Funkzellendaten feststellen lassen, als auch eine Zielwahlsuche möglich sei.

Herzlichen Glückwunsch, kann man da nur sagen. Wenn so ein Rechtsanwalt arbeitet, muß er sich als Trickser und als Winkeladvokat bezeichnen lassen. Staatsanwälte dürfen das. Quod licet Iovi, non licet bovi. Oder wie heißt „Umleitung“ auf Lateinisch?

Daher hier nun zwei freundlich gemeinte Hinweise des Strafverteidigers:

1. Straftaten und Telefone sind nicht kompatibel.
2. Bei Prepaidkarten werden in der Regel keine Verkehrsdaten gespeichert.

8-)

Nach dem Motto „Das könnte Sie auch noch interessieren„:
Seriös besprochen wird das Thema Vorratsdatemspeicherung von Herrn Prof. Dr. Henning Ernst Müller im beckblog, mit weiteren Hinweisen.

Bild: Hartmut910 / pixelio.de
 

Dieser Beitrag wurde unter Knast, Staatsanwaltschaft, Strafverteidiger veröffentlicht.

5 Antworten auf Der General-Trickser und die Vorratsdatenspeicherung

  1. 1
    malnachgefragt says:

    „Und auch eine Rechtsgrundlage dafür solle man dem Richter schon ‘mal aufschreiben, damit der nicht mehr großartig suchen muß. “

    Genau das fordert übrigens der Sächsische Datenschutzbeauftragte in seinem Bericht, in dem er die Funkzellenabfrage in Dresden durch Polizei und StA beanstandet („Zukünftig genaue Bezeichnung der Rechtsgrundlagen in Anträgen“,Siehe Seite 5 unter „Forderungen“ des Berichts an den Sächsischen Landtag). Und zwar nicht, weil er meint, dass das dem Richter das Suchen erleichtert…

  2. 2
    RA Haber says:

    „iura novit curia“ – aber bei den neu(er)en Medien hört es eben auf…

  3. 3
    malnachgefragt says:

    „Wenn so ein Rechtsanwalt arbeitet, muß er sich als Trickser und als Winkeladvokat bezeichnen lassen. Staatsanwälte dürfen das.“
    Ähm: Die Staatsanwälte haben diese schlauen Tips nicht öffentlich verbreitet/verbreiten wollen, wie sich aus dem klar und deutlich lesbaren „VS-nfD“ ergibt. Und Sie tun es ja auch nicht, wenn Sie nicht aufs .pdf verlinken.

  4. 4
    Jens says:

    Wieso eigentlich „Trickserei“?

    Entweder das ist auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerfG zulässig, dann ist auch kein Trick dabei, von einer gegebenen Rechtsgrundlage Gebrauch zu machen.

    Oder das wird von dem Verbot des BVerfG erfasst (was derjenige, der das behauptet, dann aber auch mal begründen könnte), dann ist es auch kein Trick, sondern einfach rechtswidrig.

      Genau so argumentiere ich auch, wenn mir als Verteidiger die Staatsanwaltschaft vorwirft, die Rechte zu nutzen, die meinem mir und meinem Mandanten die StPO in die Hand gibt. Nur – warum ist die Bedienungsanleitung des Generals dann aber unter „Verschluß“, wenn so ein … ähem … Verhalten frei von Problemen wäre? crh
  5. 5
    RA JM says:

    Und? Schon die Petition mitgezeichnet?